"Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg"
Topographie des Terrors auf dem ehemaligen Gestapogelände in Berlin blickt auf dreißigjährige Geschichte zurück



Entlang der ehemaligen Mauer entstand auf den Fundamenten der früheren SS- und Gestapozentrale eine Freiluftausstellung, zu der jährlich über eine halbe Million Besucher kommen. Mit einer bescheidenen Baracke unweit des Martin-Gropius-Baus hatte alles begonnen.



Die Zumthorschen Treppentürme auf dem Gelände der Topographie des Terrors waren zu einem Streitobjekt geworden, über das sogar das Verfassungsgericht entscheiden musste, und die am Ende abgerissen wurden.



Die Inschriftentafel bedeckt den am 1. September 1989, dem 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs, gelegten Grundstein für die Topographie des Terrors.



Von den Gebäuden auf dem Gelände der heutigen Topographie des Terrors an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, der heutigen Niederkirchnerstraße, sind nur noch wenige von Archäologen ausgegrabene und denkmalpflegerisch gesicherte Keller und Betonbrocken übrig geblieben.



Vom Frühjahr bis Herbst berichten in den ehemaligen Gewölben zahlreiche Bild- und Texttafeln über die Geschichte und Verbrechen des Nazistaates. Die Straße ist nach der 1944 von den Nazis ermordeten kommunistischen Widerstandskämpferin Katja Niederkirchner benannt.





Die Dauerausstellung und einzelne Sonderschauen im Pavillon schildert, wie der KZ-Staat aufgebaut war und wie er die Deutschen und die von der Wehrmacht besetzten Länder mit brutalem Terror, aber auch mit Lockangeboten und Versprechungen in seine Gewalt brachte.



In der Topographie des Terrors stehen moderne Medien sowie eine bedeutende Spezialbibliothek für weitere Informationen und Forschungen zur Verfügung. (Fotos/Repros: Caspar)

Auf dem Gelände der Stiftung "Topographie des Terrors" an der Ecke Wilhelmstraße und Niederkirchnerstraße befanden sich von 1933 bis 1945 die Zentralen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), die Reichsführung der SS, der Sicherheitsdienst der SS und das Reichssicherheitshauptamt. Im Zweiten Weltkrieg wurden die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Gebäude zum großen Teil zerstört und danach abgetragen. Hart auf westlicher Seite an der Berliner Mauer gelegen, verkam der Ort des Schreckens zu einer Brache, auf der sich Autofahrer auf Prüfungen vorbereitet haben. Im damaligen West-Berlin bestand wenig Interesse, sich mit der grausigen Geschichte des Gestapo- und SS-Geländes auseinanderzusetzen. Erde drauf und Rasen drüber und alles schnell vergessen war damals die Parole. Dass im Hotel Prinz Albrecht und nebenan im ehemaligen Völkerkundemuseum die Terrormaßnahmen gegen die eigene Bevölkerung geplant und im Hausgefängnis Widerstandkämpfer gequält und ermordet wurden, war von geringem Interesse. Ebenso wurde der Mantel des Vergessens und Verschweigens über die Verfolgung und Ermordung der Juden im Deutschen Reich und den von seinen Soldaten besetzten Ländern sowie der zu "Fremdvölkischen" und Volksfeinden abgestempelten Sinti und Roma, der Homosexuellen und anderen nicht in das politische und rassistische Weltbild der Nationalsozialisten passenden Menschen gebreitet.

In den Jahren nach dem Ende des Nazireiches war Kalter Krieg. Man blickte nach vorn und ließ die braune Vergangenheit am liebsten hinter sich. Erst im Vorfeld der 750-Jahrfeier Berlins 1987, vor nunmehr 30 Jahren, entsannen sich Historiker und engagierte Bürger der Tatsache, dass es auf dem mittlerweile von Gras und Büschen überwucherten Gelände nicht weit von Hitlers Reichskanzlei sowie den Ministerien an der Wilhelmstraße schreckliche Geschichte geschrieben wurde. Die lange verschleppte Aufarbeitung der blutigen Vergangenheit dieses Ortes kam langsam in Gang. Doch es mussten noch manche Widerstände und Schwierigkeiten bewältig werden, bis aus der Idee eine handfeste, viel besuchte Erinnerungs- und Forschungsstätte wurde. Zwischendurch gab es Anfragen, ob man nicht auf dem weitläufigen Gelände das neue Bundeskanzleramt errichten kann. Doch wurde der Plan wieder schnell verworfen, weil die neue Regierungszentrale nicht mit der schlimmsten Periode der deutschen Geschichte in Verbindung gebracht werden sollte. Das Thema Vergangenheitsbewältigung blieb auf der Tagesordnung. Eine Gedenktafel vom September 1989 forderte: "Aus dem damaligen Ort der Täter muß heute ein Denkort werden, damit für die Zukunft gilt: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!".

Schuld und Verantwortung

Zum 30-jährigen Bestehen der Dokumentation Topographie des Terrors hat die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, in einer Feierstunde am 5. Juli 2017 den herausragenden Beitrag der Gedenk- und Begegnungsstätte zur Aufarbeitung und Aufklärung über die NS-Verbrechen gewürdigt. Die Topographie des Terrors habe den historischen Ort über ungeheure Verbrechen und unfassbares Leid zum Sprechen gebracht. "Sie setzt als eindrücklicher Erinnerungsort und als Lernort Maßstäbe für die schonungslose Auseinandersetzung mit Schuld und Verantwortung. Damit ist sie auch unverzichtbar für unsere demokratische Gegenwart und Zukunft", sagte Grütters. Die Stiftung habe sich mit Fachkompetenz, Engagement und Sensibilität als zentrale Anlaufstelle in unserer vielfältigen Gedenkstättenlandschaft, als Zentrum für Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer etabliert. Als Anerkennung ihrer hervorragenden Arbeit sei es gelungen, die Förderung durch den Bund in diesem Jahr deutlich aufzustocken und außerdem das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide einzubeziehen. Die Kulturstaatsministerin erklärte weiter, die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit werde auch in Zukunft eine herausgehobene Bedeutung in der Erinnerungspolitik haben. Das seien wir den Opfern schuldig. Die Stiftung wird seit 1994 gemeinsam vom Land Berlin und vom Bund finanziert. 2017 beträgt die Bundesförderung rund 1,95 Millionen Euro und wurde damit um rund 500 000 Euro erhöht.

