Auf nach Treptow!
Berlin bekam zwar keine Weltausstellung zustande, die Gewerbeausstellung von 1896 aber wurde ein großer Erfolg



Beworben wurde die Exposition, die besser Industrie-, Agrar- und Bauausstellung hätte heißen sollen, vom 1. Mai bis 15. Oktober 1896 durch ein von dem bekannten Grafiker und Schriftgestalter Ludwig Sütterlin entworfenes Plakat, auf dem eine Arbeiterhand mit Hammer vor blauem Grund aus der Erde emporwächst.



Die bunte Karte zeigte in der Vogelperspektive, was die Gewerbeausstellung zu bieten hat, wo die Bauten und Halle stehen und wie das Gelände vom Bahnhof Treptower Park zu erreichen ist. !--Bildunterschrift1-->





In großen Scharen liefen die Berliner zur Gewerbeausstellung und bestaunten die Pracht der skurrilen Nachbauten vom Altertum bis zum Mittelalter (Bild unten ein Fischereigebäude) sowie die Exponate aus Industrie, Landwirtschaft und Wissenschaft in den Hallen beiderseits der Treptower Chaussee, die heute Puschkinallee heißt.



Wer Mut bewies und mit dem Ballon flog, konnte sich zur Erinnerung eine solche Medaille ans Revers heften.



Die Postkarte wirbt für die nach dem Astronomen Friedrich Simon Archenhold benannte Sternwarte und das Riesenteleskop mit einer Öffnungsweite von 68 Zentimetern, einer Brennweite von 21 Metern und einem Gesamtgewicht von 130 Tonnen. (Foto/Repros: Caspar)

Die Reihe der Städte, die beginnend mit London 1851, eine Weltausstellung ausgerichtet haben, ist lang, doch Berlin ist nicht darunter. Es verwundert, warum man an der Spree die Chance verstreichen ließ, die Welt zu sich einzuladen und zu zeigen, was deutsche und ausländische Industrie, Landwirtschaft und Gewerbe aktuell zu bieten haben. Ein Blick in die Historie zeigt, dass zahlreiche in Berlin ansässigen Industriellen, Kunsthandwerker und viele andere Personen an der Ausrichtung einer Weltausstellung interessiert waren. Wünsche, die junge Reichshauptstadt durch ein solches Ereignis zu "adeln", gab es schon in den 1880-er Jahren. In einer 1879 im Ortsteil Moabit veranstalteten Gewerbeausstellung präsentierten Industrie und Handwerk, und hier fuhr probeweise die erste, von Siemens & Halske gebaute elektrische Bahn.

Unter dem Eindruck eines großen Besucherzustroms und des Lobs vieler in- und ausländischer Gäste wurde noch im gleichen Jahr ein Verein gegründet, der sich mit der Verbreitung des Ausstellungsgedankens befasste und eine Weltausstellung für 1885 plante. Führender Kopf der Bewegung war der Bankier und Geheime Kommerzienrat Ludwig Max Goldberger als Vorsitzender des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller.

Indes, die Befürworter des Berliner Weltausstellungsplans hatten nicht mit dem Widerstand der Reichsregierung, des Centralverbands Deutscher Industrieller und weiterer einflussreicher Gremien gerechnet. Diese führten die zu erwarteten hohen Kosten ins Feld, die in keinem Verhältnis zum Nutzen stünden. Bei ihrer Skepsis konnten die Verweigerer darauf hinweisen, dass ähnliche Veranstaltungen im Ausland meist defizitär endeten, und dies könne sich das Deutsche Reich nicht leisten. Die Fürsprecher verwiesen hingegen auf die beflügelnde Wirkung eines friedlichen Verkehrs zwischen den Nationen und auf die wirtschaftlichen Impulse, die das Kennenlernen anderer Länder und ihrer Erzeugnisse zu bewirken vermögen.

Partikularistische Vorbehalte

Doch all diese schönen Argumente verfingen nicht, die Reichsregierung und nach ihr der Reichstag lehnten 1881 und 1882 die Pläne ab. Hier sei angemerkt, dass zu dieser Zeit der alte Kaiser Wilhelm I. und sein treuster Diener Otto von Bismarck die Politik im Reich bestimmten, und die hatte zu nämlichem Zeitpunkt gerade mit der Unterdrückung der Arbeiterbewegung zu tun und machte sich auf den Weg, das kaiserliche Deutschland in eine Welt- und Kolonialmacht zu verwandeln. Die Ablehnung Berlins als Austragungsort einer Weltausstellung hatte auch mit der partikularistischen Vorbehalten rheinisch-westfälischer und süddeutscher Industrieller gegenüber der aufstrebenden Reichshauptstadt und der Sorge zu tun, sie könnte als Konkurrentin allzu mächtig werden und die eigenen Geschäfte verderben.

