Berlin und seine Stadttore
Festungsgürtel und Akzisemauer besaßen zahlreiche Durchlässe, doch nur das Brandenburger Tor hat alle Zeiten überstanden



Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm ordnete nach dem Dreißigjährigen Krieg den Bau eines Festungsgürtels um seine Haupt- und Residenzstadt an.



Außerhalb des Festungsgürtels, der auf Berliner Stadtansichten aus der Vogelperspektive sowie auf einer im Jahr 1700 geprägten Medaille von Raimund Faltz gut zu erkennen ist, ließen die Hohenzollern Trabantenstädte errichten.



Die farbige Zeichnung von Johann Stridbeck aus dem Jahr 1690 zeigt die Stadtmauer und das Leipziger Tor, dahinter sind Berliner Kirchtürme zu erkennen.



Das barock dekorierte Leipziger Tor ist längst verschwunden, eine lange Bauinschrift lobte einst den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg als Vater des Vaterlandes und unbesiegbaren Feldherren.



Die Grafik von Daniel Chodowiecki zeigt, wie das Brandenburger Tor ursprünglich ausgesehen hat und welche Wachgebäude zu beiden Seiten standen.



Nach einem Entwurf von Schinkel trägt die Wagenlenkerin auf dem Brandenburger Tor seit den Befreiungskriegen ein Eisernes Kreuz und den Preußenadler am und auf dem Stab in ihrer Hand.



Zu allen Tages- und Nachtzeiten ist das Brandenburger Tor einen Besuch wert. Vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 verlief hier eine von DDR-Soldaten schwer bewachte Grenze.



Skulpturen vom spätbarocken Oranienburger Tor in Berlin schmücken Torhäuser des ehemaligen Borsig-Gutes in Groß-Behnitz (Landkreis Havelland). (Fotos/Repro: Caspar)

Von den vielen Toren, die Berlin im Mittelalter und in der neueren Zeit besaß, ist nur noch das Brandenburger Tor erhalten. Ringsum die beiden Schwesterstädte Berlin und Cölln durchbrachen fünf Tore die mittelalterliche Stadtmauer, von der ein kurzes Stück im Nikolaiviertel erhalten blieb. Als die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) einen Festungsgürtel bekam, durchbrachen das Leipziger Tor, Spandauer Tor, Oderberger Tor, das Stralauer Tor, das Köpenicker Tor und das Gertaudentor (seit der Königskrönung Friedrichs I. 1701 Königstor) die gezackten, mit Bastionen versehenen Mauern. Um 1800 hat man 15 Tore gezählt, um 1860 gab es folgende 16 Tore: Rosenthaler, Schönhauser, Prenzlauer, Königstor, Landsberger, Frankfurter, Stralauer, Köpenicker, Cottbuser, Wassertor, Anhaltisches, Potsdamer, Brandenburger, Neues Tor sowie das Oranienburger Tor und das Hamburger Tor. Bis auf das Brandenburger Tor existieren die Durchlässe nicht mehr. Ihre Lage ist durch Stadtpläne und Ortsangaben bekannt. Wenn man wissen will, wie sie aussahen, wird man in Bildarchiven fündig, wenn überhaupt.

Kurfürst Friedrich Wilhelm, genannt der Große Kurfürst, befahl nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) den Bau einer starken Festungsmauer rund um die Doppelstadt Berlin-Cölln. Damit wollte er der Eroberung der Stadt durch feindliche, vor allem schwedische Truppen vorbeugen. Die Fortifikation, die auch die neu gegründeten Vorstädte Neukölln am Wasser und Friedrichswerder einschloss, wurde damit begründet, sie sei "zur Versicherung dero hohen Person (des Kurfürsten, H. C.) und zum Besten des Landes und der Stadt". Zum Glück für Kurbrandenburg und seine Haupt- und Residenzstadt trat der Belagerungsfall nicht ein, und so erwiesen sich die Mauer, Wälle und Bastionen, die man gut auf alten Veduten erkennen kann, als nutzlose Maßnahme. Aber das konnte niemand wissen, als die Bewohner zu Schanzarbeiten gezwungen und viele harte Taler in den Festungsbau investiert wurden.

Bahntrasse auf dem ehemaligen Festungsgraben

Unterm Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der von 1713 bis 1740 regierte, wurden die aus kurfürstlicher Zeit stammenden Wälle und Bastionen zum großen Teil beseitigt, weil sie sich militärisch nutzlos waren und die Entwicklung in der aufstrebenden königlichen Residenz behinderten. Ganz verzichteten die Hohenzollern auf Palisaden, Mauern und Tore nicht. Die von ihnen angelegte Akzisemauer hatte eine Länge von 14, später 17 Kilometern und war 4,20 Meter hoch. Erst in den 1860-er Jahren fiel auch dieses urtümliche Bollwerk, von dem Archäologen da und dort Reste ausgegraben haben. Noch heute kann man die Lage des vor über 350 Jahren errichteten Festungsgürtels am gekrümmten Verlauf der Bahntrasse zwischen Jannowitzbrücke und Hackeschem Markt erkennen, denn das Gleisbett wurde im späten 19. Jahrhundert auf dem zugeschütteten Festungsgraben angelegt. Da sich das Areal in öffentlichem Besitz befand, musste der Staat keine Grundstücke kaufen und sparte Geld.

