Bayernprinzessin als Namenspatronin
Die im Krieg zerstörte Schinkelkirche Sankt Elisabeth ist eine Tagungsstätte und Konzerthalle der besonderen Art



Jetzt fehlt noch die vergoldete Inschrift im Giebel der durch sechs Pfeiler gestützten Vorhalle.



Die kriegszerstörte Elisabethkirche an der Invalidenstraße bot in DDR-Zeiten ein Bild des Jammers.



Der Innenraum zeigt sich ohne Putz und Ausmalungen, ihm wird eine gute Akustik bescheinigt.



Ausmalungen, Emporen, Altar, Bestuhlung und Orgel konnten nicht mehr wiederhergestellt werden.




Bald tragen die Bäume rund um die Elisabethkirche Laub, und dann muss man nahe herantreten, um zu sehen, wie die Rückseite beschaffen ist.




Drei Glocken neben der Kirche erinnern an ihre ursprüngliche Nutzung als Gotteshaus für die Bewohner den "Vogtlandes". (Fotos/Repros: Caspar)

Die 1832 bis 1834 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel in "antikischem Stil" erbaute Elisabethkirche an der Invalidenstraße im Berliner Bezirk Mitte hat sich nach Jahrzehnten des Stillstandes und der Vernachlässigung in eine begehrte Tagungsstätte und Konzerthalle verwandelt. Zwar konnte beim Wiederaufbau der Kriegsruine die ursprüngliche Innenausstattung nicht zurück gewonnen werden, dafür aber strahlt das Gotteshaus außen die schlichte Schönheit eines von dem preußischen Stararchitekten von Dach bis Keller durchkomponierten Bauwerks aus. In den letzten Kriegswochen 1945 war die Elisabethkirche durch Bomben getroffenen und ausgebrannt. Das viele im Gottesdienstraum eingebaute Holz und die vertäfelte Decke gaben dem Feuer reichliche Nahrung. In DDR-Zeiten kannte man das Gebäude nur als eine Ruine, in die es hineinregnete und in deren Mauern sich nach und nach Bäume und Sträucher breit machten. Die vergoldeten Buchstaben DES HEREN WORT BLEIBET IN EWIGKEIT waren kaum zu lesen. Still war es um das in der Art griechischer Tempel errichtete Bauwerk, und so bestand für die in ein Biotop verwandelte Ruine wenig Hoffnung auf ihre Wiedergeburt zur Not auch in vereinfachter Form.

Nackte Ziegelwände

Vorstöße von Seiten der Kirche und des Denkmalschutzes hatten in DDR-Zeiten wegen der Kosten keine Chance, und außerdem standen Kirchen auf der Prioritätenliste von Staatspartei SED und der Regierung nicht obenan, vom Berliner Dom am Berliner Lustgarten sowie dem Deutschen und dem Französischen Dom am Gendarmenmarkt einmal abgesehen. Schinkels klangvoller Name nutzte wenig, um die Behörden der DDR für den Wiederaufbau zu begeistern, die evangelische Kirche hatte nicht die Mittel, ihn in Angriff zu nehmen. Erste Aufräum- und Planungsarbeiten begannen zwar noch in DDR-Zeiten, doch richtigen Schwung bekam der Wiederaufbau nach der deutschen Einigung vor allem durch den Einsatz der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die unermüdlich für die Rettung des berühmten Schinkelbaus trommelte und Geld sammelte. 1991 bekam der von Schutt und Pflanzenbewuchs befreite Schinkelbau ein Notdach, und 2000 begann die Sanierung des Mauerwerks.

Eine kirchliche Nutzung des Gotteshauses, das früher einmal Platz für 1200 Besucher bot, kommt nicht mehr in Frage, weil die stark geschrumpfte Gemeinde anderweitig ihre Gottesdienste feiert. Wer den Innenraum besichtigt, sieht Stühle für Konzert- und Tagungsbesucher stehen. Ansonsten bieten sich kahle Ziegelwände, die aber die ursprüngliche Monumentalität der Elisabethkirche sehr gut erleben lassen. Beim Wiederaufbau wurde darauf verzichtet, die mächtigen Emporen zu rekonstruieren. Auch wird die verloren gegangene Orgel nicht mehr rekonstruiert. Die seinerzeit von Schinkel entworfene und Werkstein imitierende Ausmalung und die gemalten Engel und Ornamente in der Apsis wurden auch nicht wiederhergestellt. Als am 24. März 2009 der damalige Bundespräsident Horst Köhler in der Kirche seine vierte Berliner Rede hielt und das Gotteshaus damit bundesweit bekannt machte, blickten er und die Zuhörer auf nackte Ziegelwände, und so sind sie bis heute geblieben.

