Rennpappe war ein ganz großes Thema
Autoproduktion der DDR hinkte den Kundenwünschen um viele Jahre hinterher, hingegen hatten Spitzenfunktionäre mit Luxusmodellen kein Problem



In einem Berliner Einkaufszentrum konnte man vor einigen Jahren auch unter die Motorhaube eines Trabant blicken.



Vor allem für kleine Besucher ist es reizvoll, in der Oldtimerhalle des Deutschen Technikmuseums Berlin den DDR-Zweitakter Trabant zu besteigen und nach Herzenslust alle beweglichen Teile auszuprobieren.



Von Geheimpolizisten eskortiert, rauschen solche "schwarze Särge" genannten Luxuslimousinen mit hohen Staatsgästen an Bord durch die Berliner Mühlenstraße in Richtung Flughafen Schönefeld.



SED-Chef Erich Honecker, KPdSU-Generalsekretär Leonid Breshnew und Ministerpräsident Willi Stoph lassen sich, in einer sowjetischen Staatskarosse stehend, auf dem Weg in das Schloss Niederschönhausen von DDR-Bewohnern huldigen.



In der Bernauer Straße wurde unlängst eine kleine Trabi-Parade gesehen. (Fotos/Repros: Caspar)

Wer an die DDR denkt, der denkt bestimmt auch an das Zweitakterauto Trabant. In Zwickau gebaut, wurde der Kleinwagen, auf den der DDR-Normalbürger zwölf und mehr Jahre warten musste, bis er es sein eigen nennen konnte, nach der Wende Kult. Er hat es in Museen geschafft und ist gelegentlich auch heute auf den Straßen anzutreffen. Es gibt sogar Vereine, die am Trabant schrauben und ihn aufmotzen, so dass seine ursprüngliche Gestalt kaum noch zu erkennen ist. Für den seinerzeit so heiß begehrten Zweitakter gab es Spitznamen wie Trabi, Trabizille, Rennpappe, Gehhilfe, Asphaltwanze oder Duroplastbomber nach der aus einem pappeartigen Kunststoff bestehenden Verkleidung. Der unverwüstliche, aber auch irgendwie aus der Zeit gefallene Kleinwagen lief 1957 erstmals vom Band und brachte es auf 3,05 Millionen Stück. Charakteristisch waren das Motorgeräusch und die blaue Abgasfahne, die das Auto beim Fahren hinter sich ließ.

Den Trabant konnte man auch mit geschlossenen Augen erkennen. Laut Prospekt hatte er einen Verbrauch von 5,5 Liter pro 100 Kilometer und kostete anfangs 8360 DDR-Mark. Sein Name war eine Hommage an den 1957 ins All geschossenen sowjetischen Erdtrabanten Sputnik. Der luftgekühlte Zweizylinder-Zweitakter hatte eine Leistung von 18 PS Leistung und erreichte 90 km/h Spitzengeschwindigkeit. In der Werbung, die sich an Kunden in der Bundesrepublik in Westdeutschland richtete, dort aber vergebens war, wurde der Wagen folgendermaßen angepriesen: "Temperamentvoll, rasant, ausdauernd, bequem, ansprechend - Na, Sie wissen schon, Trabant 601".

Gebrauchtwagen oft teurer als Neuwagen

Die DDR produzierte zwar Pkw den Trabant in Zwickau und Wartburg in Eisenach, importierte aber auch Autos aus den sozialistischen Bruderstaaten sowie aus der Bundesrepublik Deutschland und anderen kapitalistischen Ländern, so die damalige Diktion. Trabant hatte einen Anteil von 54 Prozent, Wartburg 17 Prozent. Der große Rest kam aus den sozialistischen Bruderländern und zu 0,1 Prozent aus dem Westen. Das Angebot reiche nicht vor und nicht hinten aus, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. So waren Autos in der DDR ein ganz großes Thema. Viele Debatten in der Familie und am Arbeitsplatz drehten sich um die Vehikel mit vier Rädern. Obwohl sich das Reich der Arbeiter und Bauern zukunftsorientiert und modern gab, wurden die technisch veralteten Autos auf weitgehend verschlissenen Anlagen gefertigt, oft in zeitraubender Handarbeit. Moderne Modelle brachten es nicht über Prototypen und wenige Einzelanfertigungen hinaus. Was da ausgetüftelt wurde, ist beachtlich, kann aber nur noch in Museen bewundert werden.

Um Kosten zu sparen, mochte sich die SED-Führung, die auch bei Autos das Sagen hatte, nicht zu zeitgemäßen Modellen entschließen, die sich sogar auf dem Weltmarkt behauptet hätten. SED-Chef Honecker war der Meinung "Wir haben doch den Wartburg und unsere Trabis, deren Produktion man weiterführen kann" und wischte alle Vorschläge vom Tisch, die beiden Modelle mit Viertaktmotoren auszustatten. Als das 1988 beim Wartburg begann, war die DDR bereits im Sinkflug. Selbstverständlich wusste wusste die SED-Führung, was beim Auto "in" ist und wie schön es sich in Luxuskarossen auf den zerlöcherten Autobahnen und Straßen der DDR fahren lässt. Denn die Funktionäre ließen sich in gut gefederten Wagen kutschieren, die für teure Westdevisen angekauft wurden. Sogar Kinder und Enkelkinder der Politbürokraten und Regierungsmitglieder hatten kein Problem, sich mit ihnen Autos zu versorgen und außerdem umsonst an Spezialtankstellen Kraftstoff zu bekommen.

