Wehrhafte Türme im märkischen Heimatstil
Oberbaumbrücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg ist ein altertümlich anmutendes Symbol für Einheit und Trennung



Die farbige Postkarte aus der Kaiserzeit schildert, wie die Oberbaumbrücke ausgesehen hat und dass das Kreuzberger Ufer mit Skulpturen geschmückt war.





Nur als Torso hat die Brücke den Zweiten Weltkrieg überstanden, danach wurde sie notdürftig repariert und 1961 im Zusammenhang mit dem Bau der Berliner Mauer ganz dicht gemacht. Das Foto mit Auto Marke Trabant zeigt eine Betonplatte, die auf den ehemaligen Bahngleisen steht. Erst nach dem 9. November 1989 wurden alle diese Hindernisse beseitigt.



Den unbekannten Flüchtlingen ist auf der Kreuzberger, also westlichen Seite der Spree nahe der Oberbaumbrücke dieser schlichte Gedenkstein gewidmet.





Die Oberbaumbrücke bietet von der Ferne und von der Nähe aus gesehen einen prächtigen Anblick, der Mittelteil wurde nach dem Mauerfall gebaut. Mit ihm hat man die Oberbaumbrücke dem stark angewachsenen Verkehr angepasst, ohne dass ihre malerische Silhouette beeinträchtigt ist. (Fotos/Repros: Caspar)

Wie kaum ein anderes Bauwerk symbolisiert die Oberbaumbrücke deutsche Geschichte und deutsche Teilung, vergleichbar vielleicht mit dem weitaus bekannteren Brandenburger Tor. Und sie unterstreicht den Hang in der Kaiserzeit, öffentlichen Bauwerken durch Nachbildung älterer Stile Größe und Bedeutung zu verleihen. Benannt ist die nach Entwürfen des Architekten Otto Stahn zwischen Friedrichshain und Kreuzberg errichtete Oberbaumbrücke nach einem uralten Brauch, abends die Zufahrt in die Berliner Innenstadt beziehungsweise die Fahrt hinaus durch einen mächtigen Baumstamm zu versperren, den man quer über die Spree legte. Am Morgen wurde das Hindernis beiseite geräumt, und die Schiffe und Kähne konnten nach Zahlung einer Gebühr passieren.

Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs am18. Januar 1871 blühte Berlin regelrecht auf. Aus der preußischen Haupt- und Residenzstadt mit 824 000 Einwohnern im Jahre 1871 wurde binnen 30 Jahren eine Weltmetropole mit 1,8 Millionen Einwohnern. 1920 entstand durch Eingemeindungen Groß-Berlin mit 3,8 Millionen Einwohnern. Indem die bisherigen Städte Charlotteburg, Köpenick, Neukölln, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf sowie zahlreiche Landgemeinden und Gutsbezirke aufgenommen wurden, erreichte die Hauptstadt der jungen Weimarer Republik eine Fläche von 878 Quadratkilometern und war nach der Einwohnerzahl die drittgrößte und nach der Fläche sogar die größte Stadt der Welt.

Um den stark angestiegenen Verkehr von und nach Berlin zu bewältigen und die vielen Menschen zu versorgen, wurden nach 1871 neue Straßen, Brücken, Bahnhöfe und Gleisanlagen gebaut. Die hölzerne Oberbaumbrücke, die 1724 als Zugbrücke erbaut und danach mehrfach erneuert worden war, tat ihren Dienst nicht mehr. An der breitesten Stelle der Spree wurde sie 1895 durch einen steinernen Prachtbau im märkischen Heimatstil ersetzt, der auch von der damaligen Hochbahn genutzt werden konnte. Am 20. Oktober 1894 beschloss der Magistrat den Neubau, der die mit einer Länge von 150 Metern die Spree überspannt und damit eine der längsten Brücken der Stadt ist. Die Errichtung der Brücke erfolgte auch mit Blick auf die Berliner Gewerbeausstellung im Treptower Park, die 1896 im Zeichen der Jubelfeiern zur 25-jährigen Reichsgründung eröffnet und zu einem großen Publikumsmagneten wurde. Die Oberbaumbrücke ist mit ihren malerischen Türmen und Bögen, Zinnen und Giebeln mittelalterlichen Bauten in der Mark Brandenburg nachempfunden. Indem der Architekt die beiden Türme dem Mitteltortum und einem Teil der Stadtmauer in Prenzlau nachempfand, betonte er ihren wehrhaften Charakter und spielte auch auf die frühere Funktion der alten Zugbrücke als Zollgrenze an.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Oberbaumbrücke erheblich beschädigt und am 23. April 1945 auf Hitlers Befehl zum Teil gesprengt, um den Vormarsch der Roten Armee aufzuhalten. U-Bahn, eine Straßenbahnlinie sowie der Auto- und Fußgängerverkehr führten nach dem Krieg über eine behelfsmäßig reparierte Brücke vom östlichen in den westlichen Teil der Viersektorenstadt. Allerdings unterbrach die DDR-Regierung bereits Mitte der fünfziger Jahre den Straßenbahn- und Autoverkehr nach Westberlin. Ganz dicht mit Betonplatten, Drahtverhauen, Sprengsätzen und anderen Hindernissen gemacht wurde die Brücke am 13. August 1961und danach im Zusammenhang mit dem Bau der Mauer, die die DDR einen "antifaschistischen Schutzwall" nannte. Ein Durchkommen war nicht mehr möglich, und auch die Flucht durch die Spree wurde von den DDR-Grenzern blutig vereitelt. An die Opfer der Mauer an dieser Stelle erinnert ein Denkmal auf der Kreuzberger Seite der Spree. Ab 1963 bis zur Öffnung der Grenze am 9. November 1989 gestattete die DDR nach ermüdender und diskriminierender Antragstellung Berlinern, im Rahmen des "kleinen Grenzverkehrs" in den jeweils anderen Teil der Stadt zu gelangen. Nach der Wiedervereinigung 1990 ging es mit Elan an den Wiederaufbau und die Sanierung der so lange gesperrten Halbruine. Vergleicht man Bilder aus der Erbauungszeit mit der heutigen Oberbaumbrücke, fallen Unterschiede auf. Manche historischen Zierelemente wurden nicht wiederhergestellt. Ganz neu ist der aus Stahlelementen gefügte Mittelteil.

28. Juni 2017

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