Parochialkirche bekam ihren Turm zurück
Architektonischer Dreiklang in der Mitte Berlins wiederhergestellt / Bald wird auch das berühmte Glockenspiel zu hören sein





Wenn die Bauarbeiten beendet sind, wird die barocke Parochialkirche
wieder so aussehen wie auf dem über 200 Jahre alten Kupferstich.



Der Kranz vor dem Kirchportal erinnert daran, dass hier vor wenigen
Tagen ein Richtfest stattgefunden hat.




Der Innenraum des Gotteshauses wird so bleiben, wie ihn der Krieg
zugerichtet hat. Es ist geplant, hier Zeugnisse sakraler Kunst
aus Berlin und Brandenburg zu präsentieren. (Fotos/Repro: Caspar)



Die Klosterstraße im Berliner Bezirk Mitte, nur eine U-Bahnstation vom Alexanderplatz entfernt, hat ihren Turm zurück, 72 Jahre nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg durch Brandbomben und 301 Jahre nach seiner ersten Erbauung nach Plänen von Jean de Bodt. Mit rotglänzendem Kupferblech verkleidet, steht der 65 Meter hohe Turm mit seinen 52 Glocken wieder auf dem barocken Gotteshaus und über dem historischen, bei vielen Berlinern und Gästen der Stadt wenig bekannten Klosterviertel. Das Richtfest am 1. Juni 2016 war der bisherige Höhepunkt der Rekonstruktions- und Sanierungsmaßnahmen an der Parochialkirche, die 1991 begannen und durch viele private Spenden ermöglicht wurden.

Der aus einer Stahlkonstruktion bestehende und von einer Holzverschalung umkleidete Turm war während der vergangenen Wochen in vier Baugruppen am Boden zusammengefügt worden. Er besteht, von unten nach oben betrachtet, aus dem Leitungsgeschoss, dem Glockengeschoss, dem Uhrengeschoss und der Turmpyramide mit dem vergoldeten Turmknauf. Hier wurden nach alter Tradition Kassetten mit Bauplänen, Tageszeitungen, einem Siegel der Parochialkirche und einem Segensspruch der Gemeinde eingelegt. Über der Kugel leuchtet eine vergoldete Sonne, die ab sofort von überall zu erkennen ist.

In einer aufsehenerregenden Aktion wurden die Bauteile mit einem Gewicht von 94 Tonnen in vier Tagen von einem Tausend-Tonnen-Kran und einem kleineren Hilfskran auf den Turmrumpf aufgesetzt und miteinander verschraubt. Allein das Uhrengeschoß wiegt 40 Tonnen. Den Abschluss der Turmpyramide bildet der zwölf Meter lange "Kaiserstiel" mit der Dokumentenkugel und Sonne. Mit dem Aufbau des Kirchturms ist der städtebauliche Dreiklang der Türme des Roten Rathauses, des Alten Stadthauses und der Parochialkirche wiederhergestellt, der diesem ältesten Stadtteil von Berlin seinen markanten städtebaulichen Akzent gab und jetzt wiedergibt. Die Rekonstruktion des Turmes liegt in den Händen des Architekten Jochen Langeheinecke, der seit 1991 auch die baulichen Maßnahmen an der kriegszerstörten Kirche leitete, und seines Büros. Beim Richtfest wurde als besonders bemerkenswert hervorgehoben, dass Auszubildende und Lehrer der Knobelsdorff-Schule, Oberstufenzentrum Bautechnik, die Turmpyramide gebaut haben.

Der Verein Denk mal an Berlin e.V. unter seinem Vorsitzenden Hans Wall und mit seinen Vorstandsmitgliedern Detlef Graf von Schwerin, Michael Tegtmeier, Elisabeth Ziemer und Sisi Zheng ist in Abstimmung mit der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien Bauherr der Maßnahme. Der Verein hat seit 2008 für die Maßnahme unermüdlich um Spendenmittel geworben. Die gesamte Bausumme beträgt 3,53 Millionen Euro. Davon hat die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin 2,91 Millionen Euro beigetragen, Hans Wall hat das Glockenspiel mit 420 000 Euro finanziert und der Verein hat 200 000 Euro zusammengetragen. Die Kirche war bis zu ihrer Zerstörung berühmt für ihr Glockenspiel, das künftig regelmäßig erklingen soll, so dass die Kirche in Zukunft wieder ihrem alten Beinamen "Singuhrkirche" gerecht wird. Das neue Glockenspiel wurde von der traditionsreichen holländischen Firma Petit & Fritsen in der gleichen Art gegossen wie das Glockenspiel, das am 24. Mai 1944 bei der Zerstörung der Kirche unterging.

4. Juli 2016

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