"Vater des Vaterlandes, fromm, erhaben, unbesiegt"
Öffentliche Gebäude und Kirchen prunken in Berlin mit vergoldeten Bauinschriften



Nach langem Hin und Her wurde erst 1916 am Reichstagsgebäude die Inschrift DEM DEUTSCHEN VOLKE angebracht.



Preußens König Friedrich I. feierte sich über dem barocken Zeughaus Unter den Linden, verbunden mit einem vergoldeten Bildnismedaillon, als Bauherr und unbesiegbarer Vater des Vaterlandes.



Wer die barocke Sophienkirche betritt, kann über dem schlichten Portal einen lieblichen Bibelspruch lesen.



"Zur Erziehung der Jugend für die Künste" lautet in deutscher Übersetzung die Inschrift im Giebelfeld der Hochschule der Künste an der Hardenbergstraße.



Ausnahmsweise erwähnt die Inschrift am Theater des Westens den Architekten Bernhard Sehring. (Fotos: Caspar)

Öffentliche Gebäude von besonderem Rang in Berlin und verschiedene Gotteshäuser tragen Prunkinschriften, gelegentlich auch Wappenschilder mit Kurzepter und Schwarzem Adler sowie gekrönten Monogrammen als Hinweise auf die bis 1918 regierenden Hohenzollern. Sie ließen sich gern als Bauherren feiern, doch auch Entstehungszeit und Zweck der Gebäude wurden in vergoldeten Lettern kundgetan. Vorbilder gab es vor allem in der Antike und der Renaissance, wo Inschriften an Triumphbögen und Tempeln beziehungsweise an Kirchen und Palästen auf Päpste und Potentaten hinweisen. Die Elogen feiern sie als Herrscher über den Erdkreis, als Beschützer des Glaubens, als Bezwinger der Feinde, als Förderer von Kunst und Wissenschaft und als mildtätige Landesväter.

Berliner Bauinschriften stehen in dieser Tradition, und die längste Prunkinschrift schmückte einst das Stadtschloss, die Residenz der Hohenzollern, das gerade als Humboldt Forum seine Wiedergeburt erlebt und die außereuropäischen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie Sammlungen der Humboldt-Universität aufnehmen soll. "Friedrich, König in Preußen, Kurfürst von Brandenburg, der fromme Vater des Vaterlandes, erbaute nach Wiederherstellung der alten Herrschaft der Preußen das Königsschloss und erweiterte es, der Würde seiner Herrschaft gemäß, als der erhabene Erzeuger der edlen Künste und zum bleibenden Schmuck für seine Stadt und sein Jahrhundert" konnte man auf einer Tafel am Portal I des 1950 gesprengten Palastes lesen. Diese und andere Schrifttafeln am Schloss werden, wenn alles nach Plan geht, wiederhergestellt, ebenso das Schriftband, das mit vergoldeten Buchstaben auf blauem Grund um den Kuppelturm über der Schlosskapelle gelegt war und so lautete: "Es ist in keinem anderen Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind".

Für Abschreckung der Feinde

Wie solche Inschriften ausgesehen haben und was sie verkündeten, kann man noch heute am Portal des als Deutsches Historisches Museum genutzten Zeughauses Unter den Linden sehen, wo über dem vergoldeten Brustbild des ersten preußischen König Friedrichs I. und Bauherrn des Waffenarsenals eine achtzeilige lateinische Inschrift prangt, die in deutscher Übersetzung verkündet: "Für die Gerechtigkeit durch Waffen, für die Abschreckung der Feinde, für den Schutz der eigenen Völker und der Verbündeten hat Friedrich I., König in Preußen, Vater des Vaterlandes, fromm, erhaben, unbesiegt, dieses Zeughaus, das mit aller Art Kriegsgerät sowie mit Kriegsbeute und Trophäen angefüllt ist, vom Fundament her erbauen lassen 1706".

