"Nie wieder Krieg in Europa!"
Eindrucksvolle Ehrung für Carl Goerdeler im Schatten des Neuen Rathauses in Leipzig



Mit der ungewöhnliche Gedenkstätte nahe dem Neuen Rathaus stattet die Messestadt Leipzig Carl Goerdeler, dem mutigen Politiker und Widerstandskämpfer gegen das Naziregime, ihren aufrichtigen Dank ab.





Carl Goerdeler war in Sorge um den Zustand seines Landes, markante Zitate kann man auf den Stufen der Gedenkstätte lesen.



Vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt, wurde die Hinrichtung von Carl Goerdeler in der Hoffnung immer wieder verschoben, durch Folter von ihm die Namen weiterer Verschwörer zu erfahren. In der Haft gelang es ihm, Schriften zur Wirtschaftspolitik und Gemeindereform zu verfassen, die erst nach dem Ende der NS-Herrschaft bekannt wurden.



Carl Goerdeler und seine Mitstreiter galten der Nazijustiz als ehrgeizzerfressene, ehrlose und feige Verräter, Goerdeler wurde zudem als Spion bezeichnet. Die Urteilsbegründung des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs wird als Faksimile im Hinrichtungsgebäude des früheren Zuchthauses Plötzensee gezeigt.



Die Beseitigung des Mendelssohn-Denkmals vor dem Alten Gewandhaus wurde 1937 von Goerdeler zum Anlass genommen, vom Amt des Leipziger Oberbürgermeisters zurückzutreten. 2008 wurde auf dem Dittrich-Ring eine Nachbildung aufgestellt.



Ein weiteres, von Jo Jastram geschaffenes Denkmal des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, dem Leipzig viel zu verdanken hat, steht im Neuen Gewandhaus am Augustusplatz. (Fotos/Repro: Caspar)



Die Stadt Leipzig ehrt ihren langjährigen Oberbürgermeister Carl Goerdeler unweit des Neuen Rathauses mit einem ungewöhnlichen, aus schwarzen und grauen Steinplatten gebildeten Denkmal, das einem vertieft in den Boden gebauten antiken Amphitheater nicht unähnlich ist. Die kreisrunde Anlage am Martin-Luther-Ring nach einem Entwurf von Jenny Holzer und Michael Glier besteht aus einem fünf Meter tiefen Schacht, in den man über kreisrunde Stufen mit eingelegten Inschriften gelangt. Als Motto dient ein Bekenntnis, das Goerdeler 1945, kurz vor seiner Hinrichtung, ablegte: "Ich liebe mein Vaterland mit Inbrunst, aber gerade deshalb empfinde ich die ganze Schmach seiner Entehrung, wie sie noch nie einem Volk durch eigene Bürger angetan worden ist". Andere Bekenntnisse lauten - in Auswahl - so: "So befindet sich Deutschland in einem Zustand der Rechtlosigkeit, der moralischen Zersetzung… Die Entwicklung ist zielbewusst darauf gerichtet, immer mehr Macht in den Händen der Polizei, einschließlich der Geheimen Staatspolizei zu vereinigen ... Der Richter ist nicht mehr an klare Gesetze gebunden. 1937" und "Die Partei aber lebt in dem Wahne, sie könne jeden Menschen, und wenn auch mit Zwang, dazu bringen, etwas Bestimmtes zu glauben und das Leben nach einer bestimmten Fasson zu führen. 1937".

Mit der Errichtung des Denkmals, das wichtige Daten aus dem Leben des zu den prominentesten Gegnern des NS-Regimes gehörenden Politikers nennt, trug die Messestadt eine Ehrenschuld ab. Denn in DDR-Zeiten war der sowohl konservativem als auch humanistischem Gedankengut verpflichtete, von Zeitgenossen als "altpreußische" Persönlichkeit mit hohen Ehrbegriffen geschilderte Goerdeler wenig geschätzt, weil er sich 1923 als ehemaliger kaiserlicher Offizier an Umsturzplänen gegen die Weimarer Republik beteiligt hatte, während der Naziherrschaft zum Zusammengehen mit Kommunisten und Sozialisten nicht zu bewegen war und außerdem der Wiedererrichtung der Monarchie das Wort geredet hatte.

Macht zusammengerafft und missbraucht

Carl Goerdeler war von 1930 bis 1937 Oberbürgermeister von Leipzig. Er trat nach 1933 nicht in die NSDAP ein, wurde aber zähneknirschend im Amt belassen, bis er 1937 aus Protest gegen die Nazis selber zurücktrat. In Deutschlands dunkelster Zeit beklagte er, und das kann man in der Gedenkstätte nachlesen: "Sie (die NSDAP) hat als Partei den Fehler der Diktatoren gemacht: Sie hat Macht verlangt, Macht zusammengerafft und Macht missbraucht. Es ist unsere Aufgabe zu verhindern, dass dieser Missbrauch zum Schaden des deutschen Volkes führt". Goerdeler war überzeugt und machte daraus keinen Hehl, dass das größte Problem die "Wiederherstellung des einfachen menschlichen Anstands" ist.

