"In Rixdorf ist Musike"
Kleiner Streifzug durch das alte Neukölln in den U-Bahnhöfen Boddinstraße und Leinestraße



Auf der Schillerpromenade geht auf dem Foto aus der Zeit um 1905 im Bahnhof Boddinstraße der Blick hinüber zur Genezarethkirche.



Auf Autos in der Schillerpromenade/Ecke Herrfurthstraße müssen die Kinder, die dem Fotografen bei der Arbeit zuschauen, noch nicht achten.



Wie es um 1930 im blank geputzten Sudhaus der Kindl-Brauerei an der Hermannstraße /Ecke Rollbergstraße aussah, zeigt dieses Wandbild.



Wenn Flugzeuge mit großem Getöse fortfliegen, tut man gut, sich nicht hinter den laufenden Motor zu stellen. Beim Anblick dieses Fotos können einem schon mal die Ohren dröhnen.



Moderne Neubauten aus der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg kann man auf dem Bahnhof Leinestraße betrachten. (Fotos: Caspar)

Wer auf die S- oder U-Bahn wartet, und das ist wegen der Zugverspätungen und Zugausfälle leider öfter nötig als einem lieb ist, kann an den Bahnhofswänden Bilder aus dem alten Berlin betrachten. Auf dieser Internetseite habe ich einige zur Wandverkleidung verwendete Reproduktionen von Vorlagen aus dem Landesarchiv oder Berliner Museumsbesitz vorgestellt. Auf der U-Bahnstation Hausvogteiplatz führen farbige Ansichten in die Zeit Friedrichs des Großen, am Rosa-Luxemburg-Platz lernt man schwarz-weiße Ansichten aus den so genannten Goldenen Zwanziger Jahren und aus der Nachkriegszeit kennen. Wer sich für historische Eisen- und Straßenbahnen sowie Omnibusse interessiert, ist in der Station Klosterstraße an der richtigen Adresse. Ein paar Fahrminuten weiter kann man an den Wänden der Station Märkisches Museum sehen, wie sich Berlin aus einem bescheidenen Fischer- und Handwerkerdorf in eine veritable Großstadt entwickelt hat. Mauerbau und Mauerfall werden, verbunden mit Fotos und Aussprüchen von Politikern, in der Station Brandenburger Tor thematisiert. Berliner Erfinder und Erfindungen kann man am Bahnhof Weberwiese kennenlernen. Manche Bilder weisen auf Sehenswürdigkeiten in der Nähe hin, und so ist es nur natürlich, dass der Bahnhof Naturkundemuseum mit Saurierskeletten und Ansichten auf diese Sammlung neugierig macht. Der Bahnhof Zitadelle weist den Weg zu Sehenswürdigkeiten in Spandau, und die Station Heidelberger Platz lädt nach Heidelberg und die Pfalz ein. So könnte man eine U-Bahnhaltestelle nach der anderen durchgehen und fände immer neue, überraschende Motive.

Die U-Bahnhöfe Boddinstraße und Leinestraße der Linie U 8 zwischen Hermannstraße und Wittenau sind mit Straßenszenen und historischen Plätze aus der Kaiserzeit und danach geschmückt. Der Name der Boddinstraße führt ins alte Rixdorf, das 1912 in Neukölln umbenannt wurde und durch den Gassenhauer "In Rixdorf ist Musike" bis heute bekannt ist. Namensgeber Karl Wilhelm Hermann Boddin war ein Kommunalpolitiker, der sich um das damalige Rixdorf am Rand der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt verdient gemacht. An den Wänden des Bahnhofs Boddinstraße sind Ansichten von der Boddinstraße, dem Boddinplatz und weiteren Örtlichkeiten angebracht. Die Fotografen von damals haben es verstanden, Straßenszenen fast ohne Menschen aufzunehmen. Wie sie das geschafft haben, kann heute keiner mehr sagen. Man hat den Eindruck, die Stadt ist wie leer gefegt.

Rixdorf präsentiert sich auf diesen Bildern als gutbürgerliche Gegend. Man schaut auf repräsentative Wohnhäuser aus der Gründerzeit mit Läden und Kneipen in den Erdgeschossen. Manche Fenster werden durch Markisen vor praller Sonne geschützt, und es gibt auch gepflegte Vorgärten. Mitunter sieht man eine Pferdekutsche fahren, doch sucht man Autos vergeblich. Überall stehen Gaslaternen, die in der Dunkelheit wohliges Licht verströmten. Die in langen Reihen wachsenden Bäume sind noch dünn und jung. Ob sie heute, hundert Jahre und zwei Weltkriege später, noch stehen, wäre noch zu untersuchen.

Die Leinestraße ist nach einem Nebenfluss der Aller im heutigen Bundesland Niedersachsen benannt. Auch auf den in diesem Bahnhof angebrachten Wandbildern bietet sich Rixdorf beziehungsweise das alte Neukölln behäbig und gutbürgerlich dar, wie es heute ja nicht mehr ist. Viele Häuser von damals stehen nicht mehr oder wurden stark verändert. Im Zweiten Weltkrieg hat Berlin unzählige Wohn- und Geschäftshäuser sowie öffentliche Bauten durch Bombenangriffe verloren. Dar Krieg war zu seinem Ausgangspunkt zurück gekehrt. Es herrschte nach 1945 große Wohnungsnot, und da war an sorgsame Rekonstruktion und Restaurierung der Bauten aus der Gründerzeit kaum zu denken. Es soll im damaligen Westberlin vom Senat sogar Prämien gegeben haben, wenn Hausbesitzer den als überholt und unmodern, ja kitschig empfundenen Dekor von den Wänden abschlagen ließen. Aber das ist schon lange her, heute werden die Verzierungen da und dort mit großem Kostenaufwand wieder angebracht. Vorlagen kann man in den Archiven finden, und auch die Wandbilder in den U-Bahnhöfen leisten bei Orientierung gute Dienste.

7. Februar 2017

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