Martin Luther und das Geld
Wie es dem Reformator gelang, in Wittenberg ein großes Haus zu führen, und was aus seinem Vermögen wurde



Das von Martin Luther verkündete Evangelium siegt auf dem kolorierten Einblattdruck aus der Zeit um 1550 mit göttlicher Hilfe über das Papsttum.



Auf dem Holzschnitt von 1611 ist das von der Familie Luther bewohnte Augustinerkloster mit dem Buchstaben I markiert.



Der silbervergoldete Deckelbecher aus der Zeit um 1540 ist eine in der Wittenberger Lutherhalle gezeigte Kopie, das Original befindet sich im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen. Im Inneren ist eine Luthermedaille mit der ins Deutsche übersetzten Inschrift "Im Schweigen und Hoffen wird eure Stärke sein" eingelegt.



Der Kupferstich aus dem Jahr 1617 bildet Martin Luther und Philipp Melanchthon sowie ihre kurfürstlichen Beschützer und am Fuß Gedenkmünzen aus Kursachsen und Worms zur Hundertjahrfeier der Reformation ab.



Als man 1617 in Sachsen hundert Jahre Reformation feierte, wurde dieser Taler mit dem Bildnis der Kurfürsten Johann Georg I. und Friedrich des Weisen geprägt, der nach 1517 seine Hand schützend über den Kirchenrebellen gelegt hatte.



Das goldene Taufkleinod von 1526 für Luthers Sohn Johannes besteht aus einer kostbar gefassten byzantinischen Goldmünze. (Fotos/Repros: Caspar)

Martin Luther kam 1508 nach Wittenberg als einfacher Mönch und starb 1546 als reicher Mann, nicht zuletzt weil er von Freunden und Verehrern Immobilien sowie Gold- und Silbersachen geschenkt bekam und seine Frau Katharina von Bora gut zu wirtschaften verstand. Das Vermögen schmolz nach Luthers Tod im Schmalkaldischen Krieg von 1546/47 dahin. Nur wenige Stücke aus Luthers Besitz blieben erhalten und werden in Wittenberg gezeigt.

"Ich habe ein Weib, drei Kinder und für 200 Gulden Becher. Aber das alles und mein Leben will ich lassen, ehe ich dem Wort Gottes etwas abbreche" - so sprach Martin Luther im Mai 1532. In den vierzehn Jahren bis zu seinem Tod anno 1546 vermehrte sich der Wert seines Edelmetallbesitzes, in dem die von Freunden und Verehrern geschenkten Becher dominierten, auf die damals enorme Summe von tausend Goldgulden, was etwa tausend Talern entsprach. Der Reformator, der als Mönch Besitzlosigkeit gelobt und Zurückhaltung gegenüber materiellen Gütern gepredigt hatte, sorgte gemeinsam mit seiner Frau Katharina von Bora für Rücklagen und hatte Freude auch an kostbaren Dingen.

Bei seinem Tod hinterließ der Kirchenrebell ein Vermögen von neuntausend Gulden, wobei das ihm von den sächsischen Kurfürsten übereignete Schwarze Kloster, die heutige Lutherhalle, auf sechstausend Gulden geschätzt wurde. Indes, der Witwe und den Kindern blieb nicht viel, denn das Vermögen schmolz in den Wirren des Schmalkaldischen Krieges zwischen der protestantischen Union und der katholischen Liga dahin. Katharina musste sich von Silberbechern und Goldketten trennen und die Immobilien unter ihrem Wert verkaufen. Luther hatte solche ewigen Werte erworben, weil er in bare Münze wenig Vertrauen setzte. Dies um so mehr, als er zusehen musste, wie in Kursachsen und speziell in der Universitätsstadt Wittenberg geprägtes Geld an Wert verlor und die Preise und Mieten stiegen. Da waren Gegenstände aus Edelmetall willkommen. Bei dem Nürnberger Patrizier und begeisterten Lutheraner Friedrich Pistorius bedankt sich der Reformator für eine Medaille mit folgenden Worten: "Ich freue mich, ehrwürdiger Herr, über die Silbermedaille mit Deinem Bild, womit ich Dich als einem Abwesenden doch bei mir behalten kann: Deine Seele nämlich sehe ich aus Deinen Briefen, Deinen Körper aber aus der Silbermedaille."

