"Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck!"
Von Verfolgung und Tod bedrohte Juden organisierten Selbsthilfe und unterstützten einander bei der Auswanderung, so lange sie möglich war



Die ausgegrenzten und vom Tod bedrohten Juden machten sich selber Mut, wie die Anzeige im Jüdischen Gemeindeblatt vom 4. September 1938 mit Mitgliedern einer Berliner Theatergruppe zeigt.



Juden wurden in übelster Stürmer-Manier verhöhnt und zu Volksfeinden erklärt. Diese Hetze trug dazu bei, dass vielen Menschen Mitgefühl und Solidarität abhanden kamen. Doch nicht alle wandten sich ab, sondern haben als "stille Helfer" den Verfolgten beigestanden.



Die nationalsozialistischen Rassengesetze unterschieden genau, wer Voll-, Halb- und Vierteljude ist und bei wem eine Ehe gestattet beziehungsweise verboten ist. Überall hingen in Amtsstuben und an anderen Orten solche Plakate aus.



Die Schrifttafel aus Bronze am Eingang des Jüdischen Krankenhauses in der Heinz-Galinski-Straße 1 nennt wichtige Daten aus der Geschichte dieser Einrichtung.



Die Gedenktafel am Haus Schönhauser Allee a-c direkt am Jüdischen Friedhof weist darauf hin, dass hier alte und mittellose Juden ihren Lebensabend verbringen konnten, bis die Versorgungsanstalt von den Nazis 1942 geschlossen und die letzten Insassen nach Theresienstadt in den sicheren Tod deportiert wurden. (Fotos/Repros: Caspar)

Der systematischen Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten setzten sich jüdische Organisationen, Verbände und Ausschüsse zur Wehr, so weit sie es konnten. Sie unternahmen große Anstrengungen, um die Folgen der Rassengesetze und terroristischen Übergriffe durch die SA, SS und Gestapo zu lindern und Mitgliedern bei der Auswanderung zu helfen, solange dies möglich war. Die jüdische Selbsthilfe wurde durch Spenden und Mitgliedsbeiträge von Mitgliedern der jüdischen Gemeinden durch sowie durch Zuwendungen aus dem Ausland finanziert. Zahlreiche kulturelle Veranstaltungen von Ausstellungen über Konzerte bis zu Theatervorstellungen stärkten das Gemeinschaftsgefühl und den Selbstbehauptungswillen der Juden, von denen viele erst spät und oft genug zu spät erkannten, in welch lebensgefährlicher Lage sie sich befanden.

Zu den wichtigsten Selbsthilfeorganisationen gehörten der "Kulturbund der Deutschen Juden" sowie jüdische Sportvereine. Gegen die tagtägliche Diskriminierungen und Ausgrenzung gingen Zeitungen ungeachtet der Restriktionen durch die NS-Zensur und mit klug gewählten Worten die "Jüdische Rundschau" an. Im April 1933 rief sie angesichts des Boykotts jüdischer Geschäfte dazu auf, "Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck!". Der im gleichen Monat ins Leben gerufene Zentralausschuss für Hilfe und Aufbau unter Vorsitz des prominenten Rabbiners Leo Baeck half bei der finanziellen Unterstützung der in Not geratenen Gemeindemitglieder, die durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums und weitere diskriminierende Maßnahmen Arbeit und Lebensunterhalt verloren hatten. Im Zentralausschuss waren der Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, die Zionistische Vereinigung für Deutschland, der preußische Landesverband jüdischer Gemeinden, die Jüdische Gemeinde zu Berlin oder der Jüdische Frauenbund Zentralausschuss vertreten.

Arbeistvermittlung sowie Alten- und Krankenpflege

Weitere Hilfsmaßnahmen bestanden in der Vergabe von Darlehen, der Arbeitsvermittlung, Alten- und Krankenpflege und der Kriegsopferfürsorge. Da Juden vom nationalsozialistischen Winterhilfswerk (WHW) ausgeschlossen waren, wurde 1935 das Jüdische Winterhilfswerk gegründet. Die Reichsvertretung der deutschen Juden baute das jüdische Schulwesen aus, weil jüdischen Kindern der Besuch von "arischen" Schulen verwehrt wurde, außerdem gab es jüdische Kinderheime und Waisenhäuser. Bereits 1937 besuchte mehr als die Hälfte der jüdischen Schüler eine solche Einrichtung. Ein Jahr später waren diese nur noch auf jüdische Schulen angewiesen.