Für "Otto Normalverbraucher" war dieses Schlaraffenland unerreichbar. Ihm hätte es schon genügt, wenn er einen fahrbaren Untersatz bekommt, ganz gleich wie und gern auch total überteuert einen gebrauchten. Da die Industrie dem Bedarf absolut hinterher hinkte, gab es irre lange Wartezeiten. Sicherheitshalber haben sich mehrere Familienangehörige beim Autohandel für einen Trabant oder Wartburg eintragen lassen, und danach musste man sich in Geduld üben und/oder versuchen, ein Auto "unter der Hand" zu bekommen. Durch Zahlung von Westmark (DM) an das DDR-Handelsunternehmen Genex konnte man die Warterei erheblich abkürzen, und wer bereit war, für eine Rennpappe oder den Wartburg an Privatleute einen erheblichen Aufschlag zu bezahlen, konnte relativ schnell in den Besitz eines Zwei- oder Viertakters kommen. Es kam zu einem schwunghaften Handel mit Autoanmeldungen sowie "hinten herum" abgewickelte Tauschgeschäfte und Schiebereien, die natürlich nicht in das Bild von der "sozialistischen Menschengemeinschaft" passten. Autos wurden gebraucht, um längere, von Bussen und der Reichsbahn nur unzureichend bediente Strecken zu überwinden und/oder in einem zweiten Job noch etwas zu dem meist recht geringen Arbeitslohn zu verdienen. Da die Fahrzeuge häufig älter als zehn Jahre und oft kaputt gingen und Ersatzteile rat waren, gab es auch dafür einen großen Markt, und wer eine Autowerkstat unterhielt oder dort arbeitete, stand in der Handwerkerriege ganz oben.

Sozialistische Mangelwirtschaft

In der sozialistischen Mangelwirtschaft, die ungeachtet aller andersartigen Behauptungen der staatlichen und Parteipropaganda nun einmal in der DDR vorherrschte, waren "Beziehungen" lebensnotwendig. Gut, wenn man welche hatte! Wer gute Verbindungen zu Klempnern, Elektrikern, Autohandwerkern, natürlich auch zum Fleischer und zum Obsthändler an der Ecke hatte oder wer mit Leuten aus Vergabestellen für Telefone, Autos und Wohnungen auf gutem Fuß stand, war fein raus und konnte sich durch Zahlung eines Extrabonus und/oder Lieferung anderer begehrter Dinge manche Wünsche erfüllen. Zur Pflege dieser Beziehungen, auch Landschaftspflege oder Vitamin B genannt, leisteten "blaue Fliesen", also blaue Geldscheine zu 100 DM, sowie Westkaffee und Westzigaretten gute Dienste. Als der Hintersinn ruchbar wurde, haben die Behörden die Veröffentlichung solcher Anzeigen in den Zeitungen unterbunden.

Wer keine Beziehungen hatte, musste versuchen, finten- und trickreich Dinge beschaffen, die normalerweise nicht oder nur schwer zu haben waren. Da unter diesen Umständen Korruption und Vetternwirtschaft grassierten, musste man bei der Pflege von Beziehungen auf der Hut sein. Sehr schnell konnte es geschehen, dass man von Neidern angezeigt wurde, und dann nutzten einem auch die besten Verbindungen meistens wenig. In den DDR-Medien wurden hin und wieder besonders krasse Fälle von persönlicher Bereicherung und Selbstbedienungsmentalität zur allgemeinen Abschreckung publiziert. Dass es politische Hintergründe gab, die etwas mit dem System zu tun haben, ja dass Mangelwirtschaft und Schlampereien der Veruntreuung und dem Diebstahl von Volkseigentum Vorschub leisten, wurde bei der Berichterstattung verschwiegen.

Oldtimer im Berliner Technikmuseum

Die Stiftung Deutsches Technikmuseum an der Trebbiner Straße 9 im Berliner Bezirk Kreuzberg zeigt in einer ehemaligen Ladehalle des Anhalter Bahnhofs eine Oldtimer-Schau. Sie beginnt mit Fahrzeugen, die noch an Pferdedroschken erinnern, und weitere uralte "Selbstfahrer". Ausgewählt wurden aus der umfangreichen Auto-Sammlung des Technikmuseums rund 30 Autos, wobei die Palette von einer blau lackierten Luxuslimousine Marke Mercedes Nürburg 460 über berühmte Rennwagen und teure Kabrios bis zum VW Käfer und anderen fahrbaren Untersätzen reicht. Sie anzufassen, ist nicht erlaubt, doch bei einem orange gestrichenen Zweitakter der DDR-Marke Trabant wird eine Ausnahme gemacht. Besucher jeden Alters können in ihm Platz nehmen und sich wie jene Leute fühlen, die in DDR-Zeiten für den Zweitakter furchtbar viel Geld nach elend langen Wartezeiten bezahlen mussten. Interesse verdienen einige in der Ausstellung präsentierte Prototypen von energiesparenden Elektroautos, aber auch eine kleine Sammlung von Motoren und ais dem Bereich des Autozubehörs und sogar ein Campinganhänger, bei dem man sich fragt, wie in ihm eine Familie samt Verpflegung und Kleidung Platz fand.

20. August 2017 Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"