"Wollt ihr den totalen Krieg?"
Vom Sportpalast erzählt an der Potsdamer Straße nur noch eine Gedenktafel





Eine bronzene Gedenktafel berichtet aus der Geschichte des Berliner Sportpalasts, das in der Kaiserzeit errichtete Gebäude ist als kleines Relief extra abgebildet.



In der Topographie des Terrors zeigt ein Foto den Saal, in dem Propagandaminister Goebbels am 18. Februar 1943 vor ausgesuchtem Publikum den "totalen Krieg" ausrief.



> Goebbels schwor die Deutschen auf den "Endsieg" ein, doch am Ende war nur Tod, Leid und Elend, und in der Tat war Berlin 1945 nicht mehr wieder zu erkennen.




Auf dem Gelände des früheren Sportpalasts erhebt sich der so genannte Sozialpalast oder Palasseum. Der riesige Wohnblock im Ortsteil Schöneberg für etwa 2000 Menschen hat sich mit der Zeit zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt, von seinem zur Erbauungszeit gelobten Charme ist nicht viel übrig geblieben. (Fotos/Repro: Caspar)

Der 1909/10 nach Plänen des Architekten Hermann Dernburg für etwa 10 000 Zuschauer erbaute Sportpalast an der Potsdamer Straße im Berliner Ortsteil Schöneberg erlangte als Ort des Sechstagerennens sowie von Boxkämpfen, Eisschnellläufen, Reitturnieren und anderen prominent besetzten Veranstaltungen nationale und internationale Berühmtheit. Der riesige Saalbau war zeitweilig auch das größte Kino der Stadt. Unrühmlich ging die Riesenhalle als Tribüne für Reden von NS-Größen vor großem Publikum in die Geschichte ein. Vor allem die Sportpalastrede, in der Propagandaminister Joseph Goebbels am 18. Februar 1943 die Deutschen mit der Frage "Wollt ihr den totalen Krieg" zu größten Anstrengungen für den Endsieg aufrief, ist unauslöschlich in das Gedächtnis eingebrannt.

Den Nazis war der Sportpalast bestens bekannt, denn er wurde während der Weimarer Republik von ihnen und anderen Parteien für Parteitage und andere Veranstaltungen angemietet. Nachdem der Freistaat Preußen ein gegen Hitler ausgesprochenes Redeverbot aufgehoben hatte, konnte der Führer der NSDAP am 16. November 1928 im Berliner Sportpalast eine Rede halten. Sein damaliger Gauleiter Joseph Goebbels bezeichnete das Haus begeistert als "unsere Tribüne". Von nun an war die Halle der bevorzugte Ort von Auftritten der Naziprominenz.

Stalingrad - die Wende im Zweiten Weltkrieg

Als am 2. Februar 1943 in Stalingrad die 6. Armee der deutschen Wehrmacht unter der Führung von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus kapitulierte, waren Hitler und seine Gefolgsleute außer sich vor Wut und übten blutige Rache an Familienangehörigen derer, die sich ergeben hatten und zum Kampf gegen das NS-Reich aufriefen. Den von der Roten Armee eingeschlossenen, durch grimmige Kälte und Hunger erschöpften deutschen Soldaten und ihren Kommandeuren hatte Hitler die Aufgabe der hart umkämpften Stadt an der Wolga strikt verboten. 100 000 deutsche Soldaten starben qualvoll, 90 000 gerieten in sowjetische Gefangenschaft, aus der nur 6 000 in die Heimat zurückkehrten.

Stalingrad bedeutete die Wende im Zweiten Weltkrieg. Die Nachricht über die Katastrophe an der Wolga wurde in den Zeitungen und der Wochenschau mit der Aufforderung verkündet, alle Reserven für den "Endsieg" zu mobilisieren und jeder Art von Kriegsmüdigkeit strikt zu begegnen. In diesem Sinne hielt Propagandaminister Goebbels am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast vor ausgesuchtem Publikum eine Rede, in der er den totalen Krieg verkündete und die Volksgenossen auf die unbedingte Gefolgschaft für Hitler einschwor und sie zum letzten Gefecht aufrief. Höhepunkt der im Rundfunk übertragenen und ausgiebig in der Presse zitierten Sportpalast-Rede unter dem Motto "Totaler Krieg - kürzester Krieg" war Goebbels' Frage an seine sorgfältig ausgesuchten Zuhörer "Wollt ihr den totalen Krieg". Wie nicht anders zu erwarten war die Antwort ein vielstimmiges "Ja", das von der Nazi-Propaganda als eine Art Volksabstimmung für Hitlers Kriegskurs gewertet wurde.

