Morgenthaus Plan verschwand in der Schublade
Ideen des US-Finanzministers zur Umwandlung des Deutschen Reichs in einen Agrarstaat wurden aufgegeben, ehe sie in Kraft gesetzt wurden



Für die Zukunft der vier Besatzungszonen im ehemaligen Deutschen Reich hatten die Siegermächte unterschiedliche Pläne und Konzepte.



Die US-amerikanische Hilfe durch den Marshallplan kam nur in den westlichen Besatzungszonen an, Stalin verweigerte sie seinem Herrschaftsbereich.



Die Währungsreform ebnete im Juni 1948 den Weg der Westdeutschen in die Marktwirtschaft. Die alte Reichsmark hatte ausgedient, und kaum gab es die Deutsche Mark, da gab es auch Waren und Angebote, die man lange vermisst hatte.



Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, immer mit dicker Zigarre, präsentiert 1957 sein Buch "Wohlstand für alle". (Repros: Caspar)

Bei der Verkündung des Marshallplans zum Wiederaufbau der Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg war eine Idee vom September 1944 vergessen, der nach dem US-Finanzminister Henry Morgenthau jr. benannte Morgenthauplan. Im September 1944 hatte der Politiker vorgeschlagen, aus dem nationalsozialistischen Deutschland, wenn es Zukunft erobert und besetzt sein wird, ein entmilitarisiertes Agrarland zu machen, das niemals mehr in der Lage sein wird, einen Krieg zu beginnen und zu führen. "Ich würde jedes Bergwerk, jede Fabrik zerstören. Ich bin dafür, dass das alles erst einmal vernichtet wird. Dann können wir uns über die Bevölkerung den Kopf zerbrechen", sagte der Finanzminister zu seinem Staatssekretär Harry Dexter White. Der Morgentauplan sah die Zerstückelung des Deutschen Reichs, die Demontage seiner Fabriken und die Unterwerfung der Bewohner unter den Willen der Sieger vor.

Nachdem der Geheimplan in die amerikanische Presse gelangt war und dort entrüstete Reaktionen hervor gerufen hatte, sahen sich US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill genötigt, sich von den politisch riskanten Vorschlägen zu distanzieren. Churchill wollte vermeiden, dass sich England an einen "Leichnam" kettet, womit das in Trümmern liegende Hitler-Reich gemeint war. Die Deutschen auf ein vorindustrielles Niveau herabzudrücken, hätte über kurz oder lang zu neuen Konflikten geführt und die Wut der zu Armut, Elend und Unmündigkeit verdammten Menschen angestachelt, waren einsichtige Politiker überzeugt. Bei der Verwirklichung des Morgenthauplans war auch zu befürchten, dass das untergegangene Dritte Reich und sein Führer Adolf Hitler verklärt werden und die Verbrechen der Nationalsozialisten schnell in Vergessenheit geraten könnten.

Für die NS-Propaganda waren die Ideen des US-Finanzministers ein gefundenes Fressen. Propagandaminister Joseph Goebbels schlug unter Hinweis auf die geplante Versklavung der Deutschen die antijüdische Trommel und rief zu noch größeren Anstrengungen im Kampf für den "Endsieg" auf. Nach dem Untergang des NS-Staates diente der Morgenthauplan Alt- und Neonazis antiamerikanischer und antisemitischer Hetze. Doch auch in der DDR wurde er im Zeichen des Kalten Kriegs für die Propaganda gegen die USA und ihre westdeutschen Verbündeten mit Bundeskanzler Konrad Adenauer an der Spitze instrumentalisiert.

Wohlstand für alle

Das ganze Gegenteil des Morgenthauplans war der nach dem US-Außenminister George C. Marshall benannte Marshallplan von 1947. Er sah eine milliardenschwere Wirtschaftshilfe für die am schwersten vom Zweiten Weltkrieg betroffenen Länder einschließlich Deutschlands vor. Da es Stalin für die Sowjetische Besatzungszone beziehungsweise ab 1949 die DDR und die anderen unter kommunistischer Herrschaft stehenden Ostblockstaaten ablehnte, Hilfsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, dauerte es dort viel länger und war auch viel schwerer, sich von den Kriegsfolgen zu erholen als in den Ländern der westlichen Hemisphäre. Zwei Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus pumpten die USA große Dollarbeträge in die westlichen Besatzungszonen des ehemaligen Deutschen Reichs und legten damit den Grundstein für das spätere Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Erholung ist mit dem damaligen Wirtschaftsminister in der Regierung Adenauer, Ludwig Erhard, verbunden. Sein Ziel, "Wohlstand für alle" zu erreichen und damit auch den Staat zu konsolidieren, war eine gigantische, mit harter Arbeit, viel Verzicht der Bundesbürger auf Erfüllung persönlicher Wünsche und manchen Rückschlägen verbundene historische Leistung.

