Hinrichtung durch Fallbeil oder Nahschuss
Erst 1987 schaffte die DDR die Todesstrafe ab, bei der Stasi war sie immer ein wichtiges Thema







Stasi-Minister Erich Mielke reagierte glashart und unerbittlich, wenn er in den eigenen Reihen Verrat witterte und/oder sich seine Leute vom Arbeiter-und-Bauern-Staat abwandten. Wer lebendig den Westen erreichte, wurde von DDR-Agenten beobachtet und verfolgt. Es kam auch zu Mordanschlägen mit mehr oder weniger Erfolg. Wer aber in der Gewalt des MfS und der DDR-Justiz war, wurde erbarmungslos liquidiert. Gefühlsduselei kam bei dem Minister nicht auf - oben links bei einer Parade und darunter in Form eines geknüpften Teppichs in der einer älteren Fassung der Ausstellung in seinen ehemaligen Amtsräumen an der Ruschestraße in Berlin-Lichtenberg. (Repro/Foto: Caspar)

Wegen Spionage im besonders schweren Fall und vorbereiteter Fahnenflucht im schweren Fall wurde der Stasi-Hauptmann Werner Teske zum Tod verurteilt und am 26. Juni 1981 in Leipzig durch einen "unerwarteten Nachschuss" in den Kopf hingerichtet. Zuvor hatte SED- und Staatschef Erich Honecker sein Gnadengesuch abgelehnt. Teske war offiziell der letzte Mensch in der DDR, den diese Strafe traf, doch war das Thema in Stasikreisen weiterhin aktuell. Auf seine drastische Art forderte Minister Erich Mielke, gnadenlos mit "Feinden" und Verrätern abzurechnen. "Wir sind nicht davor gefeit, dass wir einmal einen Schuft unter uns haben. Wenn ich das schon jetzt wüsste, würde er ab morgen nicht mehr leben. Kurzer Prozess. Weil ich ein Humanist bin. Deshalb habe ich solche Auffassung. Das ganze Geschwafel von wegen nicht Hinrichtung und nicht Todesurteil - alles Käse, Genossen. Hinrichten, wenn notwendig auch ohne Gerichtsurteil", ließ Mielke 1982 seine Generale laut Abschrift einer in den ehemaligen Amtsräumen an der Ruschestraße in Berlin-Lichtenberg abgespielten Tonbandaufzeichnung. Nach Teskes Tod dauerte es noch sechs Jahre, bis die DDR die Todesstrafe offiziell abschaffte. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sie mit Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 gestrichen. Nach Recherchen von Falco Werkentin, der mehr als 20 Jahre lang stellvertretender Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen in Berlin war, wurden in der 1949 gegründeten DDR mindestens 164 Personen hingerichtet.

Der 1979 wegen Spionage für den Westen zum Tod verurteilte und hingerichtete MfS-Offizier Gert Trebeljahr und weitere Personen wurden vom Ministerium für Staatssicherheit als Gefahr und Schmach empfunden. Mielke forderte 1980 harte Bestrafung der Verräter aus den eigenen Reihen. "Verrat ist das schwerste Verbrechen, welches ein Angehöriger des MfS begehen kann. Die Partei und die Arbeiterklasse haben unserem Ministerium wichtige Aufgaben zum Schutz der Arbeiter -und -Bauern -Macht anvertraut, haben bedeutsame Machtmittel in unsere Hände gelegt. Wer dieses Vertrauen durch schmählichen Verrat hintergeht, den muss die härteste Strafe treffen." Das Totenbuch des Leipziger Krematoriums vermerkte etwa bei dem von seinem früheren Vorgesetzten Erich Mielke als Verräter und Karrieristen bezeichneten Stasi-Hauptmann Gert Trebeljahr: "Hingerichtet am 20.12.1979, Anatomie-"Abfall am 10.12.1979 unter der Einäscherungsnummer 360634..." Erst nach dem Ende der SED-Herrschaft erfuhren Angehörige, wo der Ehepartner, Eltern oder Geschwister begraben wurde, manche wissen es bis heute nicht.

Dehnbare Strafbestimmungen mit klarem Ziel

In der der DDR wurden insgesamt rund 50 Mörder hingerichtet, hinzu kamen 65 NS-Täter, die nach 1945 in aufwendigen Schauprozessen beziehungsweise geheimen Verfahren den Gang zum Fallbeil und nach 1964 in die Kammer antreten mussten, wo sie mit einer schallgedämpften Armeepistole erschossen wurden. Darüber hinaus verloren etwa 50 der Spionage oder Sabotage beschuldigte Menschen ihr Leben. Grundlage dafür waren der Artikel 6 der DDR-Verfassung, der die so genannte Boykotthetze und Staatsverleumdung mit harten Strafen ahndete, und weiter gesetzliche Bestimmungen. Die Verfassung von 1949 stellte im Artikel 6 fest: "Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleichberechtigt. Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhass, militaristische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze." Der Artikel 6 war ein Propagandagebilde und Gummiparagraph, der kein Strafmaß androhte. Das aber war für die DDR-Justiz kein Hinderungsgrund, drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe über seine Feinde und solche auszusprechen, die es dafür hielt.

