Vermittlung durch das Fräulein vom Amt
1881 griffen die ersten 48 Teilnehmer in Berlin zum Telefonhörer / Generalpostmeister Heinrich von Stephan war auch der Vater der Correspondenzkarte



Ziemlich urtümlich sahen die ersten Telefonapparate aus, ausgestellt ist
eine kleine Sammlung im Berliner Museum für Kommunikation.



Auf Heinrich von Stephan geht die Gründung des Berliner Postmuseums an der
Leipziger Straße/Ecke Mauerstraße zurück, das heute als Museum für
Kommunikation auch das Andenken seines Gründers pflegt.
Die bunte Correspondenzkarte bildet das Gebäude und Stephans Porträt ab.




Die Zeichnung aus dem Jahr 1878 zeigt Stephan beim Telefonieren.



Wer "Telephons" im Dutzend kauft, bekommt 25 Prozent Rabatt, verspricht
die Annonce einer Firma in Altona, und auch andere Hersteller waren gut
im Geschäft. Ein Telefonapparat plus Gebrauchsanweisung, Draht,
Verpackung und Porto kostete 11 bis 12 Goldmark




Das unter Denkmalschutz stehende Haupttelegrafenamt in der Oranienburger
Straße in Berlin-Mitte besaß auch eine Telegramm-Annahme. Aktuell wird das
repräsentative Gebäude aus der Kaiserzeit saniert und restauriert.
(Fotos/Repros: Caspar)

Das Telefonieren war vor 135 Jahren eine ausgesprochen exklusive Angelegenheit. Denn als am 1. April 1881 in Berlin als erster Stadt im deutschen Kaiserreich das Telefonzeitalter eröffnet wurde, gab es gerade einmal 48 Teilnehmer. Dass man in der Reichshauptstadt telefonieren konnte, geht auf eine Initiative des am 7. Januar 1831 im pommerschen Städtchen Stolp geborenen kaiserlichen Generalpostmeisters Heinrich Stephan zurück, der 1885 in den Adelsstand erhoben wurde und am 8. April 1897 starb. Dem innovativen Beamten, der seinen Beruf von der Pieke auf gelernt hatte, schwebte mit dem Fernsprecher - dieser Begriff wurde von ihm erfunden - ein Kommunikationsmittel "für jedermann" vor. Allerdings fand Stephans Aufruf wegen der hohen Installationskosten zunächst wenig Widerhall.

Die kleine Telefongemeinde war anfangs per Draht miteinander verbunden. Da die ersten Telefonapparate noch keine Wählscheibe besaßen, mussten die Verbindungen zunächst vom "Fräulein vom Amt" in der zentralen Gesprächsvermittlung in der Französischen Straße per Hand gestöpselt werden. Wie das Telefonieren langsam den Kinderschuhen entwuchs und welche urtümlich anmutenden Apparate anfangs im Einsatz waren, wird im Museum für Kommunikation an der Leipziger Straße und im Deutschen Technikmuseum an der Trebbiner Straße im Bezirk Kreuzberg demonstriert. Die Sammlung in dem kaiserzeitlichen Prunkbau an der Leipziger Straße im Bezirk Mitte war als Reichspostmuseum ebenfalls von Stephan ins Leben gerufen worden. Auf ihn geht außerdem die "Correspondenzkarte", also die Postkarte, zurück. Diese Novität wurde anfangs misstrauisch beäugt, weil sie auch von Unbefugten gelesen werden konnte. Ungeachtet dieser Bedenken traten die dann auch mit bunten Bildern bedruckten Postkarten schon bald ihren Siegeszug an.

Wie ein Blick in die Berlin-Chronik zeigt, hatte das Telefon einige Anlaufprobleme. Unter den ersten Fernsprechteilnehmern befanden sich kaum Privatleute, und auch Ministerien und andere staatliche Behörden rissen sich nicht gerade darum, miteinander auf neue Weise zu kommunizieren. Wenn Nachrichten schnell und sicher verschickt werden mussten, tat man das durch Boten oder per Post, die damals in Berlin noch mehrmals am Tag ausgetragen wurde. Hilfe kam auch von der Rohrpost, die im wahrsten Sinne des Wortes in Windeseile Briefe, Päckchen und andere Sendungen beförderte. Auch die Einführung der "pneumatischen Depeschenbeförderung", wie man damals sagte, am 1. Dezember 1876 geht wie vieles andere auf Heinrich von Stephan zurück. Im Museum für Kommunikation können Besucher einander Briefe per Rohrpost wie anno dunnemals schicken, und es wird auch an den Gründer des Gründers der Sammlung, die ursprünglich Kaiserliches Postmuseum hieß und dank intensiver Restaurierungsarbeit zu großen Teilen im Originalzustand erhalten ist. Allein das prunkvoll ausgestattete Gebäude ist einen Besuch wert.

