Fortuna verteilt milde Gaben
Was man am und im Alten Stadthaus, dem Sitz der Berliner Innen- und Sportverwaltung entdecken kann



Die Wiederherstellung der kupfernen Turmfigur wurde von dem
Berliner Unternehmer Peter Dussmann mit 125 000 Euro finanziert.
Letztmalig war ihre Existenz für das Jahr 1962 bezeugt.




Die überlebensgroßen Steinfiguren am Turm vereinen antike und christliche
Themen und Tugenden, und wenn man sie genau anschaut, erkennt man
in ihnen auch die Aufforderung zu Treue, Kraft, Humanität und Toleranz.



Der Bronzebär wurde vor einigen Jahren aus dem Berliner Tierpark
zurück in den nach ihm benannten Festsaal gebracht.




Leider besitzt der Bärensaal keine gute Akustik. Bei Konzerten,
Vorträgen und anderen Veranstaltungen stören die Schallwellen
einander. Man muss einen guten Platz haben, um gut hören zu können.




Die Inschriftenplatten mit biblischen Spruchweisheiten
haben zum Glück alle Umbaugelüste überstanden. (Fotos: Caspar)

Weithin sichtbar ist der Kuppelturm des Alten Stadthauses im Berliner Klosterviertel, nur eine U-Bahn-Station vom Alexanderplatz entfernt. Auf der Spitze steht die Glücksgöttin Fortuna, die aus ihrem Füllhorn milde Gaben auf die Stadt verteilt. Die 3,25 Meter hohe Kupfertreibarbeit auf einer vergoldeten Kugel war vor einigen Jahren nach langer Abwesenheit auf den Turm gehoben worden. Als nach 1949 das Magistratsgebäude in den Sitz des DDR-Ministerpräsidenten umfunktioniert wurde, hat man die prächtige Symbolfigur für überflüssig erklärt, sie abgetragen und an ihrer Stelle einen Fahnenmast aufgerichtet.

Da das von dem Bildhauer Ignatius Taschner geschaffene Original der Fortuna verloren ist, wurde eine Nachbildung aus einem Millimeter dünnem Kupferblech in der Werkstatt des Adlershofer Restaurators Bernd-Michael Helmich geschaffen. Dazu stellte der Bildhauer Jost van der Velden nach einem kleinen Originalmodell ein 1:1-Modell aus Gips her. Nach ihm haben Helmich und seine Mitarbeiter zahllose gewölbte Kupferbleche geschaffen. Sie wurden miteinander verschweißt, so dass die eindrucksvolle Glücksfigur mit dem Füllhorn entstand. Die Dame wiegt etwa 250 Kilogramm und wurde mit Hilfe einer Edelstahlkonstruktion in der Turmspitze verankert, so dass Wind und Wetter ihr nichts anhaben können.

Als nach der Wiedervereinigung 1990 die Innen- und Sportverwaltung in das Alte Stadthaus einzog, begann sie mit der Sanierung und Restaurierung des 1902 bis 1911 nach Plänen des Berliner Stadtbaurates Ludwig Hoffmann errichteten Gebäudes gegenüber dem Roten Rathaus. Anstelle des flachen Notdachs aus der Nachkriegszeit das gegenüber dem Roten Rathaus stehende Alte Rathaus sein hohes Mansard-Dach zurück.

Zum Skulpturenschmuck des Alten Stadthauses gehören überlebensgroße Plastiken aus Muschelkalkstein. Sie waren 1976 wegen ihres schlechten Zustandes abgebaut und ins Depot verbannt worden. Für die stadträumliche Wirkung des Alten Stadthauses aber war die Wiederherstellung des Figurenkranzes von herausragender Bedeutung. Ludwig Hoffmann hatte sich von den Türmen des Deutschen und Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt inspirieren lassen, die ähnlich gestaltet sind und von einer vergoldeten Figur bekrönt werden.

Das als Vierflügelanlage errichtete Bürogebäude ist mit repräsentativen Festsälen ausgestattet. Prunkstücke sind die Große Festhalle, die man besser als Bärensaal kennt, sowie die Vestibüle an der Jüdenstraße und an der Klosterstraße. In DDR-Zeiten ging man mit diesen kostbar dekorierten Räumen wenig pfleglich um. Der Bärensaal war ein im Stil der fünfziger Jahre umgestalteter öder Versammlungsraum des DDR-Ministerrates, der die edel dekorierten Wände und Decken hinter Verkleidungen und Einbauten verschwinden ließ. Verloren gingen prunkvolle Kandelaber, bronzene Portalgitter und der Marmorfußboden, während ein von dem Bildhauer Georg Wrba geschaffener Bronze-Bär in den Tierpark Friedrichsfelde abgeschoben wurde. Erst 2001 kehrte das Berliner Wappentier an seinen Stammplatz auf einem hohen Steinpodest zurück.

Nach Beseitigung der Einbauten aus DDR-Zeiten und der Entfernung von störenden Eisenträgern, Pappen und Spanplatten bei der von dem Architekten Gerhard Spangenberg geleiteten Generalsanierung des Alten Stadthauses zeigte sich, dass die Gesimse, Inschriftentafeln und weiterer Schmuck beschädigt, aber nicht beseitigt sind. So wurden wieder aus dem Alten Testament entnommene Sprüche an den Wänden wieder sichtbar. Da zum Glück im Bärensaal mehr verbrettert als vernichtet wurde, können Besucher wieder die ursprüngliche Feierlichkeit und Würde des Raums erleben und sich in tröstliche Spruchweisheiten wie "Mancher ist arm bei großem Gut, und mancher ist reich bei seiner Armut" oder "Es ist besser ein Gericht Kraut mit Liebe, denn ein gemästeter Ochse mit Hass" vertiefen.

Das Ergebnis der Restaurierung der Innenräume gilt als gelungenes Beispiel für den behutsamen, im Hoffmannschen Sinne zur "Nachachtung" empfohlenen Umgang mit diesem bedeutenden und vielfach geschundenen Baudenkmal. Die Originalsubstanz ist mit ihren Verletzungen erhalten, die Spuren der Geschichte bleiben sichtbar. Geblieben sind die Löcher für die Träger einer ehemaligen Zwischendecke, und auch die Köpfe über einzelnen Türen, denen man Nasen abgeschlagen hatte, um Wandverkleidungen anbringen zu können. Sie behalten, demoliert wie sie sind, ihren Zeugnischarakter.

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