Wittenberger Steuerverzeichnis

Als Universitätsprofessor verdiente Martin Luther gut. Sein Gehalt begann bei hundert Gulden im Jahr und kletterte mit etlichen Zulagen auf rund 500 Gulden im Jahr 1545. Zum Vergleich erhielt ein sächsischer Handwerker einen Jahreslohn um 22 Gulden. König Christian III. von Dänemark ließ ihm 50 Taler zukommen, und auch andere Gönner spendeten der "Wittenbergischen Nachtigall" Geld und Güter aller Art. Hinzu kamen Naturalien in Form von Brennholz, Getreide und sogar Butter sowie Textilien. Beträchtlich war der Grund- und Hausbesitz der Familie. Im Wittenberger Steuerverzeichnis von 1542 werden das Wohnhaus, die heutige Lutherhalle, mit 6000 Gulden und ein weiteres Haus mit 420 Gulden veranschlagt. Hinzu kamen ein Garten vor der Stadt (500 Gulden), ein Feldgrundstück (90 Gulden) sowie Kühe, Kälber und Ziegen (34 Gulden).

Luther war kein armer Mann, wie er behauptete, sondern einer der reichsten Bürger in Wittenberg. Seine Briefe sind voll von Danksagungen an Gönner und Spender. Kurfürst Johann dem Beständigen von Sachsen schrieb er: "Auf dass ich aber Euer kurfürstlichen Gnaden dankbar sei, will ich auch Euer kurfürstlichen Gnaden zu Ehren den schwarzen Rock tragen, wie wohl er mir doch ja zu köstlich ist." Für einen silbernen Becher bedankte sich der Professor beim Fürsten Georg von Anhalt mit diesen Worten: "Es ist zu viel, dass mir Eure fürstliche Gnaden die silberne Kanne geschenkt haben, denn mir armen Bettler solche Pracht nicht anstehet." Einem anderen Bewunderer dankte er im Namen seiner Frau, die er "Herr Käthe" nannte, für eine Sendung gesalzener Fische. Überliefert sind Geschenke in Form von Wildbret, Hühnern und Fischen, aber auch Bier, Wein, Pelzwerk, Stoffen, Leuchtern, Uhren und immer wieder Kostbarkeiten aus Silber, die im Hause Luther dankbar in Empfang genommen wurden. Kein Geschenk ohne Gegengeschenk, doch konnten sich Martin und Katharina Luther nicht in ähnlicher Weise erkenntlich zeigen. Sie taten es mit guten Ratschlägen und Segenswünschen und gelegentlich auch mit Pflanzen und Früchten aus dem eigenen Garten. Sonst habe er nichts Seltsames anzubieten, schrieb er der Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg.

In seinem Testament von 1542 führte Luther Gegenstände aus Edelmetall und Juwelen im Wert von tausend Gulden auf, alles Ehrengeschenke, die er, wie damals üblich, als stille Reserven für Notzeiten betrachtete. Denn gelegentlich kam es auch im Hause Luther vor, dass Rechnungen für das Hausreparaturen, Reisen oder Ärzte nicht sogleich bezahlt werden konnten. Frau Käthe stockte das Familieneinkommen durch Vermietung von Kammern im Augustinerkloster an Studenten auf, wobei sie 15 Gulden pro Kopf und Jahr berechnete. Da die Zahl der Studenten nicht bekannt ist, die bei Luther wohnten, kann nicht gesagt werden, was da zum Professorengehalt noch hinzu kam. Nach Schätzungen mögen es 300 bis 600 Gulden gewesen sein, was etwa ein zweites Professorengehalt ergab. Für dieses Geld durften die Untermieter am Tisch des Hausherrn Platz nehmen. Da Lebensmittel und Getränke nicht umsonst zu haben waren, haben Historiker ausgerechnet, dass für Küche und Tafel um 500 Gulden pro Jahr aufgewendet wurden.