Bis 1952 waren für die Vollstreckung der Todesurteile die Länder zuständig, danach wurden sie zentral im Landgericht aus der Kaiserzeit am Münchner Platz in Dresden vollstreckt, wo bereits die Nationalsozialisten das Fallbeil auf Widerstandskämpfer hatten niedergehen lassen. Eine Ausstellung in dem aus der Kaiserzeit stammenden Gefängnis dokumentiert mit über 700 Fotos, Zeichnungen, Objekten und Dokumenten die Rolle der Justiz in Nazideutschland und während des SED-Regimes. Ab 1960 diente die JVA in der Leipziger Alfred-Kästner-Straße als zentrale Hinrichtungsstätte der DDR. Hier wurden nach Recherchen des Leipziger Bürgerkomitees 64 Menschen hingerichtet. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und öffnet zweimal im Jahr zu Führungen. In den kommenden Jahren soll hier eine dauerhafte Gedenkstätte eingerichtet werden. Neben dem Henker waren der Anstaltsleiter, der zuständige Staatsanwalt, ein Arzt, ein Stasi-Offizier und zwei Gehilfen bei der Hinrichtung dabei. Die Leichen wurden auf den Leipziger Südfriedhof gebracht und verbrannt. Um Todesort und Todesursache zu verschleiern, enthielten die Totenscheine gefälschte Angaben.

Die zum Tod Verurteilten wurde von zwei Wärtern in einen etwa zwölf Quadratmeter großen, fensterlosen und leeren Raum geführt. Nachdem die Wärter einige Schritte zurückgetreten waren, trat Lorenz leise hervor und schoss dem Verurteilten mit einer schallgedämpften Armeepistole in den Hinterkopf. Von seinem streng geheimen Nebenberuf als Henker wusste, abgesehen von seinem Anstaltsleiter und unmittelbar Beteiligten, niemand etwas, auch seine Ehefrau nicht. Für jede Exekution erhielten Lorenz eine Prämie von 150 Mark und seine Gehilfen 125 Mark. Zum Major befördert, wurde Lorenz aus Gesundheitsgründen pensioniert. Auf die Frage, welche Gefühle er gehabt hätte, als er die Leichen gesehen habe, antwortete Lorenz, mit dem Schuss sei für ihn das vorbei gewesen. "Ich habe keinen erlebt, der geschrien oder Widerstand geleistet hätte. Dafür ging alles viel zu schnell." Den Verurteilten wurde zuvor mitgeteilt, dass ihr Gnadengesuch abgelehnt wurde und sie die Möglichkeit haben, einen Abschiedsbrief zu schreiben. Adressaten bekamen die Schreiben selten zu sehen, vielmehr wurden sie 1990 in den staatsanwaltschaftlichen Unterlagen gefunden. Seit der Zeit zum Nachdenken habe, sagte Lorenz in dem Fernsehinterview, plagen ihn Schuldgefühle. Er würde gern alles ungeschehen machen. Der letzte Henker der DDR starb 2001 in Leipzig.

Politische Gefangene? Nicht bei uns!

Obwohl es angeblich in der DDR keine politischen Urteile gab und die Justiz alles tat, um aus Personen, die des Geheimnisverrats, der Spionage und Sabotage sowie weitere Delikte beschuldigt wurden, ganz gewöhnliche Kriminelle zu machen, gab es eine politische Strafjustiz, die Angeklagte besonders hart und oft schlimmer als gewöhnliche Kriminelle bestrafte. Dazu gab es Parallelen zur Blutjustiz der Nazis, doch war es natürlich streng verboten, einen solchen Vergleich anzustellen. Es kam vor, dass der SED-Chef und Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht aus eigener Machtvollkommenheit hohe Zuchthausstrafen in die Todessstrafe umwandelte. Die Entscheidungsgewalt lag stets bei der Parteiführung, Urteile wurden schon vor der Gerichtsverhandlung festgelegt. DDR-Justizminister Max Fechner, der nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 als angeblicher Staats- und Parteifeind seines Amtes enthoben, aus der SED ausgeschlossen und vom Obersten Gericht zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, legte unmissverständlich fest: "Heute wird niemand seiner Gesinnung wegen verhaftet. Wer unsere antifaschistische und demokratische Ordnung angreift, wer den Aufbau unserer Friedenswirtschaft stört, begeht eine strafbare Handlung und wird seiner verbrecherischen Taten wegen bestraft. Die Strafgefangenen dieser Art sind deshalb auch keine politischen Gefangenen, sondern kriminelle Verbrecher. Die Bezeichnung dieser Strafgefangenen als politische Häftlinge wird daher untersagt." Fechner wurde selber Opfer der politischen Justiz, kam ins Gefängnis. Er wurde 1956 begnadigt, aus der Haft entlassen und rehabilitiert und mit Orden ausgezeichnet.

Die Todesstrafe wurde in der DDR nicht aus freien Stücken abgeschafft, sondern weil sich SED-Chef und Staatsratsvorsitzende Erich Honecker vor seinem Besuch in der Bundesrepublik dazu genötigt sah. Er wollte peinlichen Fragen nach dem Weiterbestehen der seit 1981 nicht mehr vollstreckten Todesstrafe aus dem Weg gehen. So war mit Honeckers Unterschrift unter das entsprechende Dokument am 17. Juli 1987 die Todesstrafe auf deutschem Boden Geschichte geworden.

29. August 2017

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