Spreeufer nach Vera Brittain benannt


Englische Pazifistin sowie großartiger Menschen- und Kunstfreund werden in Berlin auf besondere Weise geehrt



Das neue Straßenschild hebt unter anderem hervor, dass Vera Brittain
auch gegen die Bombardierung von Berlin durch alliierte Flugzeuge protestiert hat.




Der James-Simon-Park erinnert an einen Mann, dem die Berliner Museen hochkarätige
Kunstwerke verdanken und der sich mit bedeutenden Geldzuwendungen
für die Armen und sozial Schwachen eingesetzt hat. (Fotos: Caspar)

Ein bisher anonymes Stück am Ufer der Spree, dem Berliner Dom gegenüber, trägt seit wenigen Tagen den Namen der britischen Pazifistin Vera Mary Brittain (1893-1970). Die Schriftstellerin, Feministin und Vorkämpferin der englischen Friedensbewegung wurde unter anderem durch 1933 veröffentlichten Memoiren "Testament of Youth" bekannt, in denen sie über ihre Erfahrungen während des Ersten Weltkrieges und ihren Wandel zur Pazifistin berichtete. Die Fernsehfassung dieses Buches wurde 1979 von der BBC ausgestrahlt, im Deutschen Fernsehen folgte die Serie unter dem Titel "Testament einer Jugend."

Während des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte Vera Brittain in Großbritannien und den USA Schriften, in denen sie gegen die Bombardierung der Zivilbevölkerung in den deutschen Städten protestierte. Diese Bücher machte sie der britischen Regierung verdächtig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde bekannt, dass ihr Name in der "Sonderfahndungsliste G. B." auftauchte. Sie führte Personen auf, die nach einer deutschen Invasion in Großbritannien unverzüglich verhaftet werden sollten. Bei ihrer Forderung, die westalliierten Bombenangriffe auf das Deutsche Reich einzustellen, argumentierte Vera Brittain, dass sich die britische und amerikanische Luftwaffe mit den unterschiedlosen Flächenbombardements auf das gleiche Niveau stellt wie die gegnerische Seite.

Mit ihrer Haltung stand Vera Brittain ziemlich allein, denn es die gegen Coventry und andere britische Städte von der deutschen Luftwaffe praktizierte Methode der nächtlichen Flächenbombardements machte bei der Royal Air Force Schule und führte zu massiven Gegenschlägen. Premierminister Winston Churchill und sein Luftmarschall Arthur Harris ließen nun hamburgisieren und zahlreiche deutsche Großstädte in Schutt und Asche legen mit dem Ziel, die Kriegsmoral beim Gegner zu untergraben und die Deutschen zum Aufstand gegen Hitler und seinen Krieg zu bewegen. Die Angriffe wurden nicht eingestellt, als die Niederlage Nazideutschlands schon fest stand. Ihr militärischer Sinn wurde schon damals und verstärkt auch heute, nach einem Abstand von über 70 Jahren, bezweifelt. Die von den Flächenbombardements auf deutsche Städte von den Westalliierten erhoffte politischen und moralische Wirkung blieb aus. Im Gegenteil nutzte die Nazi-Propaganda sie, um den "totalen" Kriegseinsatz der Zivilbevölkerung weiter anzustacheln und den Hass auf die Anglo-Amerikaner, wie man damals sagte, weiter zu steigern. Zu sehr hatten Propaganda und die Gestapo die Deutschen im Griff, als dass Forderungen nach Beendigung des Krieges angesichts der ungeheuren Verluste unter der Zivilbevölkerung in nennenswertem Umfang erhoben wurden.

Nach 1945 kämpfte Vera Brittain gegen Kolonialismus, die Rassentrennung in Südafrika und für atomare Abrüstung. Seit 2014 gibt es in Hamburg-Mitte ein nach ihr benanntes Ufer. Der Text auf dem Straßenschild lautet: "Vera-Brittain-Ufer: nach Vera Mary Brittain (1893-1970), englische Schriftstellerin, Pazifistin und Feministin; hat während des Zweiten Weltkriegs in Großbritannien gegen die Flächenbombardements der deutschen Städte protestiert und insbesondere die Zerstörung Hamburgs angeprangert".

Das Vera-Brittain-Ufer befindet sich in guter Nachbarschaft mit dem James-Simon-Park und der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel. Bekannt sind die Grünfläche und das Eingangsgebäude der Staatlichen Museen nach dem jüdischen Industriellen, Kunstmäzen und Menschenfreund James Simon (1851-1932), dem wir unter anderem die im Neuen Museum ausgestellte Büste der Nofretete und viele andere hochkarätige Kunstwerke, aber auch die Stiftung von Kinderheimen und Volksbädern verdanken. Dem Berliner blieb es erspart, dass die Nationalsozialisten nach ihrer "Machtergreifung" seine Verdienste aus rassistischen Gründen aus dem allgemeinen Gedächtnis zu tilgen versuchten und auch alle Hinweise auf seine großzügigen Stiftungen beseitigten.

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