"Wir fluten jetzt"
Bild-Text-Tafel an der Bösebrücke erinnern an den Fall der Mauer in der Nacht vom 9. zum 10. November 1989



Auf großen Bild-Text-Tafeln wird ausführlich über Bau und Fall der Berliner Mauer und die Bedeutung des 9. November in der deutschen Geschichte berichtet.



Der Platz des 9. November 1989 vor der Bösebrücke hat entschieden mehr Pflege und öffentliche Aufmerksamkeit nötig.



Eine Schrifttafel aus Bronze zitiert Willy Brandt mit einem berühmten Ausspruch vom 10. November 1989.



Solange das Mauerregime bestand, war die Brücke nur für Leute geöffnet, die dafür eine DDR-Genehmigung vorweisen konnten.



Die Menschen schoben sich nach dem Mauerfall dicht gedrängt, aber glücklich über die Bösebrücke von einem in den anderen Teil Berlins. "Waaahnsinn" war das Wort in der Nacht der Nächte.



Die Berlin-Karte zeigt den Besuchern, wo die Mauer zwischen 1961 und 1989 verlief und wo es die den allermeisten DDR-Bewohnern unzugänglichen Übergangsstellen gab. (Fotos/Repros: Caspar)

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1989 überquerten um 21. 20 Uhr die ersten DDR-Bewohner den streng bewachten Grenzübergang an der Bornholmer Straße und liefen, jubelnd und mit Tränen in den Augen und ganz und gar ungläubig mit dem, was gerade mit ihnen geschieht, in Richtung Westen. Am Abend des historischen 9. November hatte SED-Politbüromitglied Günter Schabowski bei einer Pressekonferenz eher beiläufig erklärt: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen - Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse - beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Versagungsgründe werden nur in besonderen Ausnahmefällen angewandt". Die Ausreisen könnten über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise Berlin-West erfolgen, fügte Schabowski hinzu. Dann fiel auf die Frage eines Journalisten, ab wann das geschieht, der historische Satz: "Wenn ich richtig informiert bin, nach meiner Kenntnis sofort".

Viele Fernsehzuschauer hüben und drüben mögen die Sprengkraft dieser sogleich über die westlichen Agenturen und im Westfernsehen verbreiteten Sensation zunächst nicht voll und ganz erkannt haben, andere verstanden sie aber richtig. Denn ab sofort konnte die am 13. August 1961 gebaute Mauer "ohne Vorliegen von Voraussetzungen", also Genehmigungen, passiert werden. Und so setzten sich in jener Donnerstagnacht unzählige Berliner in Bewegung, versammelten sich vor den Übergangsstellen, verlangten von den völlig konsternierten Grenzern die Öffnung. Die Wachhabenden waren auf dieses Ereignis nicht vorbereitet und fühlten sich überrumpelt. Bei Nachfragen in den Befehlszentralen der Staatssicherheit, der Nationalen Volksarmee und des Innenministeriums kam nach längerem Zögern der einzig richtige Befehl: "Wir fluten". Tränenüberströmt lagen sich Freunde und Verwandte, aber auch völlig Fremde in den Armen. "Waaahnsinn" war das häufigste Wort in dieser Nacht. Andere Leute sagten den Grenzern, sie wollten nur mal zum Kudamm gehen und würden bald wieder zurück kommen.

An die Nacht der Nächte erinnern Bild-Text-Tafeln, ein Gedenkstein und das Schild "Platz des 9. November 1989". Wer die Stelle gleich beim S-Bahnhof Bornholmer Straße besucht, wird sich verwundert die Augen reiben, denn sie sieht ein wenig verwahrlost aus. Die Brücke und ihre Ummauerung ist stellenweise durch Graffiti beschmiert, Unkraut wächst überall. Zu hoffen ist, dass zum 28. Jahrestag des Mauerfalls der Ort in einen vorzeigbaren und würdigen Zustand versetzt wird. Wenn man aber die kleinen Mängel ignoriert, wird man mit Interesse studieren können, was auf beiden Seiten der Tafel zu sehen und zu lesen ist. Historische Fotos zeigen, was es mit dem 9. November in der deutschen Geschichte auf sich hat. Sie erinnern an das Ende der Monarchie in Deutschland und die Ausrufung der Republik am 9. November 1918, den gescheiterten Hitlerputsch in München am 9. November 1923, den als "Kristallnacht" umschriebenen Pogrom im Deutschen Reich am 9. November 1938 und schließlich an den Fall der Berliner Mauer und die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze am 9. November 1989. Deutlich wird, dass die Berliner damals an der Bösebrücke den wohl glücklichsten Augenblick ihrer Geschichte, das Happy End der unseligen deutschen Teilung und des blutigen Grenzregimes an der Demarkationslinie der feindlichen Weltsysteme erlebt haben. Die Brücke verbindet über die Gleise der Fern- und S-Bahn hinweg die Ortsteile Prenzlauer Berg und Gesundbrunnen. Die unter Denkmalschutz stehende erste Stahlbrücke der Stadt wurde 1916 als Hindenburgbrücke eröffnet und erhielt 1948 ihren heutigen Namen nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer Wilhelm Böse. Fälschlicherweise nennen manche Leute sie wegen des benachbarten Bahnhofs auch Bornholmer Brücke.

Berlin wird leben, und die Mauer wird fallen

Im Auftrag der Senatskanzlei hat die damalige Senatsbauverwaltung den Platz aus Mitteln des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR sowie der Aktion Kunst im Stadtraum für 350.000 € angelegt worden. Die Gestaltung bezieht die erhaltene Begrenzungsmauer des ehemaligen DDR-Grenzübergangs sowie das Fundament eines Postenturms ein. Stahlbänder im Boden zeigen den Verlauf der Grenze und geben den 9. November 1989 als jenen Tag an, an dem nicht geschossen wurde, sondern die Schlagbäume hochgingen. Die vier Ausstellungswände, deren Gestaltung beim Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart e.V. in Abstimmung mit der Stiftung Berliner Mauer lag, können für Veranstaltungen so gedreht werden, dass der auf der Brücke brausende Auto- und Straßenbahnverkehr diese nicht stört. Auf einem Gedenkstein ist eine Schriftplatte aus Bronze mit dem berühmten Zitat von Willy Brandt "Berlin wird leben, und die Mauer wird fallen" befestigt.

Das geflügelte Wort stammt aus einer Rede, die der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin und Bundeskanzler am 10. November 1989 vor dem Schöneberger Rathaus hielt. Darin sagte er: "Es ist sicher, dass nichts im anderen Teil Deutschlands wieder so werden wird, wie es war. Die Winde der Veränderung, die seit einiger Zeit über Europa ziehen, haben an Deutschland nicht vorbeiziehen können. Meine Überzeugung war es immer, dass die betonierte Teilung und dass die Teilung durch Stacheldraht und Todesstreifen gegen den Strom der Geschichte standen. Und ich habe es noch in diesem Sommer zu Papier gebracht - man kann es nachlesen, wenn man will -, ohne dass ich genau wusste, was im Herbst passieren würde: Berlin wird leben und die Mauer wird fallen. Übrigens, übrigens, liebe Freunde, ein Stück von jenem scheußlichen Bauwerk, ein Stück davon könnte man dann von mir aus sogar als ein geschichtliches Monstrum stehen lassen. So, so wie wir seinerzeit nach heftigen Diskussionen in unserer Stadt uns bewusst dafür entschieden haben, die Ruine der Gedächtniskirche stehen zu lassen."

11. Oktober 2017

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