An die "Volksgenossen" gewandt, erklärte Goebbels, der totale Krieg sei das Gebot der Stunde. Jetzt müsse Ende sein mit bürgerlichen Zimperlichkeiten, das Volk sei mit seiner Führung entschlossen, nunmehr zur radikalsten Selbsthilfe zu greifen. Rücksichten auf Stand und Beruf würden nicht genommen, Arm und Reich und Hoch und Niedrig müssten in gleicher Weise beansprucht werden. Jetzt gelte der Grundsatz "Räder müssen rollen für den Sieg", aber Theater, Kinos, Musiksäle sowie Sportveranstaltungen würden weiter im Betrieb bleiben. Indem Goebbels den Sieg als "greifbar nahe" beschrieb, dürfte er sich klar darüber gewesen sein, dass der Krieg nicht mehr gewonnen werden kann. Seine Skepsis vertraute der Minister nur seinem Tagebuch an, das erst nach dem Krieg veröffentlicht wurde.

Zerstörung und Neuaufbau

Nach der Rede wurden letzte Reserven mobilisiert, die Kriegsmaschine lief auf Hochtouren, Frauen mussten an der Seite unzähliger Zwangsarbeiter in den Rüstungsfabriken unter ständiger Bedrohung durch Luftangriffe Dienst tun. Ab September 1944 wurden im Volkssturm alle bisher noch nicht kämpfenden Männer zwischen 16 und 60 Jahren für die Verteidigung der Heimat rekrutiert, sofern sie irgendwie dafür geeignet waren.

Auf den Tag elf Jahre nach der Errichtung der NS-Diktatur wurde der Sportpalast am 30. Januar 1944 durch einen Bombenangriff zerstört. Ähnlich wie die ebenfalls schwer getroffene Staatsoper Unter den Linden wurde die Ruine wegen der politischen Symbolik geräumt und so weit wiederhergestellt, dass dort im Winter 1944/1945 öffentliche Eiskunstlaufvorführungen stattfinden konnten, wenn auch unter freiem Himmel. Schneller als die meisten Häuser in der Umgebung wurde der im britischen Teil der Viersektorenstadt gelegene Sportpalast nach dem Zweiten Weltkrieg stark vereinfacht wiederhergestellt und 1949 mit einem Notdach versehen, das bis zum Abriss 1973 hielt. In den Nachkriegsjahren wurde das Gebäude überwiegend als Konzerthalle mit Auftritten von Pink Floyd, den Beach Boys, Jimi Hendrix, Deep Purple und The Nice und anderen genutzt. Weitere Stars im Sportpalast waren Ella Fitzgerald, Lionel Hampton, Count Basie, Klaus Kinski und andere Größen des Show-Geschäfts.

Hinderlich für den Betrieb des Sportpalastes wirkte sich seine Nähe zur Sektorengrenze und zur 1961 errichteten Berliner Mauer und das dadurch stark beschnittene Einzugsgebiet aus. Da sich der Betrieb der Halle nicht mehr rechnete, wurde der Sportpalast Ende 1973 abgerissen. An seiner Stelle wurde ein Wohnblock errichtet, der den volkstümlichen Namen Palasseum oder Sozialpalast erhielt. Eine Gedenktafel in der Nähe erinnert an die wechselvolle Geschichte dieses Ortes.

Das auf dem Gelände des früheren Sportpalastes im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus an gebaute und nach der Palasstraße benannte Palasseum ist ein langgestrecktes zehngeschossiges Hochhaus mit Galeriegängen auf den Etagen. Das Bauwerk nimmt den ganzen Platz des ehemaligen Sportpalast-Gelände ein, so dass man sich auch ohne Kenntnis der historischen Situation gut die Lage des Gebäudes gut vorstellen kann, in dem Hitler, Goebbels und andere Nazigrößen ihr Hetzreden hielten.

24. Februar 2017



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