Dünnes Heft mit wenigen Nummern

Zeigten Privatpersonen und Ämter beim Telefonieren anfangs noch Zurückhaltung, so griffen Zeitungen, Banken und große Unternehmen begeistert zum Telefonhörer. Die Vorteile des neuen Mediums sprachen sich schnell herum, und so wich die anfängliche Zurückhaltung einer regelrechten Telefon-Euphorie. In einem Berlin-Buch aus dem Jahr 1895 wird festgestellt, dass Berlin weit und breit das weiteste und beste Fernsprechnetz besitzt, "denn mit ihren Vororten verfügt unsere Stadt über ca. 21 000 Sprechstellen, unter denen im letzten Jahr über 103 Millionen Verbindungen stattfanden, an jedem Tage also durchschnittlich 326 500". Das erste Berliner Telefonbuch war noch ein dünnes Heft mit wenigen Nummern und Adressen sowie einer Anweisung, wie die von der Firma Siemens & Halske gebauten Telefonapparate zu handhaben sind. Der Verlag Berlin Story hat als Reprint das erste Berliner Telefonbuch, verbunden mit interessanten Zusatzinformationen, herausgebracht.

Als am 8. April 1897 Heinrich von Stephan in Berlin erst 66jährig nach längerem Leiden starb, schwankte das Urteil über ihn zwischen "Ressortpatriot mit Eigenmächtigkeiten" (Otto von Bismarck) und "anregender, kluger Ratgeber von eiserner Energie" (Kaiser Wilhelm II.). Der adelsstolze Bismarck nannte den obersten Postmeister des Reiches "König Stephan", sah in ihm einen Parvenü, "der über jede Reform gleich in 10 Zeitungen die Glocken läuten" lasse. Wie sehr hatte sich der "eiserne Kanzler" doch über Stephan und sein Erbe geirrt! Sicher hätten die anfangs Correnspondenzkarte genannte Postkarte, Telefon und Telegrafie, einheitliche Posttarife und die Rohrpost und viele andere Errungenschaften des 19. Jahrhunderts auch ohne Stephan ihren Siegeszug angetreten. Doch dank seiner Energie und Zähigkeit bekamen diese Neuerungen in Deutschland frühzeitig eine Chance und wurden auf allen Kontinenten Allgemeingut. Für den technischen Neuerungen gegenüber stets aufgeschlossenen Kaiser Wilhelm II. war der "sehr auf den Gebieten der Politik beschlagene" Stephan nicht zuletzt auch deshalb wichtig, weil er schnelle Verbindungen in deutsche Kolonien herstellte und die Flottenpolitik seines Herren unterstützte.

Bei der Regierung in Berlin, die die Bedeutung gut funktionierender Münz-, Verkehrs- und Postverhältnisse diesseits und jenseits der deutschen Grenzen wohl zu schätzen wusste, besaß der technikbegeisterte Stephan großes Ansehen. Man überhäufte ihn mit Orden und Titeln. 1870 ernannte Otto von Bismarck noch in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident den Technokraten zum Generalpostmeister des Norddeutschen Bundes. Sechs Jahre später, nach der Verschmelzung des Reichstelegrafenwesens mit der Reichspost, wurde er zum Generalpostmeister befördert, später zum Staatssekretär des Reichspostamtes und 1895 zum Staatsminister.

Mit jungen Jahren in das preußische Generalpostamt zu Berlin gelangt, beweis Stephan ungewöhnliches Organisationstalent und Pioniergeist und kletterte unaufhaltsam auf der Beförderungsleiter empor. Gegen den Willen phantasieloser Beamter modernisierte er den Dienstbetrieb bei der preußischen Post, schrieb ein Lehrbuch für Postbeamte, den "Kleinen Stephan", forschte und publizierte über die Geschichte der Post in Preußen. Obwohl Stephan schon 1865 das "Postblatt" entwickelt hatte, dauerte es noch fünf Jahre, bis der rechteckige Karton mit aufgedrucktem Postwertzeichen zu einem halben Silbergroschen auf der Vorderseite und dem Raum für Mitteilungen auf der Rückseite als "Correnspondenzkarte" an die Berliner Postschalter kam. 45468 Postkarten gingen gleich am ersten Tag weg wie warme Semmeln.

