Kleinstübers Ruhe und Zeitlers Statistik
Wovon alte Grabmäler auf einem Berliner Friedhof erzählen



Vor einigen Jahren wurde das Kleinstübersche Grabmal auf dem Sankt-Georgen-Friedhof an der Greifswalder Straße in Berlin restauriert.





Die Sterbemedaille von H. F. Brandt aus dem Jahr 1834 für den Königlichen Münzmechaniker Kleinstüber zeigt, wie auch das Grabmal, eine Trauernde sitzend an einer Urne





"Selig sind die Todten, sie ruhen von ihrer Arbeit" verkündet die Inschrift über dem Zeitlerschen Grabmal, das durch seine Angaben über Löhne, Preise und die neue deutsche Reichswährung Interesse verdient.




Von dem aufwändig gestalteten Epitaph des Ehepaars Liebmann blieb in der Berliner Nikolaikirche nur diese Schrifttafel erhalten. (Fotos: Caspar)

Münzdirektoren und andere mit der Geldherstellung befasste Leute haben schon immer großes Ansehen genossen. In alter Zeit nahmen sie an fürstlichen Höfen und in städtischen Verwaltungen wichtige Vertrauensstellungen ein, doch wehe, wenn sie diese missbrauchten. Der Tod am Galgen oder im siedenden Fett konnte die Folge sein. Dass Münzbeamte unter prächtigen Grabmälern ruhen, kommt schon mal vor. Eine Ausnahme aber ist, wenn ein solches Grabmal erhalten und sogar noch auf einer zeitgleich geprägten Medaille abgebildet ist.

Beides kommt bei dem königlich-preußischen Münzmechaniker Johann Gottlieb Ernst Kleinstüber zusammen. Sein vor einigen Jahren sorgsam restauriertes Grabmal, eine besondere Rarität in der Berliner Friedhofsarchitektur, ist ganz dem Klassizismus der Schinkelzeit verpflichtet. Das Bildwerk auf dem Sankt-Georgen-Friedhof an der Greifswalder Allee, nur ein paar Fußminuten vom Alexanderplatz entfernt, zeigt eine sitzende Frau in antikisierender Gewandung. Sie symbolisiert die trauernde Gattin und bekränzt eine Urne. Die teilweise, jetzt schon wieder verblichene Vergoldung verleiht der Skulptur ganz aus Eisenkunstguss zusätzliche Strahlkraft. Die halbovale Wand hinter der Trauernden besagt, dass sich hier "Kleinstübers Ruhe" befindet. Die Inschrift auf dem Sockel aus rotem Granit nennt den Münzmechaniker und seine Frau Sally mit ihren Lebensdaten, verzichtet aber auf rühmende Worte und einen Hinweis auf die Profession des 1834 verstorbenen Beamten der Königlichen Münze zu Berlin.

Die gleiche Darstellung findet auch auf einer von dem bekannten Berliner Medailleur Henri François Brandt geschaffenen Medaille auf Kleinstübers Tod im Jahre 1834. Die Vorderseite zeigt den noch jugendlichen Kopf des Münzmechanikers, während die Rückseite jenes Grabdenkmal in Miniaturformat präsentiert. Kleinstüber hatte sich unstreitbare Verdienste um die Verbesserung des Münzbetriebs in Preußen erworben. Als Leiter der Maschinenbauanstalt der an verschiedenen Standorten tätigen Geldfabrik. Er half, die technische Fertigung des preußischen Hartgeldes zu modernisieren und konstruierte Geräte zum Rändeln und Justieren der preußischen Gold- und Silbermünzen. Erwähnt sei, dass er mit dem Erfinder der Kniehebelpresse, Diederich Uhlhorn, im Streit lag, weil er dessen Konstruktion als unpraktisch ablehnte. Als sich die Kniehebelpresse in Berlin und anderswo durchgesetzt hatte, war Kleinstüber tot.

Stiftung eines Ungenannten

Nur wenige Schritte vom Kleinstüberschen Grabmal entfernt kann man ein anderes, ebenfalls numismatisch interessantes Grabmal bestaunen. Hier wurden Angehörige der seinerzeit hochangesehehen Berliner Baumeisterfamilie Zeitler bestattet. "Die Stadt Berlin erhält diese Gruft aus den Mitteln der Stiftung eines Ungenannten" liest man neben dem im Jahr 1871 errichteten Mausoleum. Eine Inschrift links an einer Seitenwand nennt Löhne und Preise nach dem "glücklichen deutsch französischen Siebenmonats Krieg 1871 71 n. Chr." In der Reichshauptstadt Berlin habe es so viel Arbeit gegeben, dass Arbeiter "knapp" waren. Man löste das Problem durch "höhere Löhne und kürzere Arbeitszeit", ist auf einer gut erhaltenen Granittafel zu lesen. Doch während man das Grabmal baute, wurden die Löhne gesenkt und die Kosten für die harte Ziegel merklich erhöht. Die Inschrift erwähnt zudem, dass während der Bauzeit, in der das deutsche Kaiserreich unter preußischer Führung geboren wurde, auch die bisher üblichen Maße und Gewichte sowie das Geld verändert wurden. Die Umstellung erfolgte von Rute und Zoll auf den "100 theiligen Meterstab", und man rückte auch von der Zahlung in Talern ab und ging zur "Gold (Mark) Währung" über. Neue Gesetze seien entstanden, heißt es ganz zum Schluss, und die Inschrift erwähnt speziell die, wie wir heute sagen würden, Zivilehe und ein "Strafgesetzbuch für alle Deutschen".

