Henker mit Frack und Zylinder
Scharfrichter Julius Krautz machte sich bei den preußischen Behörden durch unbeherrschtes, gewalttätiges Verhalten unbeliebt / Blutorgien der Nazis in Plötzensee



Oft ging Folter den Exekutionen voran, und wenn man die Delinquenten
zum Richtplatz brachte, wurden sie öffentlich verhöhnt sowie mit
glühenden Zangen gequält. Der Holzschnitt aus dem
16. Jahrhundert zeigt, wie man Verbrecher gerädert hat.




Wenn in der Kaiserzeit der Henker seines Amtes gewaltet hat,
kam der Tote als "Eilgut" in die Anatomie, wie es die
Karikatur aus der Zeit um 1900 schildert. (Repros: Caspar)

Im Mittelalter und lange danach wurden Verbrecher und solche, die man dafür hielt, auf barbarische Weise vom Leben zum Tod befördert. Henker und ihre Knechte, die die Hinrichtungen durch Feuer und Schwert, Strick und Rad, in heißem Öl, durch Ertränken oder auf andere Weise durchführten, besaßen geringes Ansehen. Kaum jemand ließ sich mit ihnen sowie mit Abdeckern oder Prostituierten blicken. Man ging Henkern nach Möglichkeit aus dem Weg, und wenn Seuchen wüteten, wurde den verängstigten Leuten geraten, Leichenwäscher und Totengräber, Henker und so genannte Hexen zu meiden. Ihnen gleich gestellt waren auch Münzfälscher, die auf barbarische Weise hingerichtet wurden.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Exekutionspraktiken verändert. Die Hinrichtung durch Erschießung oder mit dem Schwert galt als "ehrenvoller" als der Tod am Galgen oder auf dem Scheiterhaufen. Im 19. Jahrhundert wurden Hinrichtungen oft mit dem Handbeil im Beisein von Justizbeamten und eines Geistlichen, aber nicht mehr unter dem Johlen von zahlreichen Schaulustigen vollzogen, sondern in geschlossenen Räumen oder im Hof von Zuchthäusern. Das Henkerhandwerk genoss geringes Ansehen, wurde aber gut bezahlt. In der Kaiserzeit bekam der Scharfrichter Julius Krautz pro Hinrichtung 300 bis 500 Goldmark, musste von diesem Lohn aber seine Gehilfen bezahlen sowie Reisekosten und Auslagen für Verpflegung und Bekleidung bestreiten.

Am 14. August 1878 zum Scharfrichter für Berlin und die preußische Monarchie berufen, musste Krautz schon bald darauf im Zuchthaus Moabit bei der Hinrichtung des Kaiser-Attentäters Max Hödel seines Amtes walten. Der hatte am 11. Mai 1878 mit einer Pistole auf Kaiser Wilhelm I. geschossen, als dieser Unter den Linden in Berlin in einer offenen Kutsche fahrend die Huldigungen seiner Untertanen empfing. Hödel verfehlte den Monarchen, sein Anschlag fand breites öffentliches Echo und wurde als Tat eines Wahnsinnigen und politischen Fanatikers verurteilt. In der damaligen Presse wurden Hödels Hinrichtung so geschildert: "Die Scharfrichtergehülfen schnallten darauf den Verbrecher an Armen und Füßen fest und legten den Kopf in den Einschnitt des Blockes mit dem Gesicht nach unten, indem sie den Hinterkopf mit einem handbreiten Gurt festschnallten, so daß der Hals frei lag und der Delinquent den Kopf nicht bewegen konnte. Jetzt öffnete der Scharfrichter ein sauberes Futteral, mit der Jahreszahl 1878 in Golddruck darauf, nahm das Richtbeil und trennte mit einem Schlage den Kopf vom Rumpf."

Bis 1885 hat Krautz auf diese Weise 52 Männer und eine Frau vom Leben zum Tod befördert. Unter ihnen waren zwei Männer, die einen Sprengstoffanschlag anlässlich der mit fürstlichen Personen besetzten Weihe des Niederwalddenkmals bei Rüdesheim im Jahr 1883 geplant hatten. Andere Delinquenten starben auf dem Richtblock, weil sie gemordet beziehungsweise Hoch- und Landesverrat begangen oder Angehörige des Herrscherhauses angegriffen hatten. Das Attentat auf den Kaiser war der offizielle Auslöser für das schon seit längerem von Reichskanzler Otto von Bismarck geplante und bis 1890 geltende Sozialistengesetz "gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie". Es verbot sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Aktivitäten im Deutschen Reich und machte Sozialdemokraten und anderen so genannten vaterlandslosen Gesellen das Leben überaus schwer und zwang viele von ihnen ins Exil.

Seine Arbeit führte Krautz stets in "feierlich-ernster" Kleidung mit Frack und Weste, weißen Handschuhen und dem Zylinder auf dem Kopf aus. Da der Henker Alkoholiker war und auch schnell mit den Fäusten um sich schlug, wenn ihm jemand in die Quere kam, machte er sich bei den preußischen Behörden unbeliebt. Nachdem er eine Wirtshausschlägerei angezettelt hatte, bei der einer seiner Gehilfen starb, musste er sich vor Gericht wegen Todschlags verantworten, wurde aber frei gesprochen. Das Verfahren erregte großes Aufsehen, und so kam die Justiz nicht umhin, sich von ihm zu trennen. Der ehemalige Henker verdiente sein Geld als Rossschlächter und Gastwirt. In der Sammlung des Märkischen Museums blieben ein Richtblock und ein Handbeil aus seinem Besitz erhalten.

In der Gedenkstätte Plötzensee werden die Blutorgien des NS-Regimes zwischen 1933 und 1945 dokumentiert. Im ehemaligen Hinrichtungsgebäude ist der in die Decke eingelassene Eisenträger mit den Haken zu sehen, an denen die zum Tode Verurteilten aufgeknüpft wurden. Im Raum nebenan verrichtete der Henker mit dem Fallbeil seine grausige Arbeit. Rund 2500 Menschen wurden so im Zuchthaus Plötzensee von den Nationalsozialisten ermordet, die meisten, weil sie dem Widerstand angehörten oder wegen der Anschuldigung des Hochverrats, Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung. Unter den Ermordeten befanden sich Intellektuelle und Geistliche, Arbeiter, Studenten und Professoren, Angehörige von Widerstandsgruppen wie der Roten Kapelle und des Kreisauer Kreises sowie Kriegsgefangene.

Hitler ließ den im Kammergerichtsgebäude am Kleistpark vom Gerichtspräsidenten Roland Freisler auf ganz üble geführten und jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechenden Prozess gegen führende Köpfe und Mitwisser des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944 sowie ihre Hinrichtung filmen und delektierte sich an den Szenen. Minutiös vermerken die Hinrichtungsprotokolle, die in der Ausstellung gezeigt und auch in Büchern über Freisler und den Volksgerichtshof zitiert werden, wie sich die Delinquenten vor ihrer Hinrichtung verhielten und dass diese nur wenige Sekunden dauerte. Oft ging Folter den Exekutionen voran, und wenn man die Delinquenten zum Richtplatz brachte, wurden sie öffentlich verhöhnt sowie mit glühenden Zangen gequält. Der Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert zeigt, wie man Verbrecher gerädert hat. Wenn in der Kaiserzeit der Henker seines Amtes gewaltet hat, kam der Hingerichtete als "Eilgut" in die Anatomie, wie es die Karikatur aus der Zeit um 1900 schildert. (Repros: Caspar)



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