Lichtgestalten, Seelenwäger und furchterregende Mischwesen
Engel sind in der bildenden Kunst und auf Münzen beliebte Motive



Zwei Engel bewachen die von Andreas Schlüter für die Berliner Marienkirche geschaffene Marmorkanzel.



Engel flankieren, Posaunen blasend, das preußische Adlerwappen über dem Portal des Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci .







Viele Münzen vor allem der Barockzeit sind mit Engeln bevölkert, oben fungiert ein solcher auf einem sächsischen Kippertaler von 1622 als Wappenhalter, auf dem Fehrbelliner Siegestaler von 1675 wird das kurbrandeburgische Wappen von einer Victoria beschützt.



Die geflügelte Victoria fährt auf dem Brandenburger Tor mit einem Vierergespann nach Berlin hinein.



Die Goldelse genannte Borussia bekrönt die Berliner Siegessäule, die nach der Reichseinigung zur Erinnerung an drei Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 errichtet wurde. (Fotos/Repro: Caspar)

Engel bevölkern unzählige Bilder zur Weihnachtsgeschichte, treten als Verkünder der göttlichen Botschaft und Anbeter des Jesuskindes in der Krippe in Erscheinung. Sie flößen als bewaffnete Rächer Furcht ein, sitzen als Wächter am Grab des Gekreuzigten. Die geflügelten Himmelsboten kommen auf unzähligen Altarbildern und in der Friedhofsplastik daher, laufen als Schutzengel an der Seite der Menschen, blasen als vergoldete Posaunenengel die Backen auf, schmücken als zuckersüße Nackedeis Konfektschachteln. Auch im täglichen Sprachgebrauch sind die überirdischen Wesen allgegenwärtig. Ihnen wird sprichwörtliche engelhafte Schönheit, sanftes Gemüt und Reinheit nachgesagt. Wer es ganz besonders lieb meint, sagt zur Frau oder Freundin, zum Gatten oder Freund "mein Engel" und drückt damit, wenn die Wendung ernst gemeint ist, eine besonders schöne Empfindung gegenüber dem geliebten Menschen aus.

Kaum jemand denkt bei solchen schönen Worten an die Ursprünge der Mischwesen, die mal männlichen, mal weiblichen Geschlechts sind, mal überhaupt nicht definiert werden können, aber immer überirdische Kräfte besitzen. In der jetzt wieder überall nacherzählten beziehungsweise besungenen Weihnachtsgeschichte treten Engel als Verkünder und Tröster der verwirrten Hirten auf dem Feld auf. "Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und sie (die Hirten) fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids". Nach getaner Arbeit "fahren" die Engel gen Himmel, doch wie sie ausgesehen haben, teilt das Neue Testament nicht mit.

Himmelsboten mit und ohne Bart

Künstler entfalteten in den nunmehr über 2000 Jahren seit der Geburt Christi all ihre Phantasie, um Engel flattern, stürzen, sich emporschwingen, kämpfen, singen und musizieren zu lassen. Dabei konnten die Maler und Bildhauer, die Dichter und Musiker auf antike Vorbilder zurückgreifen, denn die geflügelten Himmelsboten hat es bei den "heidnischen" Griechen und Römern und, um noch weiter zurückzugehen, bereits bei den Sumerern, Babyloniern und Ägyptern gegeben.

Engel (aus dem griechischen "angelos", Bote) bildeten in der antiken Mythologie den Hofstaat der Götter, zu dem auch Heroen und Dämonen gehörten. Sie beschützten die Menschen und machten sich sogar als dienstbare Geister im Haushalt nützlich. Geflügelte Eroten auf Wandgemälden in Pompeji beispielsweise führen die unterschiedlichsten Handwerkstechniken aus. Männliche Engel mit Flügel und Bart sind auf Architekturmonumenten des Alten Orients verewigt. Als lang gewandete Frauen fungieren sie im klassischen Altertum die Aufgaben von Niken und Victorien. Auf der Berliner Siegessäule steht eine solche vergoldete Figur als Verkünderin preußischer Siege, und auch auf dem Brandenburger Tor lenkt eine Flügelträgerin die vier Pferde. Engel treten als Verkünder von Siegesbotschaften und Beschützer mutiger Krieger, als Symbolfiguren für den Sieg schlechthin auf, ausgestattet mit Kränzen, die den Helden um den Kopf gewunden werden. So begegnen sie uns auch als Marmorfiguren au der Berliner Schlossbrücke.