Auch Friedrich der Große, der Enkel des bauwütigen und prestigesüchtigen Monarchen, hat sich durch Inschriften verewigt. FRIDERICUS REX APOLLINI ET MUSIS, übersetzt König Friedrich Apoll und den Musen, kann man an der Fassade der Staatsoper Unter den Linden lesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand am wieder aufgebauten Opernhaus nur "Deutsche Staatsoper". Die Anbringung der ursprünglichen Widmung in der späten DDR-Zeit hatte politische Gründe, denn unter Staats- und Parteichef Erich Honecker wurde um 1980 "Preußen" wieder hoffähig, was auch durch die Aufstellung des Friedrich-Denkmals Unter den Linden und die Wiederherstellung jener königlichen Inschrift unterstrichen wurde, die Monarchen als Förderer der Künste und Wissenschaft feiert. Der Wahlspruch NUTRIMENTUM SPIRITUS (Nahrung des Geistes) an der ebenfalls unter seiner Regentschaft erbauten Königlichen Bibliothek am Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, wegen der geschwungenen Form Kommode genannt, ist gelegentlich von spottlustigen Berlinern zu "Sprit is ooch Nahrung" verballhornt worden.

Römisches Vorbild

Für die Hedwigskirche neben der Staatsoper gab es ein berühmtes Vorbild. Der in der Architekturgeschichte gut bewanderte Friedrich II. hatte befohlen, das neue Gotteshaus seiner katholischen Untertanen "der berühmten Rotonda, oder dem Pantheon in Rom, ähnlich zu machen" und ihr eine lateinischen Bauinschrift zu geben, die in der deutschen Übersetzung lautet "Dieses Denkmal der Gnade König Friedrichs, der Heiligen Hedwig geweiht, hat Angelo Maria Quirini, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, auf eigene Kosten vollendet" lautet.

Mitunter können Widmungen ganz knapp sein, so bei der geschwungenen Inschrift "Bellevue" über dem Eingang des gleichnamigen, heute vom Bundespräsidenten als Amtssitz genutzten Schlosses, oder beim Motto über Friedrichs Potsdamer Sommersitz "SANS, SOUCI" (Ohne Sorge), bei dem man sich seit ewigen Jahren über das Komma in der Mitte wundert und dafür keine plausible Erklärung hat.

Tiefe Ehrerbietung vor den als Bauherrn tätigen Monarchen lässt sich auf verschiedenen Berliner Bauinschriften ablesen. Die Inschrift "Humboldt Universität" am Giebel des ehemaligen Prinz-Heinrich-Palais Unter den Linden 8 stammt aus der Zeit nach 1945. Ursprünglich wurden hier König Friedrich Wilhelm III. als Stifter und dazu das Jahr 1809 genannt, obwohl der Universitätsbetrieb erst 1810 aufgenommen wurde. Die lateinische Widmung an Schinkels Altem Museum lautet übersetzt: "Friedrich Wilhelm III. gründete das Museum für das Studium der Antike in all ihren Formen und der schönen Künste 1828" und ist ebenfalls nicht korrekt. Die römischen Zahlenbuchstaben bezeichnen nur einen Zwischenzustand, denn der Säulenbau wurde erst am 3. August 1830 eröffnet, dem 60. Geburtstag des Königs. Verloren ist die Inschrift am Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt, die Friedrich Wilhelm III. als einen Monarchen lobt, der "das durch den Brand zerstörte Theater nebst seinem Konzertsaal zu würdiger Gestalt 1821 neu erstehen" ließ. Über der Säulenhalle liest man heute lapidar nur noch in großen Buchstaben KONZERTHAUS BERLIN.

Der deutschen Kunst

Auch der "Romantiker auf dem Thron" genannte König Friedrich Wilhelm IV. ist auf verschiedenen Bauinschriften vertreten. Das Neue Museum auf der Museumsinsel verkündet an der Seite zum Kupfergraben in der Übersetzung "Nur der Unwissende hasst die Kunst", während man an der Seite zur Nationalgalerie "Das vom seligsten Vater gegründete Museum hat der Sohn erweitert 1855" liest. Friedrich Wilhelm IV. reutet schräg gegenüber, in Bronze gegossen, auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie. Deren Inschrift "Der deutschen Kunst MDCCCLXXI" führt den Besucher in die Irre, denn in dem Kunsttempel sind zahlreiche Bilder und Skulpturen des 19. Jahrhunderts versammelt, die jenseits der deutschen Grenzen geschaffen wurden. Außerdem wurde der Bildertempel erst 1876 eingeweiht und nicht schon im Jahr der Reichseinigung 1871.