Am 4. Juni 1947 hatte Marshall, bisher Chef des Generalstabs der US-Army, an der Harvard Universität einen Vortrag gehalten, in dem er sich für ein umfangreiches Programm zum Kampf gegen Hunger, Armut und Verzweiflung aussprach. Dreizehn Milliarden Dollar sollten im Rahmen des Marshallplans in sechzehn hilfsbedürftige Länder, darunter auch Großbritannien, Frankreich und Italien sowie das ehemalige Deutsche Reich, investiert werden. Es ging um riesige Warenlieferungen, zum Teil nicht rückzahlbare Kredite sowie Aufträge an die Wirtschaft der betroffenen Länder. Die Hilfsaktion geschah nicht ganz uneigennützig, denn den USA fehlten leistungsfähige Handelspartner in Europa. Zum anderen belasteten die hohen Besatzungskosten den amerikanischen Staatshaushalt. Daher galt: je schneller die Konsolidierung in Westeuropa, um so besser auch für die amerikanische Sicherheit. Denn die USA befürchteten, die Sowjetunion könnte instabile Verhältnisse in Westeuropa dazu ausnutzen, ihren Einfluss über ihren bis Elbe und Oder reichenden Machtbereich auszudehnen. Der Marshall-Plan lief 1948 an, bis 1952 wurden insgesamt rund 12,4 Milliarden Dollar bereitgestellt. Davon flossen 1,5 Milliarden Dollar nach Westdeutschland. . Ziel war es, hier die "Lokomotive der europäischen Wirtschaft" unter Dampf zu setzen.

Stalin lehnte westliche Hilfe ab

Großbritannien und Frankreich waren als Verbündete der USA und Besatzungsmächte vom Aufschwung zwischen Rhein und Elbe wenig begeistert, fürchteten sie doch ein wirtschaftlich und politisch starkes, zudem noch hoch gerüstetes Deutschland, das sich - wie gehabt - schon bald zum Beherrscher Europas aufschwingen würde. Die Geschichte zeigt, dass solche Ängste unbegründet waren. Während in der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise DDR alles demontiert wurde, was nicht niet- und nagelfest war und sich über den sowjetischen Herrschaftsbereich hinter dem "Eisernen Vorhang" Eiseskälte legte und dort die sozialistische Planwirtschaft nicht auf die Beine kam, gelangten die unter westlichem Einfluss stehenden Länder, allen voran die junge Bundesrepublik Deutschland, auf Grund des Marshallplans und der von Erhard ausgerufenen sozialen Marktwirtschaft wieder zu Kräften.

Auf Druck des sowjetischen Diktators Josef Stalin mussten die osteuropäischen Regierungen, obwohl sie an amerikanischer Hilfe interessiert waren, die Teilnahme an einer Marshallplan-Konferenz in Paris absagen. In der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR wurde gegen den Marshallplan als Mittel zur deutschen Spaltung gehetzt und behauptet, mit ihm mache sich "Westdeutschland" zum Sklaven des amerikanischen Imperialismus. Angeblich würde sich die wirtschaftliche Situation im Osten Deutschlands durch Zuwendungen aus dem Westen verschlechtern, dort schreite der Wiederaufbau mit eigener Kraft im Zeichen der deutsch-sowjetischen Freundschaft planmäßig und effektiv voran, was aber eine faustdicke Lüge war.

Voraussetzung für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des westlichen Deutschland war die Schaffung einer neuen Währung. Mit der Einführung der D-Mark am 21. Juni 1948 wurden Löhne, Gehälter und Mieten im Verhältnis 1:1 umgewertet, hingegen verloren Sparguthaben an Wert. Da durch die neue Währung auch die Preisbindung entfiel, war ein wichtiger Schritt zur Marktwirtschaft eingeschlagen. Tatsächlich sind schon am nächsten Tag die Schaufenster mit zum Teil bis dahin gehorteten Waren prall gefüllt, und auch der Schwarzmarkt wurde nicht mehr gebraucht.

18. Oktober 2017

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