Eine gute Adresse, die in aller Welt bekannt ist
Die Kulturbrauerei bietet das passende Ambiente für Theater- und Filmfreunde und die, die gut essen und sich über die Geschichte der DDR informieren wollen



Das etwa 25.000 Quadratmeter große Bauensemble ist ein besonders markantes, dazu nach Restaurierungskunst gut erhaltenes Industrie- und Architekturdenkmal, wie es ein zweites in der Hauptstadt nicht noch einmal gibt.



Schon von weiten ist die ehemalige Schultheiss-Brauerei an den markanten Ecktürmen zu erkennen, hier an der Ecke Knaackstraße und Sredzkistraße.



Was in jedem der mit roten und gelben Klinkersteinen verkleideten Häuser geschah, kann man an Inschriften an Wänden und über Türen lesen.



Das Kino in der Kulturbrauerei bietet die neuesten Filme für jedes Alter und jeden Geschmack.



Wer möchte, kann in einem gut ausgestatteten Museum in die Alltagswelt der DDR eintauchen (Fotos: Caspar)

Berlin besaß in der Kaiserzeit zahlreiche Brauereien, der Alkoholkonsum war schon damals enorm. An fast jeder Straßenecke gab es eine Kneipe, in der Bier und Schnaps reichlich flossen. Vor und nach 1900 haben Vereine und Behörden versucht, dem Alkoholismus mit Aufklärung und bestürzenden Nachrichten über seine Folgen zu begegnen. Doch genutzt haben weder mahnende Worte noch scharfe Polemik, und auch der Hinweis aus Mediziner- und Militärkreisen, dass Bier, Schnaps und Wein nur kranke Kinder und krumme Beine zur Folge haben, gingen an den meisten Leuten ungehört vorbei. Bier und Schnaps waren billig, und viele Menschen gaben in ihrer Verzweiflung über schlimme Arbeits- und Lebensverhältnisse lieber in dunklen und stickigen Lokalen aus als sich um das Fortkommen ihrer Familien zu kümmern. Heinrich Zille, der Zeichner des Berliner "Milljöhs" hat die elende Lage in vielen Bildern dokumentiert. Mehrere still gelegte Brauereien erzählen davon, dass in Berlin die Herstellung von Bier ein bedeutender Wirtschaftsfaktor war. Einer dieser Betriebe ist die in einen exzellenten und viel besuchten Kulturstandort verwandelte ehemalige Schultheiss-Brauerei zwischen Schönhauser Allee, Sredzkistraße und Knaackstraße. Um sechs Höfe gruppieren sich mehr als 20 große und kleine Produktions-, Lager- und weitere Hallen, aber auch Verwaltungsgebäude, Ställe für die Brauereipferde und andere Bauten.

Ausgangspunkt war eine kleine Brauerei mit Ausschank, die sich ab 1878 nach Plänen des Architekten Franz Heinrich Schwechten zu dem heutigen Ensemble entwickelte. Namensgeber und Besitzer war Jobst Schultheiss, der zwar keine einschlägigen Erfahrungen auf diesem Gebiet besaß, den Betrieb aber recht bald zu einer der bedeutendsten Berliner Bierbrauereien ihrer Zeit entwickelte. Der Traditionsname wurde beibehalten, als Schultheiss die Brauerei mit angeschlossenem Ausschank aus gesundheitlichen Gründen 1864 für 210 000 Taler an den Kaufmann und Hoflieferanten Adolf Roesicke verkaufte. Der Mitbesitzer einer renommierten Wäschefirma übertrug die kaufmännische Leitung der Brauerei seinem Sohn Richard, hingegen blieb der technische Betrieb in den Händen des Braumeisters Johann Mathias Beck, der Produktion von obergärigen auf untergärige Biere umstellte.

Nachdem 1967 die Arbeit der nach dem Zweiten Weltkrieg in einen Volkseigenen Betrieb verwandelten Großbrauerei eingestellt worden war und die Gebäude weitgehend leer standen und sich selbst überlassen waren, kam das Gelände 1974 unter Denkmalschutz. Es dauerte dann noch bis 1998, dass umfangreiche Sanierungsarbeiten durch die TLG Immobilien GmbH in Angriff genommen werden konnten. Auf dem Gelände der Kulturbrauerei entstand ein attraktiver Mix aus Theater, Kino, Museum, Verlagswesen und Gastronomie. Mit den Jahren entwickelte sich die Adresse zum Ziel zahlloser Berliner und Besucher der Hauptstadt und ist überall in einschlägigen Publikationen und im Internet zu finden.

Vor einigen Jahren wurde in einem der alten Brauereibauten das neue Museum der DDR-Alltagskultur eröffnet. Die vom Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingerichtete Dauerausstellung schildert die Dokumentation auf zwei Etagen und mit immer neuen Exponaten, wie das Leben im zweiten deutschen Staat beschaffen war und warum dieser 1989/90 an seinen eigenen Gebrechen zugrunde ging. Aus eigenen Beständen sowie zahlreichen Spenden und Leihgaben gespeist, lässt die Ausstellung sowohl bedrückende als auch heitere Gefühle aufkommen. Mit zahlreichen Objekten aus Betrieben, Schulen, Instituten, Polizeiwachen, Privatwohnungen und anderen Orten sowie aus dem Bereich der Politik und Kultur sowie Film- und Tonaufnahmen und anderen Exponaten schildert sie die Spannungen zwischen dem von der SED und Regierung propagierten Ansprüchen und der rauen Wirklichkeit. An vielen Einzelschicksalen erfahren die Besucher, wie eng die Grenzen für individuelle und nicht konforme Entfaltung der eigenen Persönlichkeit beschaffen waren und welche Kraft man brauchte, sich den ideologischen Vorgaben der Staatspartei und den von ihr kreierten "Geboten der sozialistischen Moral" zu entziehen.

Die Schau vermittelt Einsichten in die Arbeitswelt zwischen Planvorgaben und Improvisation, aber auch in das Kultur- und Bildungssystem sowie die Freizeitgestaltung, und sie zeigt, in welch miserablem Zustand sich die Städte und Dörfer, ja die ganze Infrastruktur des Arbeiter-und-Bauern-Staates befand. Deutlich wird zugleich, warum sich die DDR, die sich nach außen als eine der weltweit führenden Wirtschaftskräfte zu präsentieren verstand, in den 1980-er Jahren unausweichlich auf den Kollaps zubewegte und was den Bewohnern geblüht hätte, hätte sie noch länger existiert.

Das etwa 25.000 Quadratmeter große Bauensemble ist ein besonders markantes, dazu nach Restaurierungskunst gut erhaltenes Industrie- und Architekturdenkmal, wie es ein zweites in der Hauptstadt nicht noch einmal gibt.1) Annika Michalski hofft, dass viele Besucher, vor allem auch junge Leute, die Ausstellung über den DDR-Alltag besuchen. Foto: Caspar

22. Januar 2017



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