In der Tradition barocker Bauinschriften ist an der Westfront der Französischen Kirche, auch Dom genannt, auf dem Gendarmenmarkt eine der wenigen in Deutsch abgefassten Bauinschriften angebracht: "Gott zur Ehre der Gemeinde zum Segen unter dem Schutze der Hohenzollern erbaut 1705 erneut (sic) 1905." Deutsch ist auch die Inschrift am Amtsgericht in Lichterfelde "Erbaut unter der Regierung Wilhelms II. deutschen Kaisers und Königs von Preußen vollendet im Jahre 1905", und am Rathaus Spandau liest man "Erbaut unter der Regierung Kaiser Wilhelms II. von der Bürgerschaft in den Jahren MCMX - MCMXIII" (1910-1913). Die lateinische Widmung an der Hochschule der Künste in der Hardenbergstraße bedeutet "Zur Erziehung der Jugend für die Künste", während die lateinische Inschrift am Theater des Westens in der Kantstraße ausnahmsweise einen Architekten nennt, wenn sie in der Übersetzung verkündet "Dieses Haus gründete für die Pflege der Kunst im Jahr 1896 Bernhard Sehring".

Tuet auf die Pforten

Mit einigem Spürsinn wird man im Berliner Stadtbild weitere Widmungen dieser Art finden. Dazu gehört die Textzeile in hebräischen Lettern aus Jesaia 26,2 an der Fassade der vor 150 Jahren eröffneten Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße, die sich mit "Tuet auf die Pforten, dass einziehe das gerechte Volk, das bewahret die Treue" übersetzen lässt. Bei der ehemaligen Singakademie, dem heutigen Maxim Gorki Theater, muss man genau hinschauen, um eine recht ungewöhnliche Widmung zu finden. Zwischen den Pilastern sind sechs vergoldete Buchstaben versteckt. Sie ergeben den Namen des berühmten Singakademie-Direktors Carl Friedrich Zelter. Das Bode Museum auf der Museumsinsel hatte ursprünglich die Inschrift KAISER FRIEDRICH MUSEUM sowie an der Seite zur S-Bahn hin BEGONNEN MDCCCIIC VOLLENDET MCCCCIV (1898 - 1904). Über dem Portal der Sophienkirche an der Sophienstraße ist "Wie lieblich sind Deine Wohnungen Herr Zebaoth! Höre des Herrn Wort" zu lesen, und im Giebel an einem Gebäude in der Jebenstraße am Bahnhof Zoo steht in sieben Zeilen UNTER DER REGIERUNG WILHELMS II. DEUTSCHEN KAISERS UND KOENIGS VON PREUSSEN ERB. V. D. KAMERADSCHAFTL. VEREINIGUNG D. OFFIZ. D. LANDWEHR INSP. BERLIN MDMIX (1909).

Dem deutschen Volke

Die Frage, ob es noch zeitgemäß ist, öffentliche Gebäude überhaupt mit Inschriften zu versehen, stand Ende des 19. Jahrhunderts auf der Tagesordnung. Anlass war ein Streit um die Widmung für das neu erbaute Reichstagsgebäude. Als Wilhelm II. 1894 den Schlussstein legte, fehlte dem Haus das Motto über dem Portal. Der Kaiser konnte als Stifter nicht genannt werden, denn Bauherrin war der Deutsche Reichstag, die oberste Volksvertretung des Landes. Lange konnte der Monarch lange die mehrheitlich gewünschte Inschrift "Dem Deutschen Volke" verhindern. "Unliebsame Erörterungen" in Kauf nehmend, wie es an seinem Hofe hieß, schlug der Monarch die Formulierung "Der Deutschen Einigkeit" vor. Diesem Motto hielten Kritiker mehr oder weniger witzige Varianten wie "Dem deutschen Heere" entgegen, weil bei der Eröffnung fast nur Uniformen und Orden zu sehen waren. Der Historiker Heinrich von Sybel war überzeugt, es bedürfe keiner besonderen Angabe, weil man sehe, dass im Reichstagsgebäude "kein Confectionslager existirt".

Das Thema kam im Ersten Weltkrieg erneut hoch, und jetzt zeigte sich das um Volksnähe bemühte Reichsoberhaupt geneigt, die seinerzeit von ihm abgelehnte Inschrift zu genehmigen. Doch keine Entscheidung ohne das Votum von Bedenkenträgern, und so verlagerte sich der neuerliche Streit auf die Frage, welche Schriftart zu verwenden sei - römische Antiqua, die man so häufig in der Stadt sieht, oder deutsche Fraktur. Angebracht wurde 1916 eine "jugendstilige" Schrift, die von Peter Behrens entworfen wurde. Generös stiftete Kaiser Wilhelm II. das Metall eroberter Kanonen aus den Befreiungskriegen für den Guss der Buchstaben.

28. Januar 2017

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