Schinkel hätte seine Freude gehabt
Neue Dauerausstellung im Kloster Chorin erinnert ab 7. April 2017 an den Beginn der Denkmalpflege in Preußen



Der in jeder Hinsicht weitblickende Architekt Karl Friedrich Schinkel hält, in Bronze gegossen, in dem nach seinen Plänen gebauten Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt Wache.



So schön sauber und geordnet wie auf dieser Zeichnung aus der Zeit um 1825 sah das Kloster Chorin nicht aus, als Schinkel es vor 200 Jahren besuchte.





Vielbewundert und gut besucht ist das Kloster Chorin, eine von einem Park umgebene Perle mittelalterlicher Backsteinarchitektur.



In der warmen Jahreszeit finden im ehemaligen Gottesdientraum Konzerte und andere Veranstaltungen statt, und viele Kunstfreunde strömen von weither herbei.




Die DDR brachte 1966 eine silberne Zehn-Mark-Münze mit dem Konterfei von Schinkel zu dessen 200. Geburtstag heraus, das vereinigte Deutschland ehrte ihn mit eiem Silberstück zu zehn Euro. (Fotos/Repro: Caspar)

Aus Anlass des 200. Jahrestages des Beginns der preußischen Denkmalpflege wird ab 7. April 2017 in sanierten und restaurierten Räumen des ehemaligen Zisterzienserklosters Chorin (Landkreis Barnim) die Baugeschichte der Anlage, die mittelalterliche Klosterwirtschaft sowie die nachreformatorische Nutzung der Anlage sowie ihre Wiederentdeckung und Rettung im frühen 19. Jahrhundert durch Karl Friedrich Schinkel dokumentiert. Der 1781 in Neuruppin geborene Baumeister, Maler und Designer ging, was weitgehend unbekannt ist, als erster preußischer Denkmalpfleger in die Geschichte ein. Die Ausstellung will diese Seite im Schaffen des 1841 im Alter von 60 Jahren nach Schlaganfällen in Berlin verstorbenen Künstlers und Baubeamten stärker ins öffentliche Bewusstsein heben. Sie schildert anhand von Dokumenten, Bildern, Bauplänen und anderen Zeugnissen, wie in nachreformatorischer Zeit das zur Ruine verkommene und als Steinbruch, Getreidespeicher und Schweinestall zweckentfremdete Kloster zu neuem Leben erweckt wurde. Als vielbesuchter Kulturstandort hat das Kloster Chorin überregionale Bekanntheit wegen seiner eindrucksvollen Architektur, aber auch als Konzerthalle und Museum erlangt. Schinkel hatte sich über den Anblick des sorgsam gepflegten und restaurierten Bau- und Kunstdenkmals ganz bestimmt gefreut

Nach Aufhebung der Heimstätte von Zisterziensermönchen im Jahre 1542 leergezogen, diente das Gemäuer als Steinbruch. Die Gewinnung von billigem Baumaterial ließ etliche Klosterbauten verschwinden. Heute erzählen ausgegrabene Fundamente und alte Zeichnungen von ihrem Aussehen. Karl Friedrich Schinkels Mühen um das lange verkannte und verfallene Bauensemble stehen am Anfang des staatlichen Denkmalschutzes in Preußen, und so kann man den Meister zu den "Vätern der Denkmalpflege" in Deutschland zählen. Als er 1816 das 1258 von den Askaniern gestiftete, seither immer wieder erweiterte Kloster und als königliche Domäne mit einem Pächter an der Spitze besuchte, bot sich ihm ein trauriges Bild des Verfalls. Den Zustand hielt Schinkel in einem Gutachten vom 8. Januar 1817 und auf 18 Zeichnungen fest. Als 1823 die königliche Familie die Ruinen besuchte, blickten Esel statt der Schweine die entsetzten Gäste an. Kronprinz Friedrich Wilhelm, ab 1840 König Friedrich Wilhelm IV., nahm, von dem Bauwerk fasziniert, Maße auf und zeichnete, wie er es immer tat, das auf, was sich ihm und den anderen Besuchern bot.

Schinkel, der sich nicht nur dem Neubau verpflichtet fühlte, sondern auch dem Schutz des architektonischen Erbes und von Altertümern, verfasste ein Gutachten, dessen Worte noch heute Gültigkeit haben. "Auf dem Amte Chorin bei Neustadt Eberswalde befinden sich die bedeutenden Überreste alter Klostergebäude welche in vieler Hinsicht als Werke merkwürdig sind altdeutscher Baukunst und besonders in Rücksicht auf Construction mit gebrannten Steinen unserer Zeit als Muster dienen können. […] Bei der Seltenheit solcher Denkmäler in dieser Provinz wird die Erhaltung eines solchen zur Pflicht", mahnte er die Regierung. Sie möge "gefälligst" veranlassen, dass dem Amtmann zu Chorin die Erhaltung aller Klosterbauten zur Pflicht gemacht wird. "Auch könnten sich die Baumeister der Provinz dafür interessieren, damit das willkürliche Einreißen und Verbauen dieser Altertümer vermieden und auf dem Lande der schönste Schmuck solcher Denkmäler erhalten werde".