Diese Akzisemauer verhinderte das Entweichen von "Militärpersonen" und half bei der Kontrolle der Einreise und Ausreise nach und von Berlin sowie aller Fuhren, die in die Stadt kamen oder sie verließen. Die Bewacher dieser Mauer aus Ziegelsteinen, Kalksteinen und Holzbohlen erhoben Zölle und Abgaben und kontrollierten den Besucherverkehr. Bis auf das nach dem klassizistischen Umbau nach Plänen von Carl Gotthard Langhans neu gestaltete und oben mit der kupfernen Quadriga besetzte Brandenburger Tor sind alle diese Tore bis auf bescheidene Reste zwischen 1866 uns 1869, das heißt bis unmittelbar vor der Reichseinigung, abgetragen worden. Der Berliner Industrielle Albert Borsig, Sohn des berühmten Eisenbahn- und Maschinenbaukönigs August Borsig, schmückte sein Rittergut Groß Behnitz im Landkreis Havelland aus alter Verbundenheit mit Berlin mit zwei Torbauten, auf denen sich spätbarocke Sandsteinplastiken vom ehemaligen Oranienburger Tor unweit der Borsig'schen Maschinenfabrik am Rande der preußischen Hauptstadt befinden.

Wälle, Bastionen und Kanonentürme

Der Festungskranz bestand aus einem ringförmig angelegten Wall aus gestampfter Erde, der etwa acht Meter hoch und sechs Meter breit war. Geschützt wurde diese kilometerlange Aufschüttung rund um die Doppelstadt durch einen etwa 55 Meter breiten Wassergraben, dessen Böschungen mit Rasen oder mit Steinen befestigt waren. In regelmäßigen Abständen erhoben sich entlang der strahlenförmig konstruierten Befestigung 13 kegelförmige Türme. Diese Bastionen - fünf auf der Berliner und acht auf der Cöllner Seite - dienten der Verteidigung der Stadt und waren mit sechs bis zehn Kanonen zur Beschießung feindlicher Heere ausgestattet. Um in die Stadt zu gelangen und sie wieder verlassen zu können, ließ der Kurfürst sechs Tore, die nur über Zugbrücken passierbar waren, in die Mauer einfügen.

Die Planungen für den um die Doppelstadt Berlin-Cölln angelegten Mauerkranz lagen in den Händen des in den Niederlanden ausgebildeten Festungsbaumeisters und Ingenieurs Johann Gregor Memhardt, nach dem eine Straße am Bahnhof Alexanderplatz benannt ist. Er stand ab 1640 in kurbrandenburgischen Diensten, kam 1650 nach Berlin und erhielt sechs Jahre später die Aufsicht über alle kurfürstlichen Gebäude. 1658 wurde ihm die Leitung der Fortifikation der kurfürstlichen Haupt- und Residenzstadt übertragen, zu deren Vorbereitung er bereits 1652 einen Stadtplan aus der Vogelschau veröffentlicht hatte. Dieser so genannte Memhardt-Plan ist der älteste Stadtplan von Berlin und Cölln. Er zeigt nördlich der Spree in der Nähe der heutigen Museumsinsel schon die ersten "Zacken" des künftigen Festungskranzes. Nachdem Memhardt im Jahr 1678 gestorben war, vertraute der Kurfürst den Ausbau der Festung dem Architekten und Ingenieur Johann Arnold Nering an, dem nach Andreas Schlüter wohl wichtigsten Vertreter des Berliner Barock.

Quadriga als Kriegsbeute nach Paris verschleppt

Das einzig noch erhaltene Stadttor Berlins, errichtet nach altgriechischem Vorbild zwischen 1789 und 1791 nach Plänen von Carl Gotthard Langhans, erhielt erst 1794 von dem Bildhauer Johann Gottfried Schadow seinen bekrönenden Schmuck - die überlebensgroße geflügelte Friedensgöttin Eirene als Lenkerin eines mit von vier prächtigen Rössern gezogenen Wagens. Langhans hatte das klassizistische Tor mit seinen fünf Durchfahrten, den dorischen Säulen und der reliefgeschmückten Attika sowie Skulpturen des Kriegsgottes Mars, der das Schwert in die Scheide steckt, und der Minerva, der Göttin der Künste und Herrin des Handwerks, an Stelle eines barocken Vorgängerbaues als Abschluss der Prachtstraße Unter den Linden entworfen. Als im Oktober 1806 der französische Kaiser Napoleon I. als Sieger der Schlacht von Jena und Auerstedt über Preußen nach Berlin eingezogen war, ließ er die Quadriga vom Brandenburger Tor gegen den Protest der Berliner nach Paris als Kriegsbeute verschleppen.

Erst 1814 konnte das berühmte Bildwerk im Triumphzug wieder nach Berlin zurück geführt werden. In den leeren Kranz, den die Göttin an einer langen Stange hält, hat man das 1813 von Friedrich Wilhelm III. gestiftete Eiserne Kreuz montiert. Obenauf flatterte der gekrönte preußische Adler. Aus dem Friedenstor war ein Siegestor geworden, und immer wenn ein Sieg gefeiert wurde, was auch immer man darunter verstand, zogen Truppen durch die fünf Toröffnungen. So war es auch am Abend des 30. Januars 1933, als Adolf Hitler, der Führer der NSDAP, neuer Reichskanzler wurde. Beim Anblick der braunen Horden sagte der gleich neben dem Brandenburger Tor wohnende Maler Max Liebermann, er könne gar nicht so viel fressen wie er kotzen muss.

9. August 2017

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