Bücher ohne Honorar

Es gehörte zu Luthers Lebensweise, dass er für seine Vorlesungen und Schriften kein Geld nahm. "Oft hat mich meine Frau überreden wollen, für Geld Vorlesungen zu halten, aber Gott kam mir zuvor durch meinen Kurfürsten. So habe ich mein Leben lang kein Manuskript verkauft oder eine Vorlesung für Geld gehalten. Den Ruhm will ich bei Gott mit ins Grab nehmen. Es ist genug, wenn wir Nahrung und Kleidung haben." In der Tat lehnte es der Reformator ab, ein Angebot von 400 Gulden pro Jahr für das Verlegen seiner Schriften anzunehmen. Das Geschäft machten andere. Dafür, dass Luther in der Stadtkirche Sankt Martin umsonst predigte, zeigten Bürgermeister und Rat erkenntlich, indem sie ihm einige tausend Ziegel und Kalk für den Mörtel zukommen ließen.

Bis heute wundern sich Historiker, wie es Martin Luther und seine Frau "Herr Käthe" vermochten, ihren doch recht kostspieligen Haushalt zu führen und die vielen Gäste zu bewirten, denn der Reformator war so etwas wie eine Sehenswürdigkeit, die man besucht haben musste, wenn man in Sachsen weilte und sich seiner Lehre zugehörig fühlte. Es war wohl das große Verdienst von Katharina, dass alles zur Zufriedenheit gedieh, denn Luther war die Beschäftigung mit Geld wohl zu schnöde und sein Kopf war gefüllt mit ganz anderen Problemen, als dass er sich auch noch um die Ein- und Ausgaben der Familie hätte kümmern können.

Zahlreiche Äußerungen belegen das tiefe Misstrauen des Theologen und Sprachschöpfers gegenüber allem, was Kaufleute, Geldwechsler und Geldverleiher tun. Sein besonderer Zorn richtete sich gegen "Geizwänste" und Wucherer, denen er den Strick an den Hals wünschte. In seinen Worten wird eine gewisse Unbeholfenheit des berühmten Wittenbergers gegenüber Dingen des Alltags deutlich, etwa wenn es darum ging, Schulden zu tilgen und Handwerker zu bezahlen. Gottvertrauen und die Geschäftstüchtigkeit von Katharina Luther, die so etwas wie die Finanzministerin der Familie war, halfen über Flauten hinweg, und wo es wirklich angesichts der recht stattlichen, aber angesichts des großen Haushaltes nie ausreichenden Einkünfte nicht weiter ging, war das Familienoberhaupt auch bereit, sich von silbernen Gefäßen zu trennen. "Liebe Käthe, haben wir kein Geld mehr, dann müssen die Becher hinterher. Man muss geben, wenn man etwas haben will".

Lutherhalle zeigt Münzen und Medaillen

Die Halsketten und Ringe, Pokale und Becher, Gemälde, Skulpturen und was sonst noch zu Luthers Besitz gehörte, sind bis auf bescheidene Reste verloren. Als größtes Reformationsgeschichtliches Museum der Welt und Gedenkstätte verfügt die Wittenberger Lutherhalle vor allem über Bilder, Handschriften und Druckwerke aus der Luther- und Nachlutherzeit sowie Devotionalien aus der Zeit nach Luthers Tod. Mehr als tausend Objekte erzählen in der Ausstellung vom Leben und Werk Martin Luthers, aber auch vom familiären Alltag im Lutherhaus, in dem der Kirchenrebell fast 35 Jahre zunächst als Mönch, später als Professor und als Familienvater mit Frau und Kindern lebte und viele Besucher und Bewunderer empfing. Nur wenig scheint den Wittenberger die rasante Entwicklung der Geldwirtschaft seiner Zeit interessiert zu haben, seine Rechnungen enthalten sogar Additionsfehler.

