Fenstersturz mit Folgen
Was vor 400 Jahren zum Dreißigjährigen Krieg führte und wie ein Kurfürst von der Pfalz auf den Königsthron in Prag gelangte



Der Prager Fenstersturz im Mai 1618 war der offizielle Anlass für den Dreißigjährigen Krieg, der erst 1618 endete. Die volkstümliche Grafik schildert den unerhörten Vorgang.



Friedrich V. von der Pfalz wurde Opfer von Ehrgeiz und Selbstüberschätzung, seine Feinde verspotteten den Kurfürsten als Winterkönig.



Der Taler von 1621 kombiniert den Titel des Königs von Böhmen mit dem des Pfalzgrafen bei Rhein und Herzog von Bayern.



Anlässlich seiner Krönung in Prag ließ Friedrich von der Pfalz solche leider recht lieblos angefertigten Goldstücke auswerfen.



Der Breslauer Taler von 1620 bildet den böhmischen Winterkönig Friedrich von der Pfalz und das Wappen der schlesischen Stadt ab.



Nach der Absetzung des Winterkönigs nahm der wieder in seine alten Rechte eingesetzte römisch-deutsche Kaiser und böhmische König Ferdinand II. an seinen Feinden blutige Rache und ließ 1621 adlige Herren auf dem Altstädter Ring in Prag aufhängen und köpfen. (Fotos/Repros: Caspar)

Auf recht spektakuläre Weise begann vor nahezu 400 Jahren der Dreißigjährige Krieg. Beim Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 wurden zwei habsburgische Statthalter und ein Schreiber aus einem Fenster der Prager Burg geworfen und landeten weich auf einem Misthaufen. Die "Defenestration" war eine unschöne, aber treffliche Methode, seinen Protest gegenüber der Obrigkeit zu demonstrieren. Nahezu 200 Jahre zuvor, 1419, gab es in Prag einen ersten Gewaltakt dieser Art, als aufgebrachte Hussiten Vertreter der alten Glaubensrichtung aus dem Fenster des Neustädter Rathauses warfen. Die Folge waren die blutigen Hussitenkriege, die zwei Jahrzehnte das Land in Atem hielten.

Bei der Rebellion von 1618 ging es um einen Glaubenskonflikt, denn Anhänger des 1415 als Ketzer verbrannten tschechischen Reformators Jan Hus forderten, dass die katholischen Habsburger, die als Könige in Böhmen herrschten, die mühsam erkämpften Glaubensfreiheiten weiterhin respektieren. Immerhin war über die Hälfte der Böhmen Protestanten, und sie fürchteten, mit Feuer und Schwert katholisiert zu werden. Natürlich ließ sich Kaiser Ferdinand II. im fernen Wien die schmähliche Behandlung seiner Vertreter nicht gefallen. Es kam zu bewaffneten Konflikten und zum Aufstand der protestantischen Stände gegen die Habsburgerherrschaft. Die Stände wählten eine eigene Regierung, erklärten Ferdinand II. als ihren König für abgesetzt und suchten im römisch-deutschen Reich Verbündete.

In Acht und Bann

Im Dreißigjährigen Krieg ging es um Glaubensfragen, aber noch mehr um Territorien, Macht und Titel. Ferdinand II. bekämpfte mit großer Härte alles, was irgendwie nach Reformation und Luthertum roch. Den Aufrührern schlossen sich alsbald die mährischen Stände sowie diejenigen in der Nieder- und Oberlausitz beziehungsweise in Nieder- und Oberösterreichs an. Zum neuen König erwählt, wurde Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz am 4. November 1619 im Prager Veitsdom gekrönt. Von ihm, einem Anhänger des calvinistischen Glaubens, und seiner Gattin Elisabeth, einer Tochter des englischen Königs, erhoffte die antikaiserliche Fronde Unterstützung Englands und der protestantischen Fürsten in römisch-deutschen Reich. Das aber ließ sich Ferdinand II. nicht gefallen. Er ging mit der Hilfe Spaniens, Polens und Bayerns gegen die unbotmäßigen Böhmen vor, und so begann der bis dahin schlimmste aller Kriege, der 30 Jahre später nach hohen Verlusten an Blut und Gut beendet wurde. Alle beteiligten Länder waren 1648 so sehr erschöpft, dass niemand den Kampf fortführen konnte und wollte.