Durch das Wachstum der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin im frühen 19. Jahrhundert wurde der Bau von Kirchen in den neuen Vorstädten notwendig. König Friedrich Wilhelm III. erhoffte sich von ihnen die "moralische Hebung der Verhältnisse", wie man auf Bild-Text-Tafeln neben dem Portal lesen kann. Die Elisabethkirche ist die größte der vier Berliner Vorstadtkirchen, die Schinkel in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts konzipiert hat. Die anderen Gotteshäuser sind die Nazarethkirche im Wedding, die Pauluskirche am Gesundbrunnen und die Johanniskirche im Tiergarten. Der König verlangte nach dem Motto "Bau'n Se billig, Schinkel!" einfache Kirchen ohne Türme und aufwändige Fassadengestaltung. Die aus Bayern stammende und mit dem späteren König Friedrich Wilhelm IV. verheiratete Kronprinzessin Elisabeth Ludovica war 1835 bei der Einweihung der Elisabethkirche zugegen, und es wird vermutet, dass ihre Person bei der Namensgebung eine Rolle gespielt hat. Der Name bezieht sich eigentlich auf die Heilige Elisabeth, die sich im Mittelalter um die Armenfürsorge sowie um Kranke kümmerte, außerdem wurde und wird Elisabeth als Mutter des Apostels Johannes verehrt.

In der Elisabethgemeinde und der ganzen Spandauer Vorstadt herrschte große Armut, die Wohn- und Lebensverhältnisse der in umliegenden Fabriken beschäftigten Arbeiter waren katastrophal. In der Acker-, Berg- und Gartenstraße und weiteren Straßen in dem auch "Vogtland" genannten Elendsviertel lebten viele, viel zu viele Menschen auf beengtem Raum zusammen. Berüchtigt waren die so genannten Familienhäuser. Ihr Besitzer Baron Heinrich Otto von Wülcknitz nutzte schamlos die Wohnungsnot und Hilflosigkeit des Berliner Proletariats aus, das mit Minimallöhnen auskommen musste. Für ihn waren die mehrstöckigen Unterkünfte ein gutes Geschäft, doch brachten ihm viel auch Kritik und Ärger mit den Behörden ein.

Brennpunkt des sozialen Elends

Die billig gebauten Familienhäuser waren als Brennpunkt des sozialen Elends Vorläufer der berüchtigten Berliner Mietskasernen. Erst in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden sie durch die damals üblichen Wohnhäuser ersetzt, die rund um die Elisabethkirche zum Teil noch stehen. Der Spitzname einer dieser mehrstöckigen Unterkünfte "Mord und Totschlag" sagt viel darüber aus, wie es in solchen Mietskasernen zugegangen ist. Zwei Generationen später hat Heinrich Zille mit seinen Zeichnungen das Elend der mit viel zu vielen Menschen überbelegten Mietskasernen mit Gemeinschaftstoiletten auf dem Hof geschildert. "Jede Wohnung besteht aus einem Zimmer, in welchem die ganze Familie schläft, wohnt, in welchem auch alles gewaschen und gekocht wird; der Ofen dient zugleich als Herd, was für den Sommer natürlich eine unerträgliche Hitze ergibt.", berichtete 1844 der Augenzeuge Heinrich Wichern und charakterisiert die Wohnkolonie als eine ungeheure verpestete Kloake.

Der Regierung und dem König waren die Missstände und die unbeschreiblichen hygienischen Zustände in den Wülcknitz'schen Familienhäusern und an anderen Orten zwar bekannt und man befürchtete Schlimmes für die Gesundheit der auf engstem Raum zusammengepferchten Bewohner vom Greis bis zum Kind und den sozialen Frieden. Doch verbessert hat sich die Lebenslage der Bewohner nicht, und so war es nur noch eine Frage der Zeit, dass es zu Hungerkrawallen kam und sich die Berliner in der Märzrevolution von 1848 erhoben.

Lange stand die Elisabethkirche ziemlich einsam in der Invalidenstraße, doch dann legte Stadtbaudirektor Hermann Mächtig 1881 um die Kirche herum einen kleinen Stadtpark an, der 2001 nach umfangreichen Sanierungsarbeiten wieder eröffnet werden konnte. Auch die kreisförmige Bebauung rund um das Gotteshaus, die in DDR-Zeiten ein Bild des Grauens und der Vernachlässigung bot, hat sich nach umfassender Sanierung wieder in ein städtebauliches Schmuckstück verwandelt.

13. März 2013

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