Die Lutherhalle besitzt eine bedeutende Sammlung von Münzen und Medaillen mit dem Bildnis von Martin Luther und seinen Mitstreitern vom 16. Jahrhundert bis an die Gegenwart. Von ihnen wird eine repräsentative Auswahl gezeigt. So ist es auch möglich nachzuempfinden, was im Geldkasten der Ablasshändler klapperte, gegen die Luther mit seinen vor genau 500 Jahren veröffentlichten 95 Thesen gewettert hatte, und womit "Herr Käthe" einkaufte und Rechnungen bezahlte. Die zum Teil recht aufwändig gestalteten Luthermedaillen sind ausdrucksstarke Beispiele für die große Verehrung, die der Reformator im Heiligen römischen Reich deutscher Nation und darüber hinaus in jenen Staaten genoss, die sich seiner Lehre angeschlossen hatten. Vor allem Hundertjahrfeiern gaben dem Kult um Luther immer wieder lebhafte Impulse. So war es 1617, 1717, 1817 und 1917, im vorletzten Jahr des Ersten Weltkriegs, als man durch zahllose Gedenktaler und Medaillen an den Wittenberger Thesenanschlag von 1517 erinnerte. Darüber hinaus sind Prägungen zum Gedenken an die Augsburger Konfession von 1530 und weitere Ereignisse bekannt. Beliebt und begehrt sind Gedenkmünzen aus Silber und Gold, die die sächsischen Kurfürsten, die sich als Beschützer Luthers und seiner Lehre verstanden, in Auftrag gaben. Auf den Talern, Halbtalern und Dukaten ist der Reformator selber nicht dargestellt, weil auf regulären Münzen nur der Landesherr erscheinen durfte. Dafür aber nehmen die Aufschriften eindeutig Stellung. All diese Prägestücke bilden ein interessantes Sammelgebiet, zu dem es seit dem 18. Jahrhundert eine anwachsende Katalogliteratur gibt.

Beim Rundgang sieht und erlebt man, wie es an Luthers Tisch zuging und was dort gesprochen wurde. Man kann im Geiste die Kanzel besteigen, von der Luther gepredigt hat und auch die einfache Mönchskutte betrachten, die seinen Körper umschloss. Wer sich umschaut sieht auch, was in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts bei Adelsleuten und im gehobenen Bürgertum in Zimmern gestanden und an Wänden gehangen hat, womit man Hals und Finger verziert hat, was gelesen und geschrieben wurde und wie sich Kindererziehung aussah. Für Luther war es im Übrigen kein Widerspruch, gegen Geizhälse, Wucherer und andere Menschheitsverderber, wie er sagte, zu polemisieren und gelegentlich Geschenke aus Erträgen "angelegter" Kapitalien anzunehmen.

In Wittenberg lädt ein 360-Grad-Panorama zu einem virtuellen Gang durch die kurfürstliche Residenz- und Universitätsstadt während der Lutherzeit ein. Von Yadegar Asisi unter Zuhilfenahme historischer Ansichten und Porträts sowie von Kostümen und anderen Gegenständen geschaffen, belebt das farben- und figurenreiche Rundbild die im 19. Jahrhundert populäre und nach dem Aufkommen des Kinos in Vergessenheit geratene Tradition solcher Panoramen neu. Schon vorher hat Asisi künstliche Welten in Berlin (Antikes Pergamon und Berliner Mauer) und Leipzig (Völkerschlacht von 1813) kreiert und damit viel Bewunderung geerntet. Weitere Panoramen entführen die Besucher in das antike Rom, nach Amazonien, auf den Mount Everest, in das von Bomben zerstörte Dresden und an andere Orte.

22. Februar 2017

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