Grausiger Ort des Massensterbens
Gedenkstätte Ravensbrück erweitert ihre Dokumentation über die Geschichte des ehemaligen Konzentrationslagers



Was sich im KZ Ravensbrück abspielte, wird in einer hoch emotionalen Ausstellung dokumentiert. Das Foto zeigt ein von Rosen bedecktes Massengrab.



Mit solchen Eisenloren mussten die Gefangenen schwere Steine transportieren, und manche erlagen dabei dem Prinzip "Vernichtung durch Arbeit".



Auf dem Weg zur Gedenkstätte erinnern Skulpturen wie diese an die Leiden und das Sterben der KZ-Insassen und die unter ihnen geübte Solidarität.



Im ehemaligen Zellenbau und an anderen Stellen erfahren Besucher, wer die Opfer der NS-Willkür und wer die Täter waren.



Die Nationalsozialisten machten kein Hehl daraus, dass es im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten Konzentrationslager gibt, und sie schürten mit Drohungen, dort eingewiesen zu werden, Angst und Schrecken. (Fotos: Caspar)

Die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück wird bis 2020 um wesentliche Bereiche auf dem ehemaligen Frauen-Konzentrationslager erweitert. Wie Gedenkstättenleiterin Insa Eschebach bei der Vorstellung der Pläne für den rund 10 Hektar großen südlichen Lagerbereich erklärte, wird damit das gesamte historische Lagerareal innerhalb der früheren Lagermauer erfasst. Mit der Einbeziehung dieses Areals soll der tatsächliche Umfang des ehemaligen Häftlingslagers für die Besucherinnen und Besucher sichtbar und erfahrbar werden. In ihm waren zeitweise bis zu 50 000 Frauen, Männer und Kinder gleichzeitig untergebracht. Vera Dehle-Thälmann betonte als Sprecherin der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e. V. "Die Überlebenden des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück wünschen sich schon seit vielen Jahren, dass endlich das gesamte Lagerareal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Dass dieser Schritt jetzt getan wird, freut uns sehr."

Im südlichen Lagergelände befanden sich die seit 1940 errichteten Erweiterungsbauten des Häftlingslagers, bestehend aus drei zusätzlichen Barackenreihen. Hier stand auch ein im Herbst 1944 errichtetes Zelt, in dem 4.000 Frauen zusammengepfercht wurden. Infolge der von der SS veranlassten systematischen Verelendung der Gefangenen wurde es zu einem besonders grausigen Ort des Massensterbens. Auf dem Südgelände befanden sich außerdem das 1941 errichtete Männerlager, in dem etwa 20.000 Männer aus ganz Europa inhaftiert waren, sowie das SS-Bekleidungswerk. Von den historischen Gebäuden sind heute nur noch Bodenplatten, Keller und Fundamente vorhanden.

Menschliche Versuchskaninchen

Insgesamt waren 132 000 Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder aus mehr als 40 Nationen im KZ Ravensbrück und seinen Außenstellen inhaftiert, unter zahllose Juden sowie Sinti und Roma. Zehntausende weibliche und männliche Häftlinge gingen bei körperlich außerordentlich anstrengenden Arbeiten zugrunde. SS-Ärzte ließen zahlreiche zu "Versuchskaninchen" abgestempelte weibliche Häftlinge bei pseudomedizinischen Experimenten qualvoll sterben oder fügten ihnen bleibende Schäden zu. SS-Ärzte waren darüber hinaus auch in Ravensbrück an der systematischen Ermordung von so genannten Ballastexistenzen im Rahmen der so genannten Euthanasie beteiligt. Historiker gehen davon aus, dass etwa 6000 dieser "unnützen Esser" selektiert und ermordet wurden. Erst als gegen Ende des Krieges der Arbeitskräftemangel so groß war, dass auch kranke und schwache Häftlinge in den umliegenden Rüstungsbetrieben benötigt wurden, hat man diese Morde eingestellt. In ihrem Buch "Ohne Haar und ohne Namen. Im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück" hat Sarah Helm dargestellt, wie die Gefangenen gequält, gedemütigt, missbraucht und durch systematisches Aushungern, Giftinjektionen und die Verweigerung medizinischer Hilfe ermordet wurden (siehe Eintrag auf dieser Internetseite 2016/Geschichte).

Die 1959 eröffnete Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück befand sich außerhalb der historischen Lagermauern, da weite Teile des historischen KZ-Komplexes seit der Befreiung im April 1945 von der Roten Armee genutzt wurden. Nach dem Abzug der Besatzungsmacht 1994 wurden zunächst die zuerst errichtete sogenannte Lagerstraße 1 mit zwei Barackenreihen und Teile des Industriehofes mit den Hallen der Textilfabrik in die Gedenkstätte integriert. Das jetzt hinzukommende Südgelände wurde 2015 in das Eigentum der Gedenkstättenstiftung übernommen. Zuvor hatte der bisherige Eigentümer, die Brandenburgische Bodengesellschaft, im Rahmen von Konversionsmaßnahmen umfangreiche Überformungen aus der Zeit der militärischen Nutzung beseitigt sowie kontaminierte Kellerbereiche von giftigem Ölschlamm beräumt und dauerhaft verfüllt.