Von zwei anderen Berliner Grabmälern mit numismatischem Bezug ist zu berichten. In der Berliner Nikolaikirche, die zur Stiftung Stadtmuseum gehört, blieb eine Inschriftentafel vom Epitaph für Margarete Liebmann, geb. Toll, erhalten, die Gattin des Berliner Münzmeisters Johann Liebmann. Die in barock-geschwungener Schrift ausgeführte Widmung stammt von einem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Ehren-Gedächtnis aus der Zeit um 1676, das an einem Strebepfeiler der Berliner Nikolaikirche befestigt war. Auftraggeber des ursprünglich reich mit Putten und Symbolen der Vergänglichkeit und Erlösung geschmückten Epitaphs war "Johann Liebman Sr. Churfürstl. Durchl. Zu Brandenburgk Wohlbestallter Müntzmeister und Quartin". Viele der unter seiner Leitung geprägten Münzen mit Bildnis und Wappen des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg sind am Münzmeisterzeichen IL (Johann Liebmann) zu erkennen. Der Münzmeister und Wardein arbeitete in einer Zeit ziemlich ungeordneter Verhältnisse an der Berliner Münze, um es vorsichtig zu sagen. Betrug und Unterschleif waren an der Tagesordnung, und dagegen richteten die immer wieder von Neuem bekräftige Ermahnungen und verschärften Strafandrohungen nicht viel aus.

Erst unten, dann wieder oben

Emil Bahrfeldt war auf Liebmann nicht gut zu sprechen. Der bekannte Münzforscher nannte ihn einen Mann, dessen Name in der brandenburgischen Münzgeschichte keinen guten Klang hat, und zählte in seinem Buch über das Münzwesen unter dem Großen Kurfürsten einige Betrügereien auf. So hätten Proben neu geprägter Münzen, die so genanten Stockproben, nicht gestimmt, außerdem hätte Liebmann zu viel Gehalt bekommen. Schließlich sei die Abrechnung für die Begräbnismünzen der Kurfürstin Luise Henriette falsch. Die Gemahlin des Großen Kurfürsten starb 1667 und wurde, ungewöhnlich in Brandenburg, durch eine Serie von Sterbemünzen im Wert von einem sowie Halb-, Viertel- und Achteltalern geehrt. Dass Liebmann an der Münzemission beteiligt war, geht aus der Signatur IL hervor. Interesse verdient die Mitteilung von Bahrfeldt, dass Liebmann trotz aller Unregelmäßigkeiten und Vergehen immer wieder "Oberwasser" bekam. Er hatte eine mächtige Stütze an der Kurfürstin Dorothea, der zweiten Gemahlin des Großen Kurfürsten, der er als Bankier zu Diensten war. Seines Postens entbunden, musste Liebmann nicht am Hungertuch nagen. Er brauchte nicht einmal den von ihm angerichteten Schaden beheben und war weiter als Juwelier und im Geldgeschäft tätig und diente auch Kurfürsten Friedrich III., der sich 1701 als Friedrich I. die preußische Königskrone aufs Haupt setzte. Dass er ein wohlhabender Mann war, unterstreicht das nur noch in Rudimenten erhaltene Grabmal in der Nikolaikirche.

In guter Erinnerung ist der 1703 verstorbene Stempelschneider Raimund Faltz. Er schuf zahlreiche meisterhaft gestaltete Medaillen mit dem Bildnis Friedrich III./I. Sein von dem berühmten Barockbildhauer Balthasar Permoser geschaffenes Epitaph in der Berliner Petrikirche ging 1730 unter, als ein Blitzschlag das Gotteshaus traf und zerstörte. Lediglich hat ein Kupferstich das reich mit Symbolfiguren für Glaube, Liebe, Hoffnung, Kunst und Treue sowie einer Inschriftentafel und dem Bildnis des früh Verstorbenen geschmückte Grabmal überliefert. Das Berliner Münzkabinett zeigt eine Auswahl von Faltz'schen Arbeiten, ein von Wolfgang Steguweit verfasster Katalog bildet Medaillen dieses großartigen Künstlers ab. .

5. Januar 2017

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