Friedrich von der Pfalz konnte sich nur kurze Zeit vom August 1619 bis Ende 1620 auf dem Thron in Prag halten. Das verschaffte ihm den von seinen Gegnern erfundenen Spitz- und Spottnamen Winterkönig. Am 4. November 1619 im Prager Veitsdom zum König gekrönt, sah sich Friedrich als Kreuzritter des Protestantismus. Seine Anhänger erwiesen ihm mit der Königswahl einen Bärendienst, weil er es als abtrünniger Fürst nun mit dem Kaiser und vielen Fürsten im römisch-deutschen Reich und darüber hinaus zu tun bekam. Schon bald zogen der nur deutsch sprechende König und sein von calvinistische Landsleuten dominierter Hof die Ablehnung seiner böhmischen Untertanen sowie eines Teils der Geistlichkeit und des Adels auf sich. Nach der Niederlage seiner Truppen in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag am 8. November 1620 wurde der Winterkönig von Ferdinand II. in Acht und Bann belegt, war also vogelfrei. Er verlor nicht nur die böhmische Krone sondern auch seine pfälzischen Erblande und die Würde eines deutschen Kurfürsten. Er hatte nun nicht mehr das Recht, mit den anderen Kurfürsten das kaiserliche Reichsoberhaupt wählen zu dürfen. Friedrichs Versuch, aus der Kurpfalz "die" führende protestantische Macht im römisch-deutschen Reich zu machen, war gescheitert.

Gewinner und Verlierer

Profiteur des Machwechsels war der bayerische Herzog Maximilan, der 1623 vom Kaiser mit der pfälzischen Kurfürstenwürde ausgezeichnet wurde und als Vorreiter der katholischen Gegenreformation in die Geschichte einging. Das 1839 in München enthüllte Reiterstandbild des bayerischen Kurfürsten Maximilian I. geht auf eine Stiftung von König Ludwig I. zurück. Modelliert von dem Bildhauer Berthel Thorwaldsen, ehrt es auf dem Wittelsbacherplatz einen Mann, der von 1623 bis 1651 und damit fast die ganze Zeit des Dreißigjährigen Kriegs die Geschicke Bayerns bestimmte.

Der schlimmste und blutigste aller Kriege wurde erst 1648, nach 30 schrecklichen Jahren und hohen Verlusten an Blut und Gut, beendet. Alle beteiligten Länder waren so erschöpft und ausgeblutet, dass sie nicht mehr weiterkämpfen konnten und wollten. Einer der Kriegsgewinner war Schweden, dessen König Gustav II. Adolf sich erst 1630 mit der Behauptung einschaltete, die protestantische Sache gegen die Katholiken verteidigen zu wollen. Der Mythos vom Schwedenkönig als Verteidiger des Glaubens hielt sich lange und konnte auch unter Hinweis auf die Gräueltaten seiner Soldaten unter der Zivilbevölkerung anrichteten, nicht verblassen.

Hinter dem vorgeschobenen Ziel der Rettung des Protestantismus verbargen sich handfeste machtpolitische Interessen. Gustav Adolf fiel schon 1632 in der Schlacht von Lützen bei Leipzig. Im Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück (1648) erwarb Schweden große Teile Norddeutschlands, darunter die Hansestädte Wismar und Stralsund sowie die Insel Rügen. Viele andere Länder gehörten zu den Verlierern des Krieges, zu nennen wären etwa Kurbrandenburg und Mecklenburg, wo ganze Landstriche verlassen waren und landwirtschaftliche Flächen brach lagen. Viele Städte und Dörfer waren zerstört und entvölkert. Es dauerte Jahrzehnte, bis sie sich von den materiellen und personellen Folgen des Krieges erholt hatten.

Breslauer Bekenntnis

Ungeachtet aller Querelen bekannte sich schon frühzeitig die selbstbewusste schlesische Stadt Breslau zu dem aus der Pfalz stammenden König Friedrich I. von Böhmen und brachte, um dies vor aller Welt zu bekunden, 1620 einfache und doppelte Dukaten mit seinem Bildnis heraus. Die Krone auf seinem Kopf unterstreicht seine vom Kaiser in Wien und vielen deutschen Fürsten bestritene Königswürde. Nach seiner Absetzung in die Niederlande geflohen,starb der Winterkönig Ende November 1632 fast zeitgleich wie sein Mitstreiter, König Gustav II. Adolf von Schweden. Nach der pfälzischen Episode wurde Breslau abwechselnd von sächsischen und schwedischen Truppen besetzt. Als 1632 die wieder unter die Herrschaft der Habsburger geratene Stadt Kaiser Ferdinand II. ersuchte, sie zur Freien Reichsstadt zu erheben, erhielt sie eine zornige Abfuhr.

5. Mai 2017

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