Neue Wache jetzt barrierefrei
Schinkels klassizistischer Bau Unter den Linden in Berlin hatte schon die unterschiedlichsten Nutzer



Die nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel und Salomo Sachs errichtete Neue Wache Unter den Linden in Berlin zählt zu den Hauptwerken des deutschen Klassizismus.



Der von August Kiss geschaffene Giebelschmuck und die von Johann Gottfried Schadow entworfenen Siegesgöttinnen darunter ehren die Helden und Opfer der Befreiungskriege von 1813 bis 1815.



Durch eine runde Öffnung in der Gedenkhalle fällt mildes Licht auf die Bronzefigur der um ihren Sohn trauernden Mutter.



Der silberne Eichenkranz lag auf einem Stein im Reichsehrenmal, jetzt kann man ihn im Deutschen Historischen Museum betrachten.



Der Glaskubus von der Ewigen Flamme, die in DDR-Zeiten in der Neuen Wache loderte, fand Asyl in der Spandauer Zitadelle. (Fotos: Caspar)

Nach umfangreichen Baumaßnahmen ist die Neue Wache Unter den Linden in Berlin seit 6. November wieder für die Besucher geöffnet. Die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ist jetzt auch barrierefrei zu erreichen. Beiderseits der Säulenhalle wurden flache Rampen angelegt, die Rollstuhlfahrern die Zufahrt erleichtern. 1816 bis 1818 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel unter Einbeziehung von Zeichnungen des Architekten Salomo Sachs als Unterkunft der königlichen Schlosswache erbaut, wurde das Gebäude 1931 von Heinrich Tessenow in ein Reichsehrenmal umgewandelt und in DDR-Zeiten als Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus und Militarismus genutzt. Dass Schinkel die Pläne von Sachs adaptiert hat, ist weitgehend unbekannt, wird aber vom Deutschen Historischen Museum, das nebenan im barocken Zeughaus untergebracht ist, als wichtig erachtet, so dass man um der Gerechtigkeit willen von zwei Autoren sprechen muss, wenn von Entwürfen für die wie ein antiker Tempel gestalteten Neuen Wache die Rede ist.

Gedenken an Opfer von Kriegen und Gewalt

Die Neue Wache wird am Volkstrauertag, bei Staatsbesuchen und anderen Gelegenheiten mit Kranzniederlegungen der Toten der beiden Weltkriege sowie der Millionen von den Nationalsozialisten ermordeten Juden gedacht, ebenso der Opfer des stalinistischen Terrors in der DDR und der an der Mauer erschossenen Flüchtlinge. Die Bronzetafel links vom Eingang erzählt die wechselvolle Geschichte des Wachgebäudes, rechts wird an die Menschen erinnert, die im Holocaust und den beiden Weltkriegen sowie bei den Vertreibungen nach 1945 Leben, Gesundheit und Heimat verloren haben oder nicht mehr aus der Gefangenschaft zurück kamen. Ausdrücklich gedenkt der aus einer Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag der Befreiung von Faschismus im Jahr 1985 entnommene Text der Juden sowie der Sinti und Roma, die dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. Einbezogen in die Ehrung sind die wegen ihrer Abstammung oder politischen Überzeugung verfolgten Menschen sowie die wegen angeblicher Unheilbarkeit ermordeten Kranken und Schwachen, die Homosexuellen und die vielen anderen Menschen, deren Recht auf Leben von den Nationalsozialisten geleugnet wurde. "Wir gedenken der Frauen und Männer, die im Widerstand gegen die Gewaltherrschaft ihr Leben verloren. Wir ehren alle, die eher den Tod hinnahmen, als ihr Gewissen zu beugen", heißt es auf der Tafel weiter.

In der Weimarer Republik als Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs gestaltet und in der Nazizeit als Reichsehrenmal benutzt, in dem Hitler schaurige Heldengedenkfeiern abhielt, hatte das klassizistische Wachgebäude den Zweiten Weltkrieg den Zweiten Weltkrieg überstanden. Um 1950 gab es Forderungen der kommunistischen Jugendorganisation FDJ, das "historisch belastete Bauwerk" abzureißen und damit ein Stück unliebsamer Geschichte zu tilgen. Der Plan ging nicht auf, stattdessen wurde die Halle nach Entwürfen von Heinz Mehlan in eine Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus und Militarismus umgestaltet. Zwischen Zeughaus und Humboldt-Universität stehend, war die Neue Wache Schauplatz von Kranzniederlegungen der SED- und Staatsführung und immer mittwochs von zackigen Wachablösungen der Nationalen Volksarmee. Im Innenraum loderte die Ewige Flamme, die man heute im Skulpturenmuseum auf der Spandauer Zitadelle betrachten kann, und es wurden Kränze auf die symbolischen Gräber des Unbekannten Soldaten und des Unbekannten Widerstandskämpfers gelegt.

Trauer der Mutter um den toten Sohn

Nach dem Untergang der DDR wurden diese Einbauten einschließlich eines riesigen, in Stein eingelegten Staatswappens an der Schauwand entfernt. Die vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl bei der Neugestaltung des Innenraums nach Plänen veranlasste Aufstellung einer bronzenen Nachbildung der Pietà von Käthe Kollwitz an Stelle des von Tessenow aufgestellten schwarzen Gedenksteins mit einem Kranz aus silbernen Eichenblättern darauf löste heftige Diskussionen aus. Es ging um Sinn und Zweck einer solchen Gedenkstätte und darüber, in wieweit der Regierungschef persönlich Einfluss auf ihre künstlerische Gestaltung nehmen darf. Aufforderungen etwa der Akademie der Künste, auf solchen "selbstmitleidigen Betroffenheitskitsch" zu verzichten und Tessenows Raumgestaltung ohne Änderung zu rekonstruieren, wischte Kohl vom Tisch. So wurde die von dem Bildhauer Harald Haacke geschaffene und auf das Vierfache vergrößerte Figur der Mutter, die ihren toten Sohn auf dem Schoß hält und um ihn trauert, im Innenraum aufgestellt.

Mit den 1822 beiderseits der an antike Tempel erinnernden Wache aufgestellten Denkmälern der Generale der Befreiungskriege Bülow und Scharnhorst bildete die Neue Wache schon im frühen 19. Jahrhundert eine Erinnerungsstätte für die Gefallenen der Befreiungskriege von 1813 bis 1815. Der Giebelschmuck symbolisiert Heldentum und Untergang im Krieg. "Eine Victoria entscheidet in der Mitte für den rechts kämpfenden Helden; links ist dargestellt: letzte Anstrengung, Aufmunterung zum Kampf, Flucht, Raub und Schmerz der Familie, die ihr Schicksal erwartet; rechts sieht man Überwältigung und Trauer um einen gefallenen Helden", beschrieb Schinkel das Relief, das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und viele Jahre später restauriert wurde.

5. November 2017

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