Kommt die Denkmalskirche zurück?

Berliner Dombau-Verein setzt sich für den Wiederaufbau des 1975 aus politischen Gründen beseitigten Gebäudes ein



Der Berliner Dom wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in reduzierter Form wieder aufgebaut, der ehemals entfaltete wilhelminische Prunk kann im Inneren bewundert werden.



Das Modell zeigt in der rechten unteren Ecke die 1975 beseitigte Denkmalskirche.



Der 1688 verstorbene Große Kurfürst Friedrich Wilhelm und seine zweite Gemahlin Dorothea (dieses Foto) liegen in der Hohenzollerngruft in kostbar dekorierten Särgen.



Die vom Hofbildhauer Andreas Schlüter geschaffenen barocken Prunksärge mit Bildnissen des ersten preußischen Königspaares Friedrich I. (Foto) und Sophie Charlotte sind über und über mit Kronen und Adlern geschmückt. Allegorische Figuren sagen uns, dass auch Fürsten nur Sterbliche sind.





Sollte die Denkmalskirche je wieder errichtet werden, ziehen das von Peter Vischer um 1530 geschaffene Grabmonument des Kurfürsten Johann Cicero und der Marmorsarkophag des Kaisers Friedrich III., ein Werk von Reinhold Begas, aus dem Gottesdienstraum des Doms zurück an ihre Stammplätze. (Fotos: Caspar)

Der am 27. Januar 1905 mit großem zeremoniellem Aufwand von Kaiser Wilhelm II. eröffnete Dom am Berliner Lustgarten hat im Zweiten Weltkrieg unter Luftangriffen schwer gelitten, blieb aber im Wesentlichen stehen und konnte später in reduzierter Form wieder aufgebaut werden. Im Dezember 1940 wurden die wertvollen Altarfenster fast vollständig zerstört, und im Mai 1944 steckte eine Flüssigkeitsbombe die Kuppel in Brand und vernichtete sie. Die schwere Eisenkonstruktion fiel in sich zusammen und durchschlug den Fußboden der Predigtkirche. In der darunter liegenden Hohenzollerngruft brach ein Feuer aus, wodurch einige Särge mit den sterblichen Überresten der 1918 entmachteten preußischen Herrscherfamilie beschädigt und vernichtet wurden. Nach Kriegsende begannen die ersten Aufräum- und Sicherungsarbeiten. Mit der Schließung der 16 Meter großen Kuppelöffnung im Jahr 1953 war das Gotteshaus wenigstens wetterfest. Gutachten ergaben, dass das Gebäude statisch sicher ist. Das war eine gute Voraussetzung für den Wiederaufbau, der erst in den vergangenen Jahren abgeschlossen wurde.

Während 1950 die Ruine des benachbarten Stadtschlosses auf Befehl des SED-Chefs Walter Ulbricht beseitigt wurde, um nach Moskauer Vorbild Platz für Aufmärsche und Demonstrationen zu gewinnen, hat die sich Staats- und Parteiführung gescheut, das gleiche mit dem aus der Kaiserzeit stammenden Dom zu tun. Obwohl man ihn damals für einen Ausbund an Hässlichkeit und wilhelminischen Bombast hielt, wurde das zur Erbauungszeit "Reichsrenommierkirche und Seelengasometer" verspottete Gotteshaus geschont. Dies geschah in einer Zeit, als ebenfalls kriegsbeschädigte Berliner Kirchen, Palais und Bürgerhäuser abgerissen und durch Neubauten ganz anderer Art ersetzt wurden.

Die DDR-Regierung war ungeachtet ihrer kirchenfeindlichen Politik um gute Beziehungen zur Evangelischen Kirche und noch mehr um ihr internationales Renommee bemüht. Sie legte deshalb Planungen zum Wiederaufbau des Doms keine Steine in den Weg, zumal dafür reichlich West-Millionen flossen. Hinter den Kulissen gab es heftiges Ringen um die Details, etwa um die Frage, inwieweit die zerstörte Kuppel mit ihrer neobarocken Laterne wiederhergestellt wird und was mit den zerstörten Ecktürmen und dem üppigen neobarocken Dekor wird. Schließlich wurde die Frage erörtert, was mit der so genannten Denkmalskirche geschehen soll, in der herausragende Zeugnisse preußischer Grabmalskunst standen und die den Dom in Richtung Museumsinsel abschließt.