Wenn alles nach Plan gegangen wäre, wäre das Informations- und Dokumentationszentrum schon lange vor 2010 eröffnet worden und sähe heute ganz anders, wahrscheinlich pompöser aus. Da es aber bei der Realisierung des preisgekrönten Entwurfs des Schweizer Architekten Peter Zumthor manche Pannen gab und die Kosten unverhältnismäßig in die Höhe zu schießen drohten, wurde im Jahr 2000 ein Baustopp verfügt. Eine Machbarkeitsstudie kam zu dem Ergebnis, dass der preisgekrönte Plan für Zumthors kompliziert konstruierte Ausstellungshalle für die zur Verfügung stehende Summe von 38,8 Millionen Euro (und keinen Cent mehr!) nicht zu realisieren ist. Daher vereinbarten die Bundesregierung und das Land Berlin einen Neuanfang und beendeten die Zusammenarbeit mit dem Architekten. Durch die Entscheidung wurde nicht nur der aus einem künstlerischen Wettbewerb als Sieger hervor gegangene Zumthor brüskiert. Es waren auch 15 Millionen Euro für die Planung und erste Baumaßnahmen in den Sand gesetzt.

Folter in der SS- und Gestapohölle

Das Hotel Prinz Albrecht nebenan in der Prinz-Albrecht-Straße 9 sowie das Prinz-Albrecht-Palais Wilhelmstraße 102 waren Sitz des Sicherheitsdienstes der SS sowie des von Heydrich beziehungsweise Kaltenbrunner geleiteten Reichssicherheitshauptamtes. In den Gebäuden wurden Maßnahmen zur Überwachung, Inhaftierung und Ermordung regimefeindlicher Personen und Gruppen geplant und mit blutiger Konsequenz exekutiert. Überdies gingen vom Prinz-Albrecht-Gelände die Planungen für die Eroberung neuen Lebensraums, wie man im NS-Jargon sagte, und die Versklavung ganzer Völkerschaften aus.

Das Gestapogelände war ursprünglich ein Ort des Geistes und der Kunst. Die dem - nicht mehr vorhandenen - Völkerkundemuseum und dem Martin-Gropius-Bau, einem früheren Kunstgewerbemuseum aus dem 19. Jahrhundert, benachbarte Palais des Prinzen Albrecht von Preußen mit der Adresse Prinz-Albrecht-Straße 8 war wurde in den Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) umgewandelt und war zugleich eine ihrer berüchtigsten Folterhöllen. Im so genannten Hausgefängnis spielten sich unbeschreibliche Szenen ab. "Von meiner Zelle aus hörte ich fürchterliche Schreie, sie kamen aus einem der oberen Stockwerke und dauerten oft lange an, gingen in ein Wimmern über, wurden wieder laut, so dass für mich kein Zweifel bestand: Dort oben werden Menschen schwer misshandelt. [...] Das ständige Hungergefühl, die Fesselung Tag und Nacht, das Licht, das so eingestellt war, dass es nachts direkt in das Gesicht des Häftlings strahlte, sorgten für einen ständigen Druck, der durch die stundenlangen Verhöre und die Furcht vor direkten körperlichen Misshandlungen noch gesteigert wurde. Selbstverständlich haben die SD-Leute nach dem Krieg weitgehend abgestritten, jemals ,gefoltert' zu haben", erinnerte sich der Rechtsanwalt, ehemalige Abwehroffizier und Insasse des Hausgefängnisses in der Prinz-Albrecht-Straße Josef Müller, der mehrere Konzentrationslager überlebte und nach dem Krieg ein führender bayerischer Politiker war. Ähnliche Erlebnisse und Beobachtungen sind auch von anderen Häftlingen überliefert, die die Gestapohölle überlebt haben.

Nach dem Debakel mit dem Zumthor-Entwurf wurde das Projekt neu ausgeschrieben, und so konnte nach längerer Zeit mit dem Bau nach Plänen von Ursula Wilms und Heinz W. Hallmann begonnen werden. Beim Richtfest im Mai 2009 wurde betont, dass der Neustart mit einem anders gearteten Entwurf die richtige Entscheidung war. Die flache Ausstellungshalle mit Bibliothek und Vortragssaal wurde am 6. Mai 2010 eingeweiht. So ist seit nunmehr sieben Jahren ist die Topographie des Terrors eine der am meisten besuchten Gedenkstätten zur Geschichte des Nationalsozialismus in Berlin. Den Besuchern stehen drei Ausstellungsbereiche bei freiem Eintritt offen. Die Dauerausstellung "Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt in der Wilhelm- und Prinz-Albrecht-Straße" wird in dem Flachbau gezeigt. Der Ausstellungsgraben gegenüber entlang der Reste der Kellermauer an der Niederkirchnerstraße, der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, wird von Frühjahr bis Herbst für eine Freiluftausstellung genutzt. Schließlich wird das Außengelände an 15 Stationen durch Bild-Text-Tafeln erschlossen. Sie dokumentieren die Geschichte des ehemals dicht bebauten Geländes vor und nach der Nazidiktatur.

7. Juli 2017



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