Konzessionierte Lusthäuser
Im alten Berlin konnten Ordnungshüter der Prostitution nur ungenügend Einhalt gebieten



Misstrauisch schaut der Polizist auf der Zille-Zeichnung dem Pärchen hinterher, es könnte ja unverheiratet sein.



Die Zeichnung von Heinrich Zille aus dem Jahr 1901 trägt die originale Bildunterschrift: "Gute Nacht, Direktorchen! Nicht vergessen, die Rolle, das Edelfräulein, spiele ich!"



Eindeutig sind die Ansichten des um die Frau herumschleichenden Mannes vor dem Hotel. George Grosz nannte seine Zeichnung "Einkreisung". (Repros: Caspar)

Moral wurde in Brandenburg und Preußen zwar groß geschrieben, doch war viel Heuchelei dabei. Berliner Chroniken erzählen von Ausschweifung und Hurerei, gegen die Verordnungen und Gesetze wenig auszurichten vermochten. Die ständige Wiederholung von Strafandrohungen wie das Stehen am Pranger, Auspeitschen, Kerkerhaft, Landesverweis sowie in schweren Fällen die Todesstrafe bedeutete nichts anderes, als dass sich die Leute um sie nicht scherten und ihr "Ding" machten. "Es ist Euch schon vorhin sattsam bekannt, wie verschiedene und nachdrückliche Verordnungen wegen Austreibung alles leichtfertigen Hurengesindels in Unseren Residenz- und denen Vorstädten an Euch nach und nach ergangen", heißt es in einer kurfürstlichen, also noch vor der Erhebung Kurbrandenburgs zum Königreich Preußen anno 1701 erlassenen Verordnung. Der Landesherr habe mit höchstem Missvergnügen vernommen, "dass solche liederliche Weibespersonen sich mehr und mehr häufen und sich in den Schenken, Kellern, Winkeln, auch des Abends und bei nächtlicher Weile auf den Gassen finden lassen, als auch mit allerhand Leichtfertigkeit und Bosheit treiben und ausüben sollen, als haben Wir alle hiebevor desfalls an Euch ergangenen Verordnungen hiermit wiederholen und Euch nochmals bei Vermeidung Unserer Ungnade hiermit anbefehlen wollen, den vorigen Verordnungen genau und mit Ernst nachzukommen". Das Edikt und ähnliche Erlasse schiebt allein "liederlichen Frauen" die Schuld an dem Übel zu, vermeidet aber, jene Männer benennen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen. Nachdem die Schließung von Bodellen nichts brachte, hat man sie im Laufe des 18. Jahrhunderts wieder eröffnet und unter strenge polizeiliche Aufsicht gestellt. Neben diesen "Lusthäusern" gab es den Straßenstrich, der Männer jeden Standes und Geldbeutels bediente. Nicht anders ist es heute.

Königliches Huren-Reglement

Dass es mit den guten Sitten der Berliner auch unter Friedrich dem Großen nicht sehr weit her war, schildern zeitgenössische Berichte. Gab es unterm moralstrengen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. in Berlin nur drei Bordelle, darunter eines an der Jungfernbrücke, so zählte man 1786, im Todesjahr des Großen Königs, etwa einhundert. In den "Briefen eines reisenden Franzosen über Deutschland" berichtet ein gewisser Riesbeck von konzessionierten Freudenhäusern. "Unter anderen Monopolien sind hier auch öffentlich privilegierte Bordelle, die kraft ihrer Privilegien das Recht haben, das Publikum ausschließlich mit dem Bedürfnis zu versehen, welches nach dem Essen und Trinken gemeiniglich das erste ist. [...] Die Mädchen behalten ohne Zweifel noch einiges Selbstgefühl, weil sie sich von der Polizei geschützt und sich vom größten Teil des Publikums, wo nicht geehrt, doch nicht so verachtet sehen, als sie es in anderen Orten sind."

Wenn man zeitgenössischen Berichten glaubt, muss Berlin im ausgehenden 18. Jahrhundert ein einziges Bordell gewesen sein, und am zügellosesten ging es in vornehmen Kreisen zu. Neben konzessionierten Hurenhäusern, in denen auch junge Männer arbeiteten, gab es solche ohne behördlichen Segen, also wilde Prostitution. Um ihr zu begegnen, erließ Friedrich Wilhelm II. 1790 ein "Lusthaus-Reglement zur Steuerung der heimlichen Unzucht öffentlicher Häuser". Dass der Nachfolger Friedrichs des Großen auf dem preußischen Thron kein Kind von Traurigkeit war, wusste damals jeder, doch hatte er es Kraft seiner Stellung nicht nötig, ins Bordell zu gehen. Er bestellte sich die Damen ins Schloss, und vornehme Leute aus seinem Umfeld taten das gleiche.

Insassinnen der Freundenhäuser durften nicht minderjährig sein und waren durch rote Schleifen als Huren zu erkennen. Junge Männer, die sich für Geld an andere Männer verkauften, signalisierten dies durch besonders dicke und auffällige Zöpfe ihrer Perücken. Das konnte zu peinlichen Missverständnissen führen, denn es soll vorgekommen sein, dass dieser Modegag Uneingeweihte in Schwierigkeiten brachte. Bordellwirte durften nur Tee, Kaffee, Kakao und Bier ausschenken. Hohe Zuchthausstrafen wurden über diejenigen ausgesprochen, die eine "Weibsperson" durch List und Gewalt ins Bordell bringen und sie dort anschaffen lassen. Ebenso wurden Kupplerdienste hart bestraft. Außerdem mussten Betreiber eines "öffentlichen Hauses" bestimmte Geldsummen entrichten, um "inficierte Lohnhuren" in der Charité behandeln zu lassen.

Dunkle Ecken im Tiergarten

Bevorzugte Gegenden für Prostitution jeder Couleur waren das Scheunenviertel in der Nähe des Hackeschen Marktes mit seinen dunklen Ecken, ferner die Oranienburger Straße, die Friedrichstraße sowie der Tiergarten. Polizisten waren angewiesen, auch in Schwimmbädern, Parkanlagen und öffentlichen Toiletten ein wachsames Auge auf Sittsamkeit zu haben und gelegentlich als Lockvögel aufzutreten, die sich als "Damen" tarnen. Einen einschlägigen Ruf besitzen heute die Kurfürstenstraße, die Potsdamer Straße, die Oranienburger Straße, die Gegend rund um den Bahnhof Zoo sowie die Straße des 17. Juni, die durch den Tiergarten führt. Außerdem gibt es über die ganze Stadt verteilte Bordelle und Bars, in denen hetero- und homosexuelle Liebesdienste angeboten und geleistet werden. Das Thema ist eng mit der Drogenszene, Beschaffungskriminalität und Menschenhandel verwoben, und immer wieder ist zu hören, dass die Ordnungshüter schier machtlos sind, der Prostitution Einhalt zu gebieten oder wenigstens auf bestimmte Räume einzugrenzen.

14. November 2017

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