"Geistige Weltherrschaft des arischen Germanentums"
Was sich hinter dem Nazi-Begriff Ahnenerbe verbarg und wer in dem SS-Verein seine Interessen auslebte



NS-Ideologen träumten von einem Volk, das so aus wie dieses germanische Paar mit blondem, zum Kampf bereiten Sohn aussieht.



So stellten sich Maler in der Nazizeit einen reinrassigen Kämpfer vor, der sein Leben im "letzten Gefecht" einsetzt, so der Titel dieses Gemäldes.



Die Grafik aus der Zeit um 1940 macht den Deutschen die "Umsiedlungen des Führers" im Anschluss an die Siege auf den Schlachtfeldern schmackhaft, die dann aber ausblieben. (Repros: Caspar)

Um die angeblich rassische Überlegenheit des arischen Menschen wissenschaftlich nachzuweisen, gründete Reichsführer SS Heinrich Himmler 1935 unter Beteiligung des Reichsbauernführers und Leiters des Rasse- und Siedlungshauptamtes Walther Darre die "Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte ‚Deutsches Ahnenerbe´ e.V." Mit Forschungen im Dienste der NS-Ideologie sollte nicht nur völkische Geschichtsauffassung in der Bevölkerung verbreitet, sondern auch die weitere weltanschauliche und organisatorische Formierung der SS als Elitetruppe der NSDAP und Staat im Staate unterstützt werden. Der stark an okkulten Themen interessierte Himmler fand im Ahnenerbe eine Basis, um seine persönlichen Interessen, wissenschaftlich verbrämt, ausleben zu können.

Zunächst zur Unterstützung und Finanzierung der Forschungstätigkeiten des niederländischen Privatgelehrten Herman Wirth ins Leben gerufen, stellten hunderte Wissenschaftler von Himmler mit großem Interesse verfolgte Untersuchungen zur germanischen Vorgeschichte und deutschen Volkskunde an. Sie unternahmen archäologische, anthropologische und historische Forschungen und Expeditionen und hatten reiche Möglichkeiten zur Publikation ihrer Erkenntnisse. Im Zweiten Weltkrieg beteiligte sich das Ahnenerbe in den okkupierten Ländern am Kunstraub und führte zur Untermauerung seiner kruden Vorstellungen auch Menschenexperimente durch.

Vor der Errichtung der NS-Diktatur hatte sich Wirth einen zweifelhaften Namen durch seine mythischen deutsch-völkischen Theorien gemacht, die er wissenschaftlich zu untermauern suchte. Nach 1933 allerdings blieb ihm eine reguläre Universitätskarriere aufgrund seiner wissenschaftlich nicht fundierten Forschungsmethoden verwehrt. Der Verein wurde 1937 in "Forschungs- und Lehrgemeinschaft das Ahnenerbe e.V." umbenannt. An ihre Spitze berief Himmler den Münchner Indogermanisten Walther Wüst. Um die "geistige Weltherrschaft des arischen Germanentums" nachzuweisen, befasste sich der SS-Verein mit Themen wie "Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte" und dem Nachweis einer bereits seit Jahrtausenden bestehenden germanischen Religion versucht. Ahnenerbe sollte ferner Argumente für Himmlers religionspolitische Bemühungen liefern, das angeblich artfremde, mit jüdischen Gedanken durchsetzte Christentum durch einen "arteigenen" Glauben zu ersetzen. SS-Angehörige sollte dem christlichen Glauben entfremdet und aufnahmebereit für eine neue, ganz dem germanischen Herrenmenschentum und der Rassenideologie des Nationalsozialismus verpflichtete Religion zu machen.

Finanziert wurde das Projekt von staatlichen Stellen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die unter anderem in Medizinexperimente von SS-Ärzten verstrickt war. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs bekam das Ahnenerbe neue Aufgaben. Jetzt wurde der Raub von Kulturgütern in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten maßgeblich von hauptamtlichen Mitarbeitern organisiert. Im April 1942 wurde der Verein als Amt A der Dienststelle Persönlicher Stab Reichsführer eingegliedert. In den von den Nazis als "germanisch" eingestuften Ländern Belgien, Dänemark, Niederlande und Norwegen warb die Waffen-SS Freiwillige unter dem Deckmantel eines Germanischen Wissenschaftseinsatzes Freiwillige an. Indem die Besatzer das vermeintlich gemeinsame germanische Erbe in den Mittelpunkt ihrer Propaganda rückten, versuchten sie, Autonomie- und Widerstandsbewegungen zu schwächen und die Bevölkerung für eine enge Bindung an das Großdeutsche Reich nach dem Endsieg zu gewinnen.

Da der Endsieg nicht errungen wurde, waren auch die Bemühungen vom Ahnenerbe und ähnlicher Organisationen obsolet. Hermann Wirth, dem Vater des Ahnenerbes, dem SS-Oberführer Werner Wüst und ihresgleichen ist nach dem Ende der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs nichts oder kaum etwas geschehen. Wirth betätigte sich weiter als so genannter Privatforscher und fand bei politisch und historisch unbedarften Zeitgenossen manchen Beifall. Der ehemalige Ahnenerbe-Kurator (Präsident), Professor für "Arische Kultur- und Sprachwissenschaft" und Dekan der Philosophischen Fakultät München Wüst wurde zunächst im ehemaligen KZ Dachau interniert und von der Universität München entlassen. Bei der Entnazifizierung 1950 als "minderbelastet" eingestuft, durfte er kein akademisches Amt mehr ausführen.

25. Februar 2017

Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"