Eichenkranz, Staatswappen und Pietà
Neue Wache Unter den Linden hat manche Wandelungen durchgemacht und wird als Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft genutzt



Die 1816 bis 1818 nach Plänen von Schinkel erbaute Neue Wache Unter den Linden
in Berlin erinnert seit 1993 an die Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft




Bei der Umgestaltung Neuen Wache wurde der von Tessenow aufgestellte
Gedenkstein entfernt, und der darauf liegende Kranz aus silbernen
Eichenblättern gelangte in das Museum für Deutsche Geschichte, aus
dem nach der Wiedervereinigung das Deutsche Historische Museum wurde.



Nicht gleich zu erkennen ist, dass das Relief der Neuen Wache aus Zinkguss
besteht, die helle Farbe ahmt Sandstein nach.




Für die um ihren toten Sohn trauernde Mutter diente eine bronzene Pietà
von Käthe Kollwitz als Vorlage, was nicht jedermann gefiel.




Der aus DDR-Zeiten stammende Glaskubus, aus dem in der Neuen Wache die
Ewige Flamme loderte, fand auf der Spandauer Zitadelle Asyl. (Fotos: Caspar)

In den Jahren 1930 und 1931 wurde das klassizistische Wachgebäude Unter den Linden in Berlin von Heinrich Tessenow in ein Reichsehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umgewandelt. Hier veranstalteten die Nazis mit Hitler an der Spitze nach 1933 schaurige Heldengedenkfeiern. Die nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel zwischen 1816 und 1818 errichtete Säulenhalle überstand den Zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Um 1950 gab es Forderungen der kommunistischen Jugendorganisation FDJ, den historisch belasteten Bau, wie man sagte, abzureißen und damit ein Stück unliebsamer Geschichte zu entsorgen. Daraus wurde nichts, statt dessen gab es schon in den frühen fünfziger Jahren den Plan, die klassizistische Halle als Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus und Militarismus wiederherzustellen. Das zwischen Zeughaus und Universität gelegene Gebäude wurde zum Schauplatz von Kranzniederlegungen der SED- und Staatsführung und immer mittwochs von zackigen Wachablösungen der Nationalen Volksarmee. Im Innenraum loderte die Ewige Flamme, und es wurden symbolische Gräber des Unbekannten Soldaten und des Unbekannten Widerstandskämpfers angelegt. Zwischen Zeughaus und Universität gelegen, wurde der Säulenbau zum Schauplatz von Kranzniederlegungen der DDR-Staatsführung und zackigen Wachablösungen der Nationalen Volksarmee. Im Innenraum loderte seit 1969 aus einem gläsernen Würfel die Ewige Flamme. Davor wurden symbolische Gräber des Unbekannten Soldaten und des Unbekannten Widerstandskämpfers angelegt. Nach dem Untergang der DDR sind diese Einbauten einschließlich eines riesigen, in Stein eingelegten Staatswappens an der Schauwand gegenüber dem Eingang entfernt worden. Der Glaskubus von der Ewigen Flamme kann in der Ausstellung "Enthüllt" in der Spandauer Zitadelle mit weiteren Zeugnissen politischer Denkmals- und Erinnerungskultur betrachtet werden (siehe dazu Beitrag auf dieser Internetseite).

Trauer um die gefallenen Helden

Mit den 1822 beiderseits der Wache aufgestellten und vor einigen Jahren auf der gegenüberliegenden Seite am Prinzessinnengarten aufgestellten Marmordenkmäler der Generale Bülow und Scharnhorst bildete der tempelartige Bau schon im frühen 19. Jahrhundert eine Erinnerungsstätte für die Gefallenen der Befreiungskriege 1813 bis 1815. Schinkel hatte sich bei der Gestaltung der zum Schutz des Schlosses bestimmten Soldatenunterkunft an antiken Bauten orientiert. Der 2009 restaurierte Giebelschmuck aus Zinkgussfiguren mit einem sandsteinartigen Anstrich symbolisiert Heldentum und Untergang im Krieg. "Eine Victoria entscheidet in der Mitte für den rechts kämpfenden Helden; links ist dargestellt: letzte Anstrengung, Aufmunterung zum Kampf, Flucht, Raub und Schmerz der Familie, die ihre Schicksal erwartet; rechts sieht man Überwältigung und Trauer um einen gefallenen Helden", beschrieb der Architekt das Relief. Vervollständigt wurde das Ensemble durch die von Schinkel entworfene Schlossbrücke, deren antikisierender Figurenschmuck ebenfalls die Kämpfer von 1813 bis 1815 ehrt.

Die vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Innenraums der Neuen Wache veranlasste Aufstellung einer vergrößerten Nachbildung der Pietà von Käthe Kollwitz an Stelle des Tessenow'schen Gedenksteins löste heftige Diskussionen über Sinn und Zweck solcher Gedenkstätte aus, provozierte aber auch die Frage, in wieweit ein Regierungschef per Machtwort Einfluss auf ihre künstlerische Gestaltung nehmen darf. Kohl setzte sich mit seiner Idee durch, die von dem Bildhauer Harald Haacke geschaffene und auf das Vierfache vergrößerte Figur einer Mutter, die ihren toten Sohn auf dem Schoß hält und um ihn trauert, aufzustellen.

Die Neue Wache zwischen Zeughaus und Universität gehört zu den am meisten besuchten Ge-denkstätten der deutschen Hauptstadt. Eine links vom Eingang angebrachte Bronzetafel berichtet aus der Geschichte des Hauses. Die rechts eingefügte Inschrift beginnt mit den Worten "Die Neue Wache ist der Ort der Erinnerung und des Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft". In einer Aufzählung werden die Völker, die durch Krieg gelitten haben, und ihre Bürger genannt, die verfolgt wurden und ihr Leben verloren haben. Dazu kommen die Gefallenen der beiden Weltkriege sowie die Unschuldigen, die durch Krieg und seine Folgen in der Heimat in Gefangenschaft und bei der Vertreibung gestorbenen Menschen. Ohne dass Ursachen und Täter genannt werden, setzt der Text fort: "Wir gedenken der Millionen Ermordeter Juden. Wir gedenken der ermordeten Sinti und Roma. Wir gedenken aller, die umgebracht wurden wegen ihrer Abstammung, ihrer Homosexualität oder wegen Krankheit und Schwäche. Wir gedenken aller Ermordeten, deren Recht auf Leben geleugnet wurde." Ziemlich vage ist auch diese Widmung: "Wir gedenken der Menschen, die sterben mussten um ihrer religiösen oder politischen Überzeugung willen. Wir gedenken aller, die Oper der Gewaltherrschaft wurden und unschuldig den Tod fanden." Ohne einen Bezug auf die Hitlerdiktatur werden ferner jene Frauen Männer in das Gedenken einbezogen, "die im Widerstand gegen die Gewaltherrschaft ihr Leben opferten. Wir ehren alle, die eher den Tod hinnahmen als ihr Gewissen zu leugnen." Ganz zum Schluss enthält der Text den Hinweis auf Verfolgung und Unterdrückung im deutschen Osten: "Wir gedenken der Frauen und Männer, die verfolgt und ermordet wurden, weil sie sich totalitärer Diktatur nach 1945 widersetzt haben". Ob die Staatsgäste und Regierungsdelegationen, die an bestimmten Feiertagen Kränze und Blumen vor der Pietà niederlegen, die Widmungen lesen und beherzigen, ist nicht bekannt.

(13. Mai 2016)

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