Da sich maßgebliche Kunsthistoriker und Denkmalpfleger in und außerhalb der DDR für die weitgehende Wiedergewinnung des historischen Erscheinungsbildes des Doms einsetzten, wurden Pläne zu seiner radikalen Umgestaltung fallen gelassen. Nicht mehr verfolgt wurden die Überdachung des Doms mit einer flachen Kuppel, die Einziehung von Zwischendecken im Gottesdienstraum, die Einrichtung eines Konzersaals und die Beseitigung der Kaiserkronen und der kupfernen Engel im Bereich der Kuppel. Dass die Kuppel etwas niedriger als das Original ist und von einer veränderten Laterne mit einem Kreuz daraus gekrönt wird, fällt heute nur auf, wenn man den wieder aufgebauten Dom mit Mit Ausnahme der modern gestalteten Kuppel wurde in den 1980-er Jahren der Dom weitgehend denkmalgerecht rekonstruiert. Sogar die umstrittenen Kronen und Engel kamen zurück, ebenso wurden im Krieg zerstörte Skulpturen nach alten Vorlagen wiederhergestellt und alles getan, um eines Tages auch die reiche Innenausstattung mit den kostbaren Mosaiken, Wandgemälde und Skulpturen, den Altar und die Kanzel sowie die Orgel und die Kirchenbänke wie zu Kaisers Zeiten wiederherzustellen. Das ist am Ende hervorragend gelungen, wie Besucher des Berliner Doms bestätigen können. Die politische Wende von 1989/90 und die Wiedervereinigung gaben dem Dombauprogramm neue Impulse, und so konnte man in den neunziger Jahren daran gehen, das prächtige Innenleben des Doms nach allen Regeln der Restauratorenkunst wiederherzustellen. Nach und nach kamen die bunten Kuppelmosaiken an ihre alten Plätze, und auch das prächtig gestaltete Kaiserliche Treppenhaus bekam seinen alten Glanz zurück. Nachdem die Fürstengruft unter der Predigtkirche wieder hergerichtet ist, können dort die Särge der Hohenzollern eingehend betrachtet werden. Aktuell wird die Gruft neu beleuchtet und besser belüftet. Nach und nach werden die zum Teil noch aus dem 17. Jahrhundert stammenden Särge restauriert.

Einen Wermutstropfen allerdings gab es 1975, als beschädigte Denkmalkirche der Spitzhacke zum Opfer fiel. Angeblich sei ihr Wiederaufbau zu teuer, das Geld und Material würde man anderweitig dringender gebrauchen, hieß es zur Begründung. Wo dieser Anbau stand, ist heute nicht mehr auszumachen, seine Konturen sind auf der nördlichen Seite an einer Wand angedeutet. Der Berliner Dombau-Verein e. V. hat im Dezember 2016 eine illustrierte Broschüre zum Wiederaufbau der Denkmalskirche veröffentlicht. Sie war die kostbare Hülle für die von Arnold Nehring und Andreas Schlüter geschaffenen Prunksarkophage des Kurfürstenpaares Friedrich Wilhelm (gest. 1688) und Dorothea (gest. 1689) sowie des Königspaares Friedrich I. (gest. 1713) und Sophie Charlotte (gest. 1705) und weitere Särge dieser Qualität. Sie weitere Arbeiten dieser Art. Die Särge standen ursprünglich in der Denkmalskirche und können heute in der Hohenzollerngruft beziehungsweise hinter hohen Gittern in einer Seitenkapelle des Gottesdienstraums betrachtet werden.

Dr. Horst Winkelmann, der Vorsitzende des Vereins, nennt diese Meisterwerke der Bildhauer- und Gießerkunst das künstlerisch Wertvollste im Berliner Dom. Den politisch motivierten Abriss der größtenteils unzerstörten Denkmalskirche im Jahr 1975 sei ein denkmalpflegerischer Skandal gewesen. Damit sei dieser wichtige Teil des Berliner Doms aus dem Gedächtnis vieler Menschen verschwundne. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 forderte der Berliner Dombau-Verein den Wiederaufbau der Denkmalskirche. Ohne sie bliebe der Dom ein Torso. Ihr Wiederaufbau würde den festlichen Rahmen für die erwähnten Sarkophage bilden und böte auch einen würdigen Zugang zur Hohenzollerngruft. Bisher gelangt man zu ihr über ein wenig repräsentative Stiege vom Kaiserlichen Treppenhaus aus. Die neue Publikation möchte Winkelmann zufolge die Erinnerung an einen bedeutenden Teil des Berliner Doms wachrufen und zur Diskussion über dessen Wiederaufbau beitragen.

Bis zum Zweiten Weltkrieg durfte die Denkmalskirche und die Gruft nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Hauses Hohenzollern besichtigt werden, davor jedoch ist man mit den wertvollen Sarkophagen nicht immer sorgfältig umgegangen. Wie ein Blick in Akten und Publikationen zeigt, wurde Friedrich II., der Große, auf der Suche nach Geldquellen für seine Schlesischen Kriege nur deshalb von dem Einschmelzen der Metallsärge seiner Ahnen abgehalten worden, weil man ihm nachweisen konnte, dass der geringe Anteil von Edelmetall den Aufwand nicht lohnt und der politisch-künstlerische Schaden ungleich höher wäre.

Dass sich die Hohenzollerngruft heute wieder in einem vorzeigbaren Zustand befindet, ist dem unermüdlichen Einsatz der Domverwaltung sowie von Historikern und Restauratoren zu verdanken. Denn wie der Dom, wurden auch die Sarkophage ein Opfer der Bombenangriffe und befanden sich nach 1945 in einem jammervollen Zustand. Das ist Vergangenheit, und so kann man heute Beispiele dafür, in welche kostbaren Gehäuse sich die Hohenzollern betten ließen, in der goldstrotzenden Predigtkirche, aber auch in der Gruft darunter betrachten. Da Friedrich Wilhelm zweimal verheiratet war, sind die Sarkophage der Kurfürstinnen Luise Henriette (gestorben 1667) und Sophie Dorothea (gestorben 1689) zu seinen Seiten aufgestellt. Hinzu kommen Särge verschiedener zur Hohenzollernfamilie gehörender Markgrafen von Schwedt und von deren Familienangehörigen. Ein paar Schritte weiter geht es schlichter zu, dort stehen Zinnsärge aus der Zeit vor und nach 1600, in die man Inschriften und Wappenschilder graviert hat, um zu wissen, wer wo gebettet ist.

5. Januar 2017

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