Nach dem Thronwechsel von 1888, als nach dem Tod von Kaiser Wilhelm I. und nach weiteren 99 Tagen von Kaiser Friedrich III. dessen Sohn Wilhelm II. an die Spitze Preußens und des Reiches kam, machte sich die Gruppe um Goldberger Hoffnung, den an Industrie, Technik und Kunst interessierten jungen Kaiser für ihre Weltausstellungspläne einzunehmen. Doch Wilhelm II. hatte andere Ziele. Er brauchte Geld, sehr viel Geld für die Aufrüstung, die Vergrößerung des deutschen Heers und den Bau von Kriegsschiffen. Außerdem hatten inzwischen bedeutende Weltausstellungen in Amsterdam, Chicago und Mailand stattgefunden oder waren für Paris und Mailand geplant.

Goldberger und seine Freunde ließen sich von Rückschlägen nicht beirren und bereiteten quasi als Ersatz eine große Gewerbeausstellung für das Jahr 1896 in Berlin vor. Das publikumswirksame Spektakel wurde dem 25. Jahrestag der Reichsgründung von 1871 gewidmet, und damit konnten sich auch Gegner solcher Ausstellungen am Ende anfreunden. Zum Ausstellungsgelände wurde der Treptower Park bestimmt. Nach dem Friedrichshain und dem Humboldthain war er die dritte Gartenanlage, die der Lenné- Schüler und spätere erste städtische Gartendirektor Berlins, Gustav Meyer geplant hatte. Bis heute sind hier der Hippodrom, die Große Wiese, der Karpfenteich, der Runde Platz südöstlich des Sowjetischen Ehrenmals, die Platanenallee (heute Puschkinallee) und schwungvoll geführte Wege, alles Meyers Planungen, erhalten geblieben.

Schnell gebaut und bald verfallen

Als die Schau endlich eröffnet war, zeigten sich die Besucher beeindruckt. Bekannte Architekten gestalteten auf einer Fläche von 900 000 Quadratmetern als Holz, Pappe und Gips die Illusion vom alten Berlin mit seiner Stadtmauer und verschiedenen historischen Gebäuden darin. Altägyptisches Flair vermittelte die Station Kairo, wo man Pyramiden der Pharaonen, aber auch einen Basar und einen Harem bewundern konnte. Hinzu kamen Alpenpanoramen, auf dem Wasser schaukelnde Schiffe, ein Vergnügungspark für gehobene Ansprüche, wie es in der Werbung hieß, diverse Restaurant und weitere Attraktionen. Mit einem Aufwand von mehreren Millionen Mark wurde außerdem die Infrastruktur rund um den Treptower Park fit für den erwarteten Besucheransturm gemacht. Ein steinerner Zeuge für die Mühen um schnelle Erreichbarkeit des Ausstellungsparks "im fernen Osten" ist bis heute die im Stil mittelalterlicher Backsteingotik gestaltete Oberbaumbrücke. In sechs Pavillons konnte man sich mit dem eigentlichen Thema der Gewerbeausstellung vertraut machen. Hier wurden neue Verfahren und Errungenschaften der Land- und Nahrungswirtschaft, der Chemie und Optik, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, Metallverarbeitung, Medizintechnik, Arbeitsschutz, Volkswohlfahrt und andere Bereiche zur Schau und Diskussion gestellt.

Nach dem Ende der trotz für den "kleinen Mann auf der Straße" gepfefferten Eintrittspreisen von einer Mark (vom Greis bis zum Kleinkind!) gut besuchten Gewerbeausstellung verfielen die aus billigem Material errichteten Bauten schnell. Bald schon war von ihnen nichts mehr zu sehen. Erhalten blieb lediglich das Riesenfernrohr, das auch heute als Teil der Treptower Sternwarte benutzt wird, und auch die gute Verkehrsanbindung sorgt auch heute dafür, dass der weitläufige Park nur eine S-Bahnstation vom Bahnhof Ostkreuz entfernt gut zu erreichen ist.

28. Juni 2017



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