Labyrinth aus Häusern und Höfen
Was man rund um den Hackeschen Markt und in anliegenden Straßen erleben und entdecken kann



Der Hackesche Markt zeigte sich im 18. Jahrhundert als verträumter Stadtplatz, in der Ferne erkennt man die barocke Sophienkirche, die alle Kriege und Katastrophen überstanden hat.



Der S-Bahnhof Hackescher Markt hieß früher Bahnhof Börse beziehungsweise in DDR-Zeiten Marx-Engels-Platz.



Ihre alte Schönheit zurückgewonnen haben die im frühen 20. Jahrhundert im Jugendstil erbauten Hackeschen Höfe.



Das von Kurt Berndt und August Endell gebaute Areal ist zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Besuch wert, hier die in den Jahren 1906 und 1907 mit farbigen Wandfliesen geschmückte Hoffassade des Hauptgebäudes Rosenthaler Straße 40/41. (Fotos/Repro: Caspar)

Eigentlich müsste der Hackesche Markt direkt am gleichnamigen S-Bahnhof Haakescher Markt heißen, denn der Name bezieht sich auf den im frühen 18. Jahrhundert amtierenden Berliner Stadtkommandanten Hans Christoph Friedrich Graf von Haake. Um 1750 wurde der Platz in der Spandauer Vorstadt nach Abbruch nicht mehr benötigter Festungswälle auf Veranlassung dieses Offiziers angelegt. In einem Berlin-Lexikon von 1834 wird der Ort als einer der kleinsten und unansehnlichsten Plätze der preußischen Haupt- und Residenzstadt beschrieben, "der auch in der Gegenwart durch einige finstere Buden verunstaltet wird".

Dieser Zustand änderte sich radikal nach der deutschen Einigung von 1871, als Berlin ein Wachstum und einen Bauboom ohnegleichen erlebte und überall Mietskasernenviertel, aber auch Geschäfts- und Warenhäuser, Fabriken sowie Hotels und Vergnügungsetablissements und Bierpaläste entstanden. Leute mit Geld, sehr viel Geld investierten in Immobilien, von denen viele durch die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Ein Übriges taten nach 1945 flächenhafte Abrisse sowie mangelhafte Baupflege und Vernachlässigung, so dass die "Hauptstadt der DDR" genannte Innenstadt zu großen Teilen ein Bild des Jammers abgab.

Im Zweiten Weltkrieg wurden in der Spandauer Vorstadt, zu der auch der Hackesche Markt und die Hackeschen Höfe gehören, und nicht nur dort unendlich viele Häuser zerstört. Danach war der Bereich um den in Marx-Engels-Platz umbenannten S-Bahnhof Börse wenig anziehend. Inzwischen hat sich das Bild von der an einigen Stellen fast zur Ruine verkommenen Spandauer Vorstadt einschließlich der Häuser rund um den Hackeschen Markt gründlich gewandelt. Nicht weit von der Museumsinsel entfernt, avancierte die Gegend zu einem teuren Wohn- und Geschäftsviertel sowie zu einem beliebten Treffpunkt von Touristen. Vor allem in der warmen Jahreszeit sind überall Straßencafés und Restaurants unter freiem Himmel bis auf den letzten Platz besetzt.

Großer Trubel herrscht fast zu jeder Tages- und Nachtzeit in dem Labyrinth zwischen Rosenthaler Straße und Sophienstraße. Vor über hundert Jahren nach Plänen von Kurt Berndt und August Endell gebaut, besteht die denkmalgeschützte Anlage aus Wohn- und Geschäftshäusern, die sich um mehrere Höfe gruppieren. Die mit Ornamenten des Jugendstils reich dekorierte Gewerbehofarchitektur ist in allen Touristikführern und im Internet ausführlich beschrieben. Die Hackeschen Höfe gelten als das größte geschlossene Areal dieser Art in Deutschland. In der verschachtelten Struktur der hintereinander liegenden und abbiegenden Flächen und den hoch strebenden Wohn- und Geschäftshäusern kann man sich schon mal verlaufen. Wenn man nicht auf seinen Ausgangspunkt an der Rosenthaler Straße 40-41 zurückkehren will, findet man nach einigem Suchen weitere Tore und steht plötzlich in einer anderen Straße.

Auf einer Fläche von 27 000 Quadratmetern haben sich zahlreiche Cafés, Restaurants, Galerien, Boutiquen, Kunstateliers, ein Varieté und ein Kino etabliert. Außerdem werden die dank sehr hoher Investitionen aus dem Dornröschenschlaf erweckten Hackeschen Höfe als exquisiter Wohnstandort geschätzt. In der Rosenthaler Straße 39 erinnert eine im Hof gelegene Gedenkstätte Blindenwerkstatt Otto Weidt daran, dass hier in der Nazizeit Juden vor dem Zugriff der Gestapo und damit einige vor dem sicheren Tod in den Vernichtungslagern bewahrt wurden. Der Hof zeigt sich im maroden Zustand vor der Sanierung des Viertels. Das ist gewollt und führt Besuchern den maroden Charme einer Wohngegend vor Augen, die nicht im Fokus der staatlichen Baupolitik des zweiten deutschen Staates stand.

Im Umkreis des Hackeschen Marktes gibt es außerdem die Große und die Kleine Präsidentenstraße. Ihre Namen sind ein Hinweis auf das im 18. Jahrhundert ausgeübte Amt des Berliner Stadtpräsidenten. Vom Hackeschen Markt gehen verschiedene Straßen ab. Eine ist die ebenfalls von Berlinern und Besuchern der Stadt stark frequentierte Oranienburger Straße, an der sich die vor 150 Jahren eingeweihte Neue Synagoge erhebt. Der Name der Oranienburger Straße bezieht sich auf die nach der aus dem niederländischen Fürstenhaus Oranien stammenden Kurfürstin Luise Henriette benannte Stadt nördlich von Berlin. Polizisten bewachen das in ein Museum verwandelte Gotteshaus mit der weithin sichtbaren vergoldeten Kuppel.

Während des Novemberpogroms 1938 wurde die Neue Synagoge von den Nationalsozialisten geschändet, aber nicht gänzlich zerstört, weil sie in einem Wohngebiet stand. Der letzte Gottesdienst fand 1940 statt. 1943 durch Bomben zerstört, wurde der hinter der prächtigen Schaufassade liegende riesige Gottesdienstraum mit 3200 Sitzplätzen 1958 gesprengt. Als Mahnmal blieb die Vorderfront erhalten und wurde mit anderen historischen Bauteilen seit 1988 von der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum rekonstruiert und restauriert. Die weitaus größeren Bauteile im Hintergrund stehen nicht mehr, sie sind aber durch Mauerreste angedeutet.

15. März 2017

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"