Alberich rafft das Rheingold zusammen
Ein Dach verlängert das Leben des restaurierten Wagner-Denkmals am Rand des Berliner Tiergartens





Das Wagner-Denkmal zeigt sich heute in gereinigtem und restauriertem Zustand, das Bild darunter lässt erkennen, wie es aussah, bevor sich die Denkmalpflege seiner angenommen haben.



Der legendäre Alberich rafft im "Ring der Nibelungen" sein Gold zusammen und verschwindet mit den Worten Ankündigung "Gewänn ich nicht Liebe - doch listig erzwäng' ich mir Lust!" in seinem unterirdischen Reich.



Die aus dem Wanderstab des Tannhäuser sprießenden Blätter und Triebe zeigen, dass Gott dem reuigen Pilgersmann vergeben hat.


Anlässlich der Denkmalweihe 1903 wurden Medaillen aus Gold und Silber geprägt und nach damaliger Sitte an hochstehende Personen sowie Künstler verteilt. Fotos/Repro: Caspar)

Ziemlich selten passiert es in der Berliner Denkmalsgeschichte, dass Privatleute der Stadt Berlin große Denkmäler schenken. Einer dieser Mäzene war der Parfümfabrikant und Musikliebhaber Johann Ludwig Leichner. Mit großem zeremoniellem Aufwand wurde am 1. Oktober 1903 das von ihm gestiftete und von dem bekannten Bildhauer Gustav Eberlein geschaffene Wagner-Denkmal im Tiergarten enthüllt. Der Hofmaler Anton von Werner, der unter anderem auch die Entwürfe für die Mosaiken der Siegessäule geschaffen hat, malte die Enthüllung des schneeweißen Monuments mit dem wie auf einem Thron sitzenden Komponisten Richard Wagner (1813-1883) im Beisein von Vertretern der Spitzen des Staates, wie man damals sagte. Leichner steht im Frack vor dem Denkmal, das er symbolisch dem Prinzen Friedrich Heinrich als Vertreter Kaiser Wilhelms II. übergibt.

Das Gemälde, auf dem auch der Schöpfer des Denkmals sowie der Maler Adolph Menzel zu erkennen sind, vermittelt einen recht guten Eindruck davon, wie man in der Kaiserzeit mit viel Hurra solche Monumente zu Ehren von Fürsten und Feldherren, manchmal auch von Künstlern und Gelehrten enthüllt hat. Das passierte in der Kaiserzeit und namentlich in der Ära Wilhelms II. in der Reichshauptstadt am laufenden Band oder "alle Neese lang", um es auf berlinisch zu sagen. Das Bild verschweigt, dass es rund um die Zeremonie einigen Ärger gab. Der Kaiser konnte mit Wagner nicht viel anfangen, hielt ihn gar für einen "ganz gemeinen Kapellmeister", und die Familie des Komponisten blieb dem Wagner-Fest fern, das wegen übertriebenem Pomp und Prunk vielfach kritisiert wurde.

Der in einen langen Mantel eingehüllte Komponist sitzt wie auf einem Thron, er schaut hinüber auf die Indische Botschaft, womit der Standort angedeutet ist. Die Arme ruhen auf einer mit einem Löwenkopf geschmückten Lehne beziehungsweise auf einer Partitur. Der Künstler blickt in die Ferne, vielleicht summt er eine gerade gefundene Tonfolge vor sich hin. Um größtmögliche Authentizität zu erreichen, nutzte der Bildhauer für das Denkmal Wagners Totenmaske und den Abguss seiner Hand. Auf dem breiten Sockel haben weitere Figuren Platz. Der junge Sänger, der vorn am Sockel dem Meister huldigt, hält eine Harfe. Aus einer zeitgenössischen Beschreibung ist zu entnehmen, dass die Figur den legendären Minnesänger Wolfram von Eschenbach darstellen soll. Kaiser Wilhelm II., der sich als oberster Kunstzensor empfand, setzte sie dem Denkmalentwurf hinzu. Weitere Sockelfiguren stammen aus Wagners Werk. So stellt die Gruppe auf der linken Seite Siegfrieds Tod in den Armen der schmerzverzerrt aufblickenden Kriemhild dar. Auf der Rückseite hütet der Zwergenkönig Alberich mit ängstlicher Geste den aus Kronen und anderen Insignien bestehenden Nibelungenschatz vor fremdem Zugriff, und rechts beendet Tannhäuser erschöpft seine lange Pilgerfahrt.

Viele Jahre bot das figurenreiche Wagner-Denkmal ein Bild des Jammers. Als in den 1970er Jahren im damaligen Westberlin Schäden an verschiedenen unter freiem Himmel stehenden Marmorskulpturen festgestellt und einige besonders gefährdete Objekte ins Depot gebracht wurden, war dies bei dem alles in allem sechs Meter hohen Wagner-Denkmal nicht möglich. Daher erhielt es ein Schutzdach, das sein Leben verlängert hat. Sonst wäre von Eberleins Monumentalwerk sicher noch weniger übrig. Lange stand vor dem Wagner-Denkmal ein Schild mit diesem Text: "Das Schutzdach wurde über dem Denkmal errichtet, um es vor Umweltschäden zu schützen. Diese mit großem Aufwand betriebene Maßnahme wird sinnlos, wenn das Denkmal mutwillig beschmiert oder beschädigt wird, weil solche ,Verzierungen' wiederum nur mit Schäden für das Denkmal entfernt werden können".

Jetzt ist die Tafel verschwunden, statt dessen sperren Ketten den Zutritt ab, aber es ist zu befürchten, dass sich Graffitimaler und Souvenirjäger nicht darum scheren. Dabei sieht das Monument dank Restauratorenkunst ausgesprochen proper aus. Der Marmor wurde gereinigt und konserviert, und auch viele fehlende Details wie Nasen und Finger wurden fachgerecht ergänzt. Bleibt zu hoffen, dass dieser Zustand so bleibt. Eine Bild-Text-Tafel rechts von dem Denkmal berichtet über die Entstehungsgeschichte und zeigt auch das von Anton von Werner geschaffene Gemälde von der Enthüllungszeremonie anno 1903.

4. April 2017

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