Alte Zöpfe wurden abgeschnitten

Innovative Leute wie Stephan wurden gebraucht in einer Zeit, da die deutschen Fürstentümer und freien Städte "mit Blut und Eisen" unter der Hegemonie der Hohenzollern zu einem Kaiserreich zusammengeschweißt wurden. Stephan lebte in einer Zeit tiefgehender Umwälzungen. Alte Zöpfe mussten abgeschnittenen, lieb gewordene Gewohnheiten über Bord geworfen werden. Nur so ließ sich der Rückstand des in zahlreiche Fürstentümer gespaltenen Deutschland gegenüber anderen Staaten aufholen. Noch vor der Bildung des Kaiserreiches (1871) betrieb der Postmeister die Ablösung der 350 Jahre alten Thurn und Taxis'schen Postverwaltung, die in seinen Augen "bei den im deutschen Postwesen herrschenden, verworrenen, partikularistischen Verhältnissen eine besonders verhängnisvolle Rolle" gespielt hat. 1867 liquidierte er gegen eine Entschädigung von drei Millionen Talern die alte Thurn-und-Taxi-Post, deren Hauptsitz die von preußischen Truppen besetzte reichsfreie Stadt Frankfurt am Main war. Stephan saß mit am Tisch, als über die Überwindung von Binnen- und Außengrenzen, die Vereinheitlichung von Münzen, Maßen und Gewichten, von Zöllen, Post- und Transporttarifen beraten wurde. Der energische Postmeister bombardierte seine Regierung mit Denkschriften, forderte im Interesse der ungehinderten Entwicklung von Handel, Wirtschaft und Gedankenaustausch die Überwindung postalischer Schranken. "Die Taxen müssen möglichst billig, einfach, leicht anwendbar und dem Publikum verbindlich sein und im richtigen Verhältnis zur Leistung (der Post) stehen", verlangte er.

Die Vereinheitlichung des Postwesens im Norddeutschen Bund mit der Einführung der Briefgebühr von einem Silbergroschen und einheitlichen Gebühren für den Paket-, Geld- und Zeitungsverkehr war das Modell für Maßnahmen nach der Reichseinigung von 1871, als Stephan die verschiedenen Landesposten in die einheitliche Reichspost zu überführen hatte. Das namentlich in ländlichen Bereichen übliche Briefzustellgeld wurde abgeschafft. Hier richtete Stephan Poststellen ein, die den Zustellverkehr erheblich vereinfachten. Die Post bekam nicht nur neue Pflichten, sondern wurde auch entlastet. So wurde ihr die traditionelle Personenbeförderung abgenommen.

Unter Stephans Federführung wurde 1873 in Berlin der Entwurf eines internationalen Postvertrags ausgearbeitet. Der Generalpostmeister nutzte dabei die Erfahrungen Deutschlands im Postverkehr mit Österreich, Dänemark, Spanien und anderen Ländern. Vorgesehen war die Einführung international geltender einheitlicher Posttarife für Briefe, Drucksachen, Warenproben und Geschäftspapiere. Klarheit, Übersichtlichkeit und vor allem niedrige Preise waren in Stephans Verständnis Voraussetzungen, Handel und Verkehr wirkungsvolle Impulse zu vermitteln. Da ein internationales Abkommen eifersüchtig gehütete Hoheitsrechte einzelner Länder berührte, hatte Stephan nicht geringe Widerstände zu überwinden. Um den Eindruck zu vermeiden, dass sich das von vielen Ländern durch imperiales Gehabe und dem Griff nach Kolonien beargwöhnte kaiserliche Deutschland als Vormund anderer Staaten aufspielt, wurde der von Stephan schon lange vorbereitete internationale Postkongress nicht in Berlin, sondern auf neutralem Boden im schweizerischen Bern veranstaltet. Am 9. Oktober 1874 konnte nach hartem Ringen der "Allgemeine Postvertrag" unterzeichnet werden. Ihm traten 21 Regierungen bei. 1878 gaben sich die mittlerweile 33 Mitgliedsstaaten den Namen Weltpostverein, und der Allgemeine Postvereins-Vertrag hieß von nun an "Weltpostvertrag". .

19. August 2016

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