Kampf gegen Windmühlenflügel

Schinkels Forderungen waren schneller geschrieben als durchgesetzt. Der Pächter des in Chorin ansässigen Gutes leistete Widerstand. Ihm mangelnder Sinn für Ordnung nachgesagt, und er befürchtete unnötige Kosten und wirtschaftliche Einbußen. Ein Denkmalpflegegesetz, wie wir es heute kennen, gab es noch nicht, das ihn zum Handeln verpflichtet hätte, und auch die heutzutage gewährten Beihilfen waren noch unbekannt. Dennoch blieb Schinkels Appell nicht ungehört. Die Bauakten verzeichnen für die Jahre 1831 bis 1834 Reparaturarbeiten und später erste Restaurierungsmaßnahmen.

Das Plädoyer des am königlichen Hof hochangesehenen Baubeamten für den Erhalt des alten Klosters lag im Trend, denn in der Zeit, als die Deutschen die napoleonische Fremdherrschaft abgeschüttelt hatten, besann man sich auch auf die baulichen Hinterlassenschaften der Altvorderen. Weitsichtige Künstler, Beamte und Bürger mühten sich in Preußen und in anderen Staaten des Deutschen Bundes zu retten, was zu retten ist. Das glich vielfach dem Kampf gegen Windmühlenflügel, denn das Verständnis für Historie und alte Bauwerke war vielfach unterentwickelt. Denkmalbehörden, Heimatverbände und wissenschaftliche Gesellschaften, die hätten Druck auf Hauseigentümer machen können, waren erst im Entstehen. Auf der anderen Seite war es oft pure Geldnot, dass man von Abriss und Modernisierung Abstand nahm, eine Erscheinung, die auch im 20. Jahrhundert zu beobachten ist. Sonst hätte man nicht noch viele mittelalterliche Glasmalereien zerstört, um sie gegen neue, besser zu Barockausstattungen passende Kirchenfenster auszutauschen. Auch der Denkmalbestand der früheren DDR wäre um viele wertvolle Objekte ärmer, wenn nach dem Zweiten Weltkrieg die um sich greifende Modernisierungswelle volle Wirkung entfaltet hätte.

In Zeiten, als man in "griechischem Styl" zu bauen pflegte und die Gotik wiederentdeckte, wurden Zeugnisse des Barock und Rokoko rigoros beseitigt. Der Sehnsucht nach vermeintlich besseren mittelalterlichen Zuständen wurden viele wertvolle Bau- und Kunstwerke aus dem 17. und 18. Jahrhundert geopfert. Wo es um bauliche Qualitäten aus der Zeit nach dem Ende des 30jährigen Krieges (1648) ging, war Schinkel zu Ausnahmen bereit. So erregte er sich vor 200 Jahren über einen eigenmächtig handelnden Offizier in Berlin, der ohne Genehmigung ein Bauwerk von Andreas Schlüter, den königlichen Pontonhof, seines plastischen Schmucks beraubt hatte. In einem Beschwerdebrief schrieb Schinkel, auf den "nicht hoch zu schätzenden Schlüter" könne das nördliche Deutschland stolzer sein als Italien auf Michelangelo. Der König wurde um eine "allgemeine Verfügung zum Schutz öffentlicher Denkmäler" gebeten.

Als 1817 barocke Skulpturen auf dem Berliner Schloss zur Disposition standen, verwies Schinkel "demütig" auf das Talent des großen Bildhauers Andreas Schlüter. Es wäre sogar höchst wünschenswert, den von ihm unvollendet gebliebenen plastischen Schmuck fortzusetzen und damit beschäftigungslosen Künstlern eine Arbeitsmöglichkeit zu verschaffen. Mit dem ganzen Gewicht seines Amtes als oberster Baubeamter Preußens setzte sich Schinkel auch für das andere "classische, eigentümliche und vorzüglich großartige" Gebäude der Stadt, das Zeughaus, ein. In der gegenwärtigen Zeit werde die Pflicht um so dringlicher, "die geerbten Schätze in ihrer ganzen Herrlichkeit zu erhalten". Die hierauf zu verwendenden Mittel seien keine Verschwendung.