Solange noch die Auswanderung gegen Zahlung hoher Freikaufsummen gestattet war, war die jüdische Selbsthilfe bei der Vorbereitung und Durchführung zur Stelle. Das Palästinaamt, der Hilfsverein der deutschen Juden, die Hauptstelle für jüdische Wanderfürsorge und weitere Stellen halfen, von der Gestapo misstrauisch beobachtet und streng kontrolliert, bei der Beschaffung von Ausreiseerlaubnissen und Visa. Außerdem unterstützten sie Menschen, die nicht das vom Staat geforderte Geld für die Ausreise vorweisen konnten. Für Ausreisewillige wurden Beratungsstellen eingerichtet, Informationsmaterialien gedruckt sowie Aus- und Weiterbildungskurse angeboten, durch die auf das Leben in Palästina und anderen Ländern vorbereitet wurde (siehe Eintrag über die Jüdische Bauschule auf dieser Internetseite vom 22. Mai 2017). Bis zum Verbot der jüdischen Auswanderung im Oktober 1941 leisteten diese und weitere Organisationen wichtige Beiträge zur Rettung von Juden vor dem Holocaust. Im Zusammenhang mit der Deportation von Juden in die Konzentrations- und Vernichtungslager hat die Gestapo jüdische Gemeinden zur Anfertigung von Namenslisten gezwungen und genötigt, in Wort und Schrift auf die zur "Abwanderung" vorgesehenen Männer, Frauen und Kinder beruhigend einzuwirken.

Unweit des Jüdischen Friedhofs befand sich in der Schönhauser Allee 22 a-c ein Altersheim der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Die meisten seiner Bewohner wurden am 17. August 1942 mit dem ersten "Großen Alterstransport" nach Theresienstadt deportiert und dort sowie in anderen Konzentrationslagern ermordet. In das Haus wurden ukrainische Zwangsarbeiter einquartiert. In der DDR befand sich hier eine Inspektion der die Volkspolizei, und auch nach dem Ende der DDR hatte die Berliner Polizei hier Dienststellen. Das nach jahrelangem Leerstand sanierte Gebäude ist heute ein Wohnhaus.

Krankenhaus als Getto missbraucht

Die Anfänge des heutigen Jüdischen Krankenhauses an der heutigen Heinz Galinski-Straße im Berliner Bezirk Wedding gehen auf das Jahr 1756 zurück, als in Berlin das erste Judenlazarett an der Oranienburger Straße errichtet wurde. Das von der Jüdischen Gemeinde getragene Haus war seinerzeit das einzige größere, von Juden geführte Hospital in Preußen und dem damaligen römisch-deutschen Reich. Da mit den Jahren die Räumlichkeiten nicht ausreichten, zog das Krankenhaus 1861 in die Auguststraße unweit der 1866 eingeweihten Neuen Synagoge im heutigen Bezirk Mitte. Das Jüdische Krankenhaus genoss sowohl bei Juden als auch bei Nichtjuden einen hervorragenden Ruf. Das hatte zur Folge, dass die Patientenzahlen stetig anstiegen und auch hier der Platz bald rar wurde. So zog man 1914 nach Berlin-Gesundbrunnen in einen Klinikneubau an der Exerzierstraße um, in der heutigen Iranischen Straße.

Gleich nach der Errichtung der Nazidiktatur 1933 wurde dem Jüdischen Krankenhaus die Aufnahme von "Ariern" verboten, und die nichtjüdischen Mitarbeiter mussten das Haus verlassen. Immer wieder stand das Krankenhaus vor der Schließung, und mehrfach wurde es geplündert. Im Laufe der Jahre wurde die Anlage in ein jüdisches Ghetto umgewandelt und als Sammellager zum Abtransport von Berliner Juden in die Konzentrationslager missbraucht. Als das Krankenhaus im April 1945 durch die Rote Armee befreit wurde, hielten sich dort noch rund 370 Patienten und knapp eintausend unter menschenunwürdigen Bedingungen internierte Personen auf.

Nachdem die Sowjetsoldaten abgezogen und waren und in der ehemaligen Reichshauptstadt das zuvor von den Alliierten beschlossene Besatzungsregime durchgesetzt war, befand sich das Krankenhaus im Französischen Sektor der Stadt. Schnell wurde der reguläre Betrieb wieder aufgenommen, und seitdem wurde das Jüdische Krankenhaus zwischen der Iranischen Straße und der nach dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Heinz Galinski genannten Heinz-Galinski-Straße nach dem Zweiten Weltkrieg durch zahlreiche neue Krankenhausbauten ergänzt.

24. Mai 2017



Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"