Berlin unterm Hakenkreuz
Märkisches Museum baut um und will die Geschichte des Nationalsozialismus besser dokumentieren



Das Märkische Museum am Köllnischen Park in Berlin-Mitte ist ein
bemerkenswertes Zeugnis für den in der Kaiserzeit gepflegten
historistischen Architektur- und Kunststil.



Nach der Beseitigung einer Zwischendecke kann man die Große Halle
im Märkischen Museum wieder als solche erleben.




Kostbarkeiten aus der 1763 gegründeten Königlichen Porzellanmanufaktur
gehören zu den besonderen Schaustücken im Märkischen Museum.




Im Hof des Märkischen Museums haben Skulpturen Asyl gefunden,
die aus dem Berliner Straßenbild verschwunden sind.
(Fotos: Caspar)

Paul Spies, der neue Direktor des Stadtmuseums Berlin, hat seine Pläne für die Neu- und Umgestaltung dieses Museums präzisiert. Das über hundert Jahre alte Märkische Museum am Köllnischen Park soll in den kommenden Jahren umfassend saniert werden. Das ist nötig, weil die Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg vielfach provisorisch und unzureichend waren und auch die Raumplanung des damaligen Architekten, Stadtbaurat Ludwig Hoffmann, nicht in der ursprünglichen Form berücksichtigen konnten. Bevor es an die Umgestaltung in dem historischen Gebäude geht, wird im Sockelgeschoss ein neuer Ausstellungsbereich eingerichtet.

Im Frühjahr 2017 will das Stadtmuseum einen Themenkomplex präsentieren, der bisher unzureichend dokumentiert war. Auf rund 700 Quadratmetern will das Stadtmuseum die Geschichte Berlins in der Zeit des Nationalsozialismus vielschichtig und vor allem aus der Alltagsperspektive dokumentieren. Dabei spielt das Jahr 1937 eine wichtige Rolle, als in einem Trommelfeuer von NS-Propaganda und einem Meer von Hakenkreuzfahnen die Siebenhundertjahrfeier der Reichshauptstadt begangen wurde. Vier Jahre nach der Errichtung der Nazidiktatur markiert dieses Jahr markierte den Übergang von Hitlers Herrschaftskonsolidierung zur Kriegsvorbereitung. Dieser vergleichsweise ereignisarme Zeitraum soll laut Paul Spies im Mittelpunkt einer analytischen Darstellung des Großstadtalltags unterm Hakenkreuz darstellen, in dem die Nürnberger Rassengesetze von 1935 ihre grausame Wirkung entfalteten und Juden massiv ausgegrenzt und verfolgt wurden. Massiv machte die Gestapo Jagd nach Oppositionellen, und die Justiz fällte ein Blut- und Terrorurteil nach dem anderen. Gezeigt werden soll aber auch, wie im Untergrund Widerstand geleistet wurde. Das so wichtige Thema NS-Zeit stand, wie Besucher des Märkischen Museums wissen, bisher im Schatten der viel breiteren Dokumentation der Rolle Berlins im Zeitalter der Industrialisierung.

Im ersten Obergeschoss des Hoffmann-Baues wird der Bereich "Bildung und Vermittlung" mehr Raum zum Experimentieren und Reflektieren für Besuchergruppen und Familien geben. Die Dauerausstellung "Die ersten Berliner", in der zahlreiche archäologische Fundstücke aus der Ur- und Frühgeschichte Berlins und Umgebung gezeigt werden, und die Familienausstellung "Frag deine Stadt!" sind nur noch bis zum 3. Oktober zu sehen. Inwiefern Objekte aus diesen beiden Abschnitten an anderen Orten präsentiert werden, wird sich noch zeigen. Die beliebten Stadtmodelle werden ab 25. November 2016 in der Sonderausstellung "Schloss.Stadt.Berlin" im Ephraim-Palais präsentiert, das wie die benachbarte Nikolaikirche zum Stadtmuseum gehört.

Das zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehörende Gebäude mit eindrucksvollem Turm und der Nachbildung des Brandenburger Rolands neben dem Eingang wurde von 1901 bis 1907 aufgrund eines bereits 1892 ausgeschriebenen Wettbewerbs errichtet. In seinen architektonischen Formen lehnte sich Ludwig Hofmann an berühmte Bauwerke der Mark Brandenburg und Norddeutschlands aus der Gotik und Renaissance an. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und danach so gut aufgebaut und repariert, wie man es damals konnte, wurde das Märkische Museum in den vergangenen Jahren nach allen Regeln der Denkmalpflege weitgehend in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt.

Herzstück des Museums ist die Große Halle, die sich nach Abbau einer Zwischendecke aus DDR-Zeiten wieder in ihrer von Hoffmann angestrebten Monumentalität darbietet. Mit der Präsentation mittelalterlicher und zeitgenössischer Kunst wird in dem Kathedralenraum der Bogen von der ältesten zur neuesten Geschichte geschlagen. Gotische Heiligenfiguren und kostbare Altäre, die von kunstbeflissenen und geschichtsbewussten Berlinern bereits im 19. Jahrhundert dem 1874 als Provinzialmuseum gegründeten Märkischen Museum übereignet wurden, werden in Sälen gezeigt, die märkischen Kirchengewölben nachempfunden sind. Gemälde, Skulpturen, Kunsthandwerk und andere museale Gegenstände jüngeren Datums bieten ebenfalls mit den wiederhergestellten Räumen eine auf künstlerische Wirkung zielende Einheit. Dokumentiert wird im Märkischen Museum nicht nur die Entwicklung Berlins von der verschlafenen Fürstenresidenz zu der aus den Nähten platzenden Weltstadt des 20. Jahrhunderts, sondern auch Etappen der heimatlichen Kunst- und Wirtschaftsgeschichte. Indem ab 2017 auch die "braune" Seite der Berlin-Geschichte stärker als bisher betont wird, schließt das Stadtmuseum eine von vielen Besuchern schmerzlich empfundene Lücke. Das Märkische Museum ist während der gesamten Umbauphase zum ermäßigten Preis von 4,00 Euro immer dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

12. August 2016

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