Mangelndes Gefühl für das Ehrwürdige

Im Umgang mit vielen Bau- und Kunstwerken konstatierte Schinkel Willkür, Unkenntnis, Sorglosigkeit und mangelndes "Gefühl für das Ehrwürdige dieser Gegenstände". Zu wenig Leute würden sich solche Werte gegen die "Stürmenden" verteidigen, "welche so nur durch einen eingebildeten Vorteil auf den Untergang manches herrlichen Werks hinarbeiteten". In den zu bildenden Denkmalbehörden sollten Baumeister und Künstler tätig werden. Kein Schritt dürfe mehr ohne Rückfrage bei ihnen unternommen werden. Die wichtigste Aufgabe der Schutzdeputationen wäre, Verzeichnisse all dessen anzufertigen, was sich in ihrem Bezirk vorfindet, verbunden mit Vorschlägen für Erhaltungs- und Nutzungsmaßnahmen.

Schinkel hat sich gelegentlich selber als Denkmalpfleger betätigt. Belegt ist sein Interesse etwa am Weiterbau des Kölner Doms, um den sich König Friedrich Wilhelm IV. verdient gemacht hat. Als es um die Wiederherstellung der Moritzburg in Halle, die Sanierung des Brandenburger und des Havelberger Doms, um Baumaßnahmen in der Marienkirche zu Frankfurt an der Oder und viele andere Bauten ging, setzte sich der Architekt für die Respektierung der historischen Bausubstanz ein.

Für den empfindsamen, universell gebildeten Künstler war der vorsichtige Umgang mit der historischen Substanz wichtig. Spätere Generationen haben viel Unheil angerichtet, weil sie in ihrem historisierenden Verschönerungswahn oft des Guten zu viel taten. Schinkel erlebte nicht mehr, wie die Denkmalpflege in Preußen langsam an Boden gewann. Zum ersten preußischen Konservator wurde 1843 Ferdinand von Quast berufen. Er forderte, "der Sorge für die Erhaltung der im öffentlichen Besitz befindlichen Kunstdenkmäler eine festere Grundlage zu geben, die Kenntnis des Wertes dieser Denkmäler immer zu verbreiten und die zu ihrer Konservation und Restauration erforderlichen Schritte auf bestimmtere, mehr übereinstimmende und umfassende Prinzipien zurückzuführen, als dies alles nach den bisherigen Einrichtungen möglich war." Auch für Schinkels Landsmann waren ähnlich wie heute Unwissenheit, Gewinnstreben, falsche Verschönerungssucht und kurzsichtiges ökonomisches Denken, das auf schnelle Erfolge ausgerichtet ist, die größten Feinde von Denkmalschutz und Denkmalpflege.

Unheimlich, nackt und kahl

In seinen Denkschriften hat Karl Friedrich Schinkel Kurzsichtigkeit und Böswilligkeit im Umgang mit historischen Baulichkeiten und Kunstwerken gewarnt. So erklärte er 1815: "Bisher waren diese Gegenstände als solche, die nicht unmittelbar dem Staate Nutzen schafften, keiner besonderen Behörde zur Verwaltung und Obhut zugeteilt, sondern es wurde von den Regierungen, von der Geistlichkeit, oder von den Magisträten und Gutsherren, je nachdem sich eine oder die andere Behörde das Recht darüber anmaßte, zufällig und meistentheils ohne weitere Rückfrage höheren Orts entschieden, und da es sich leider zu häufig fand, daß in diesen Behörden keine Stimme war, die durch das Gefühl für das Ehrwürdige dieser Gegenstände geleitet wurde und sich hinreichend ausgerüstet fühlte, die Vertheidigung desselben gegen die Stürmenden zu übernehmen, welche so nur durch einen eingebildeten augenblicklichen Vortheil auf den Untergang manches herrlichen Werks hinarbeiteten, so geschah es, daß unser Vaterland von seinem schönsten Schmuck so unendlich viel verlor, was wir bedauern müssen, und wenn jetzt nicht allgemeine und durchgreifende Maßregeln angewendet werden, diesen Gang der Dinge zu hemmen, so werden wir in kurzer Zeit unheimlich, nackt und kahl, wie eine neue Colonie in einem früher nicht bewohnten Lande dastehen".

In einem anderen Gutachten schrieb er: "Welch einen widrigen Eindruck würde es im Lande und im Auslande machen, wenn nach so glänzenden Ereignissen in der Geschichte das Königliche Schloß in Berlin eines Hauptschmuckes beraubt würde aus einem öconomischen Grunde. […] Das Nützliche und Nothdürftige, so gut es an sich ist, wird widrig, wenn es ohne Anstand und Würde auftritt". 1832 schrieb er zu Instandsetzungen, diese seien "ein Gegenstand des allgemeinen Interesses und ein Gegenstand der Ehre des Staates, weil sich darin die beste Bildung unserer Zeit aussprechen kann […] und eben dadurch werden diese Gegenstände auch eine Förderung der allgemeinen Verbreitung der höheren Bildungsstufe im ganzen Land". Die Ausstellung im Kloster Chorin wird weitere Aspekte des Themas darlegen und helfen, dass eine wichtige Facette im Schaffen von Karl Friedrich Schinkel und seiner Nachfolger weithin bekannt werden.

21. März 2017

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