Maler des Mittelalters haben Engel mit großer Hingabe als junge Männer dargestellt. Angetan mit langen Gewändern, manchmal auch in den liturgischen Kostümen der Priester. Da man in ihnen überirdische Wesen aufgefasst hat, gab man ihnen auch ungewöhnlich schöne, ebenmäßige und immer bartlose Züge. Die jünglingshaften Engel können alles, was Menschen versagt ist: in die Lüfte fliegen oder aus den Wolken herabschweben, durch die Wand treten, wie mit Siebenmeilenstiefeln weite Entfernungen überwinden und gräuliche Wesen bezwingen.

Als man sich am Ende des Mittelalters an männlichen Engeln mit mädchenhaften Zügen satt gesehen hatte, wurden Engel als ganze Kerle entdeckt, als kraftvolle Ritter und Rächer der Entrechteten und Schwachen. Starke Schutzengel konnten nur aussehen wie irdische Krieger, denn sie mussten ja auch einem finsteren Gegenspieler Paroli bieten, dem Satan. Er ist der "gefallene Engel" und wird gemeinhin mit Hörnern und Pferdefuß dargestellt. Der Herr der Hölle hatte sich Gott gleichsetzen wollen. Für diese ungeheuerliche Anmaßung wurde er aus dem Himmel gestoßen. Fortan treibt der Satan als "Fürst der Unterwelt" sein Unwesen, stets trickreich auf den Seelenfang bedacht.

Hier die Guten, dort die Bösen

Wie im irdischen Leben gibt es auch bei den Engeln außerhalb des Erdkreise eine Hierarchie. Ganz oben rangieren die Seraphim und die Cherubim, die Gottes Thron umstehen. Ein Seraph ist auf alten Bildern sofort zu erkennen, denn er besitzt sechs Flügel - je zwei zum Bedecken des Antlitzes und der Füße sowie zwei zum Fliegen. Dann gibt es mehrere Erzengel und, in der Stufenleiter ganz unten, viele namenlose Engel. Raphael beschützt Pilger und Wanderer und trägt als Symbol den Pilgerstab und eine Wandertasche, Gabriel hat man als Verkünder der Christusgeburt mit einer Lilie dargestellt, und der bewaffnete Michael wurde als Drachentöter verehrt und spielt als "Seelenwäger" im Jüngsten Gericht eine Rolle. Wer hier nicht besteht, fällt dem "bösen Engel" anheim und verschwindet, wie ebenfalls auf zahlreichen Bildern dargestellt, im Rachen der Hölle.

Die bekanntesten Engel heißen nicht Michael oder Uriel, die haben auch keine besondere Aufgabe und keinen Namen. Es sind jene niedlichen Putten, die zu Füßen von Raffaels "Sixtinischer Madonna" die Augen verdrehen. Sie wurden unzählige Mal reproduziert und verkitscht. Die verschmitzt dreinschauenden Wesen auf dem berühmtesten Bild der Dresdener Gemäldegalerie kommen in allen Formen vor - als bunte Dekoration von Porzellantassen, auf Postkarten und Grabsteinen, als Schlüsselanhängern und Konfekt, ja selbst als Flaschenöffner und Aschenbecher. Mit seinen strengen Engelfiguren kehrte der Güstrower Bildhauer Ernst Barlach über 400 Jahre später zu den Ursprüngen zurück. Sein Erzengel Michael, der sich mit dem Schwert in der Hand über ein wolfsähnliches Untier erhebt, und andere Skulpturen haben so gar nichts mit neckischem Puttenprunk der Renaissance und des Barock zu tun. Ganz und gar unheroisch, galten Barlachs Figuren den Nazis als "entartete Kunst" und wurden demontiert. Sie verschwanden aber glücklicherweise nicht auf Nimmerwiedersehen, sondern erlebten nach dem Ende der braunen Diktatur ihre Auferstehung.

21. April 2017



Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"