Monument der Teilung und der Einheit
Das Brandenburger Tor und seine 222 Jahre alte Quadriga haben in ihrer langen Geschichte schon viel erlebt



Für Kaiser Napoleon I. war der Sieg über Preußen und sein Einzug
durch das Brandenburger Tor in die Hauptstadt Berlin
so wichtig, dass er 1806 diese Medaille prägen ließ.




Berolina trauert um den Verlust der Quadriga, die von den
Franzosen nach Paris als Kriegsbeute verschleppt wurde
und erst 1814 nach Berlin zurück kam.



Von Johan Gottfried Schadows wohl bekanntester Figurengruppe blieb
dieser originale Pferdekopf im Märkischen Museum erhalten.




Das Brandenburger Tor und der Pariser Platz sind Flairs bei
Berlinern und Touristen beliebt und stehen auch im
Mittelpunkt weltweit im Fernsehen übertragener Veranstaltungen.
(Fotos/Repro: Caspar)

Viel hat die über 222 Jahre alte Wagenlenkerin oben auf dem Brandenburger Tor schon gesehen - Aufmärsche und Jubelfeiern, Trauerzüge, Beschuss und Abriegelung, Vandalen im Freudentaumel, Mühen von Restauratoren sowie Staatsbesuche und Volksfeste anlässlich von Jahreswechseln, Fußballmeisterschaften und zu anderen Ereignissen. Wie kein anderes Bauwerk wurde das Brandenburger Tor zum Schicksalstor der Deutschen. Für die unterschiedlichsten Zwecke wurde es vereinnahmt - mal als Triumphtor für zurückkehrende Truppen, mal als Kulisse für Staatsempfänge, am 30. Januar 1933 für einen Fackelzug brauner Horden anlässlich der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und als Kulisse für die Siegesfeier am Ende des Zweiten Weltkriegs zwölf Jahre später. Noch in den fünfziger Jahren wurde das Tor von der SED als Mahnmal zur Herstellung der deutschen Einheit genutzt, freilich einer Einheit unter kommunistischen Vorzeichen. Nach dem Bau der Mauer 1961 avancierte der Säulenbau auf östlicher Seite zum Symbol für bewaffnete Abschottung. Als amerikanische Präsidenten hier zur Öffnung der Mauer aufriefen, ernteten sie ungläubiges Staunen und heftigen Protest. Noch hundert Jahre werde das Brandenburger Tor zugesperrt bleiben, behauptete SED-Chef Honecker 1989 und erntete heftigen Protest bei seinen Untertanen. Als dann am 22. Dezember 1989 bei strömendem Regen endlich auch das Brandenburger Tor geöffnet wurde, ahnte kaum jemand etwas von den Mühen, die von Willy Brandt ausgegebene Losung "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört" endlich Wirklichkeit werden zu lassen.

Das größte und sicher auch bekannteste Bildwerk des Berliner Bildhauers Johann Gottfried Schadow ist die kupferne Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Das einzig noch erhaltene Stadttor Berlins, errichtet zwischen 1789 und 1791 nach Plänen von Carl Gotthard Langhans, erhielt erst 1794 seinen bekrönenden Schmuck - die überlebensgroße geflügelte Eirene. Die antike Friedensgöttin lenkt einen von vier prächtigen Rössern gezogenen Wagen. Langhans hatte das klassizistische Tor mit seinen fünf Durchfahrten an Stelle eines barocken Vorgängerbaues nach griechischen Vorbildern als Abschluss der Prachtstraße Unter den Linden entworfen. Schadow sorgte für den bildnerischen Schmuck. Die Monumentalplastik konnte wegen des hohen Gewichts nicht gegossen werden. Das millimeterdünne Kupferblech wurde in Potsdam auf einem Holzmodell gearbeitet und über ein Eisengerippe montiert. Ursprünglich war die Wagenlenkerin nackt. Da das aber als anstößig empfunden wurde, erhielt sie ein kupfernes Hemd.

Johann Gotfried Schadow und andere Berliner mussten 1806 miterleben, wie Kaiser Napoleon I., der Sieger der Schlacht von Jena und Auerstedt, durchs Brandenburger Tor zog, das Schloss bezog und die gegen England gerichtete Kontinentalsperre dekretierte. Zum Verdruss der Besiegten wurde die Demontage der Quadriga befohlen. Das Beutestück gelangte trotz inständiger Bitten von Schadow, im Interesse der empfindlichen Figur von dem Plan abzulassen, nach Paris, um dort auf einem Triumphbogen aufgestellt zu werden. Erst nach der Niederlage Napoleons I. 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig und dem Einmarsch der Verbündeten in Paris 1814 konnte der Torschmuck, in 14 Kisten verpackt, im Triumphzug die Heimreise antreten. Am 7. April 1814, als Friedrich Wilhelm III. durch das Brandenburger Tor in die Hauptstadt einritt, prangte die Quadriga wieder am alten Ort.

Die Friedensgöttin Eirene hatte sich 1814 durch Montage des Eisernen Kreuzes nach den siegreichen Befreiungskriegen in eine Siegesgöttin, eine Viktoria, verwandelt. Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Bildwerk bei den letzten Kämpfen fast ganz zerstört. Jahrelang sah man einen traurigen Rest aus Kupferblech und Eisenstangen. Die in den fünfziger Jahren zusammen mit dem Wiederaufbau des Brandenburger Tores von der Schöneberger Bildgießerei Hermann Noack geschaffene Kopie entspricht den Abformungen von 1943. Lediglich blieb im Märkischen Museum am Kölnischen Park ein originaler Pferdekopf aus dünnem Kupferblech erhalten.

Interesse verdienen Diskussionen über das Eiserne Kreuz, das 1814 in den Eichenkranz an der Stange gefügt wurde. SED-Funktionäre sorgten 1958 dafür, dass die 1813 von Karl Friedrich Schinkel entworfene Auszeichnung aus den Befreiungskriegen herausgesägt wurde. In den Augen Ostberliner Ideolo-gen war das Eiserne Kreuz ein Sinnbild preußisch-deutschen Militarismus, und in der regimetreuen Presse wurden Ersatzlösungen, etwa die Kombination von Friedenstaube, Hammer und Sichel oder Sowjetstern, gepriesen. Kreuz und Adler wurden bei der Generalrestaurierung der Quadriga im Jahre 1990, nach den wilden Attacken während der Silvesterfeier am Jahreswechsel von 1989 auf 1990, wieder in den Eichenkranz eingefügt. Die Arbeiten im Deutschen Technikmuseum waren 1991, zur Zweihundertjahrfeier der Eröffnung des Brandenburger Tores, abgeschlossen. Dabei ist das marode Eisengerüst durch eine Konstruktion aus nichtrostendem Stahl ersetzt worden. Als vor einigen Jahren das durch Umwelteinflüsse ziemlich verschmutzte Brandenburger Tor einer Generalsanierung unterzogen und gereinigt wurde, zeigte sich, dass der Zustand der Quadriga vergleichsweise gut ist, so dass größere Überholungsarbeiten nicht nötig waren.

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