Nach dem Abschluss der Planungen bis Ende dieses Jahres sollen die Baumaßnahmen 2018/19 umgesetzt werden. Das von der Gedenkstättenleiterin Insa Eschebach als zurückhaltend beschriebene Gestaltungskonzept kennzeichnet die vorhandene Wege und sieht die Anlage neuer Wege vor. Außerdem sollen im Rahmen des derzeitigen Besucherleitsystems 40 weitere Informationstafeln die Besucher durch das Südgelände begleiten. Die Gesamtkosten für die Um- und Neugestaltung belaufen sich auf 700.000 Euro, die jeweils zur Hälfte vom Land Brandenburg und von der Bundeskulturbeauftragten zur Verfügung gestellt werden.

Eine der wichtigsten Bildquellen zur Geschichte des KZ Ravensbrück ist ein repräsentatives Album mit 92 Fotografien, das die SS 1940/41 anfertigen ließ und heute in der Gedenkstätte Ravensbrück aufbewahrt wird. Die Fotografien sollten den Ausbau der Lager, besondere Gebäude und den "produktiven Einsatz der Häftlinge" dokumentieren. Sie erwecken den Anschein von Ordnung und Effizienz, doch beweisen Berichte von Überlebenden, heimlich angefertigte Zeichnungen und andere Quellen, dass auch in Ravensbrück das menschenfeindliche Prinzip "Vernichtung durch Arbeit" von der SS brutal durchgesetzt wurde.

Lager für angeblich schwer erziehbare Mädchen

Zum KZ Ravensbrück gehörte auch das Konzentrationslager Uckermark, in dem zahlreiche Mädchen und junge Frauen gefangen gehalten wurden. Das Gelände, das im Nazi-Jargon euphemistisch nur "Jugendschutzlager" hieß, diente in den letzten Kriegmonaten auch als Ort, an dem weibliche Häftlinge in großen Zahlen zum Sterben gebracht wurden. Zu Unrecht wird das KZ Uckermark als "vergessenes" Konzentrationslager bezeichnet, weshalb die Gedenkstätte alles tut, die dort verübten Verbrechen öffentlich zu machen. Im KZ Uckermark wurden 1200 junge Frauen und Mädchen zumeist auf Antrag von Jugendämtern, Heimen oder Jugendgerichten durch die Reichszentrale zur Bekämpfung der Jugendkriminalität des Reichskriminalpolizeiamtes interniert. Weitere Haftgründe waren rassistischer und gesundheitspolitischer Art sowie angebliche sexuelle Verwahrlosung. Man konnte auch unter der Anschuldigung eingewiesen werden, renitent und nicht erziehbar zu sein oder sich der Arbeit zu verweigern. Die Gestapo wies außerdem junge Frauen und Mädchen in das Lager Uckermark wegen der Unterstützung von Widerstandsgruppen, oppositioneller Haltung sowie unter dem Vorwurf des "Geschlechtsverkehrs mit Fremdvölkischen" ein. Viele Gefangene kamen aus Fürsorgeeinrichtungen in das Lager, in dem sie unter extrem schlechten Lebensbedingungen und mangelhafter ärztlicher Betreuung Zwangsarbeit leisten mussten. Im Juni 1944 wurde ein Nebenlager in Dallgow-Döberitz bei Berlin eingerichtet, in das Mädchen, die sich in Uckermark "bewährt" hatten, gebracht wurden.

Bisher ist über die Haftbedingungen im Lager Uckermark kaum etwas bekannt. Man weiß nur, dass es da eilig erbaute Holzbaracken gab, die bald nach der Befreiung durch die Rote Armee abgerissen wurden. Für die Zahl der ums Leben gekommenen Frauen nach Umwandlung in ein Sterbe- und Selektionslager im Januar 1945 gibt es nur vage Schätzungen, da keine Bilder oder Dokumente überliefert sind. Die ehemalige Leiterin Lotte Toberentz und ihre Stellvertreterin Johanna Braach wurden 1948 beim Dritten Ravensbrück-Prozess in Hamburg freigesprochen und durften in der westdeutschen Kriminalpolizei weiter arbeiten. Die in den 1950-er und 1960-er Jahren eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden aufgrund der damaligen Verjährungsfristen für Misshandlungen und Körperverletzungen eingestellt. Die westdeutsche Justiz hat die Todesfälle unter den Häftlingen nicht als Mord gewertet. Seit 2009 erinnert ein Gedenkstein mit umlaufendem Schriftband an die Opfer des Nationalsozialismus im KZ Uckermark.

9. Februar 2017



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