Äußerer Anlass von Goerdelers Rücktritt vom Amt des Oberbürgermeisters war die Schändung des vor dem Alten Gewandhaus stehenden Denkmals für Felix Mendelssohn Bartholdy durch eifernde Nazis, denen der aus einer jüdischen Familie stammende Komponist verhasst war. Goerdeler erfuhr vom Abbruch des Denkmals nach der Rückkehr von einer Reise nach Finnland und konnte nichts mehr unternehmen. Seine Meinung zur Hetze gegen den Gewandhauskapellmeisters und Wiederentdeckers der Musik von Johann Sebastian Bach und andere aus politischen und rassistischen Gründen als "undeutsch" und "entartet" verteufelte Künstler klingt auf den Stufen der Gedenkstätte folgendermaßen: "Wenn uns … beispielsweise die Mendenssohnsche Komposition … nicht behagt, so sollen wir sie nicht aufführen, wir sollen aber nicht verkünden, dass sie aus rassepolitischen Gründen durch eine andere Komposition ersetzt werden müsse. Wir können uns da auch argen Schlappen aussetzen, denn es wäre ja immerhin denkbar, dass kein lebender deutscher Komponist eine bessere Komposition zustande brächte. 1934".

Mendelssohn Bartholdy blickt auf Bach

Wenige hundert Meter von der Goerdeler-Gedenkstätte steht seit fast zehn Jahren eine Replik des Monuments aus dem Jahr 1982, das den jüdischen Musiker an einem Notenpult stehend und auf ein Denkmal von Johann Sebastian Bach blickend darstellt. Zu Füßen der von Werner Stein geschaffenen Bronzestatue auf einem roten Granitsockel hat die Allegorie der Musik Platz genommen, flankiert von dicken Putten, Musik spielen. Auf der Rückseite des Sockels steht in vergoldeten Lettern "Edles künde nur die Sprache der Töne". Die Realisierung der Kopie übernahm der Dresdner Bildhauer Christian Schulze, der das Denkmal anhand fotogrammetrisch vermessener alter Abbildungen rekonstruierte. Der Guss der Bronzen erfolgte in der Kunstgießerei Lauchhammer.

Als Kommunalpolitiker im Ruhestand entwickelte sich Carl Goerdeler, von regimekritischen Industriellen und anderen Personen gedeckt und viel im Ausland unterwegs, zu einer der führenden Kräfte des deutschen Widerstands und war an Staatsstreichplänen gegen Hitler schon vor dem gescheiterten Attentat des Klaus Schenk von Stauffenberg vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler beteiligt. Während des Zweiten Weltkrieges versuchte er mit seinen Denkschriften, eine Verständigung mit den Westmächten herbeizuführen, wobei er auch seine Kontakte ins Ausland nutzte in der Hoffnung, Unterstützung für einen Putsch gegen Hitler zu finden. Mit den Mitgliedern des militärischen Widerstands Generalmajor Henning von Tresckow und Generaloberst a. D. Ludwig Beck entwarf Goerdeler Pläne für die Zeit nach dem Sturz des NS-Regimes, in der er Regierungschef und Beck Staatsoberhaupt werden sollten.

Verraten, angeklagt, hingerichtet

Unmittelbar vor dem Attentat vom 20. Juli 1944 vor Verhaftung gewarnt, konnte Goerdeler nach Westpreußen fliehen, wo er, zur Fahndung ausgeschrieben, alsbald erkannt, verraten und verhaftet wurde. Monatelang von der Gestapo vernommen, konnte er im Gefängnis Denkschriften zur Gemeindereform und politische Bekenntnisse verfassen, aus denen das Leipziger Monument zitiert. Im Prozess vor dem Volksgerichtshof wurde Goerdeler zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Zuvor hatte er notiert, und der Satz steht wie die anderen Zitate als Vermächtnis auf einer der Stufen auf dem Leipziger Denkmal: "Jeder Staat richtet seine (Kriegs)Verbrecher selbst…Anschließend gilt: Nie wieder Krieg in Europa".

In einer 1952 eingeweihten Gedenkstätte am Hüttigpfad in Plötzensee wird an Goerdeler und die vielen anderen Opfer der Nazi-Diktatur erinnert, die auf dem Gelände des aus der Kaiserzeit stammenden Zuchthauses hingerichtet wurden. Die Gedenkstätte in der Stauffenbergstraße (Berlin-Tiergarten) klärt über Vertreter und Ziele des deutschen Widerstands auf und setzt den Attentätern des 20. Juli 1944 ein ergreifendes Denkmal. Alljährlich finden am Jahrestag des gescheiterten Anschlags auf Hitler im Hof des Bendlerblocks, in dem Stauffenberg und einige seiner Mitstreiter erschossen wurden, Gedenkveranstaltungen statt.

16. Dezember 2017

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