"Schwarz, Rot und Gold sei's Panier"
Beim Wartburgfest 1817 und beim Hambacher Fest 1832 begehrten Studenten und Handwerker gegen fürstliche Willkür auf





Die Wartburg bei Eisenach war vor 200 Jahren Schauplatz studentischen Protests gegen Fürstenwillkür und für ein einiges, demokratisch verfasstes Deutschland. Die DDR brachte 1982 eine Fünf-Mark-Münze mit der Ansicht des berühmten Bau- und Kunstdenkmals in der Vogelperspektive heraus.





Als die Studenten am 18. Oktober 1817 zur Wartburg zogen und Bücher in den Scheiterhaufen warfen, war das Schloss der thüringischen Landgrafen noch eine Halbruine. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Wartburg in historistischer Manier innen und außen ausgesprochen prächtig umgebaut.



Das Hambacher Fest von 1832 spielt in der deutschen Geschichte eine große Rolle, 1982 hat die Bundesrepublik Deutschland ihm eine Sonderbriefmarke gewidmet.



Die Angst vor revolutionären Entwicklungen und so genannten Demagogen lässt den sprichwörtlichen Deutschen Michel auf der Karikatur der Biedermeierzeit erschauern.



Wer 1844 in Peitz, damals zu Preußen gehörend im Bundesland Brandenburg liegend, beim Rauchen auf der Straße erwischt wurde, hatte eine Geldstrafe zu erwarten. Vier Jahre später war das Rauchvergnügen dank Revolution von 1848/49 auch unter freiem Himmel erlaubt. (Fotos/Repros: Caspar)

Schon bald nach dem Wiener Kongress schlossen sich die Monarchen Russlands, Österreichs und Preußens im September 1815 in Paris zur Heiligen Allianz mit dem Ziel zusammen, Freiheits- und Unabhängigkeitsbestrebungen im Deutschen Bund und weiteren Staaten sowie oppositionelle Aktivitäten mit Waffengewalt, mit Mitteln der Justiz und Polizei und auf anderem Weg niederzuschlagen. Friedhofsruhe breitete sich über Europa aus. Die vom österreichischen Staatskanzler Clemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich geprägte Politik brutaler Repression stand im merkwürdigen Kontrast zum damaligen Aufblühen von Kunst und Kultur, Handwerk und Gewerbe. Reformpolitiker wie Karl vom und zum Stein und Wilhelm von Humboldt resignierten und zogen sich ins Privatleben zurück, andere wie der 1810 zum preußischen Staatskanzler erhobene Karl August von Hardenberg wurden mit klangvollen Titeln und Rittergütern beschenkt.

In der Revolution von 1848 entlud sich der angesammelte Frust und Stau in gewaltsamem Aufbegehren, einer Flut von Pamphleten gegen die Fürstenherrschaft und Kleinstaaterei im Deutschen Bund sowie Aktivitäten in den Parlamenten, insbesondere der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt am Main. Viele liegen gebliebene Reformideen kamen auf den Tisch, und auch die verhasste Zensur und die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit wurde für einige Zeit abgeschafft. Da aber die feudalen Machteliten auf dem Standpunkt standen, dass nur Könige "Revolutionen von oben" machen können und dürfen, blieb bis zur nächsten großen Volkserhebung im November 1918 im Wesentlichen alles beim Alten. Erst am Ende des Ersten Weltkriegs war die Zeit gekommen, die Monarchie abzuschaffen und Deutschland eine republikanische Verfassung zu geben.

Bücher und Perücken gingen in Flammen auf

Auf dem Wartburgfest vor genau 200 Jahren am 18. Oktober 1817, dem Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, und dem Hambacher Fest vom 27. bis 30. Mai 1832 haben Studenten und Burschenschafter sowie Professoren, Demokraten und Liberale, die sich mit der Restauration der Fürstenherrschaft nicht abfinden wollten, für die Mitbestimmung des Volkes, die Einheit Deutschlands und eine Verfassung demonstriert und dabei auch die schwarz-rot-goldene Fahne als Panier der deutschen Einheitsbewegung geschwenkt. Die Protestaktionen fanden ein weites Echo und ließen die um ihre Macht fürchtenden Fürsten zu drastischen Gegenmaßnahmen durch Militär, Justiz und Polizei greifen. Wer fortan schwarz-rot-goldene Farben trug, wurde ebenso verfolgt wie diejenigen, die für die Abschaffung der Fürstenherrschaft stritten.

Das Wartburgfest mit etwa 500 Teilnehmern bleibt durch eine spektakuläre Aktion in Erinnerung. Die Zusammenkunft schlug hohe Wellen, denn noch nie hatten sich junge Leute so radikal über die deutschen Zustände geäußert wie dort. Am Abend des 18. Oktober 1817 verbrannten Studenten Bücher, die sie als reaktionär empfanden, sowie Symbole der alten Feudalordnung wie Perücken, Korsetts und Waffen, wobei auch an die Verbrennung der päpstlichen Bannandrohungsbulle durch Martin Luther im Dezember 1520 erinnert wurde. Ob tatsächlich Bücher in Flammen aufgingen oder nur Säcke mit Altpapier, aber mit Aufschriften von Druckschriften, ist umstritten. Beifall brandete auf, als "Feuersprüche" wie dieser gerufen wurden: "Wer bluten darf für das Vaterland, der darf auch davon reden, wie er ihm am besten diene im Frieden. So steh'n wir unter freiem Himmel und sagen das Wahre und Rechte laut. Denn die Zeit ist gottlob gekommen, wo sich der Deutsche nicht mehr fürchten soll vor den Schlangenzungen der Lauscher und dem Henkerbeil der Tyrannen und sich niemand entschuldigen muss, wenn er vom Heiligen und Wahren spricht" (zitiert nach Ludwig Roediger "Ein deutsches Wort an Deutschland's Burschen gesprochen vor dem Feuer auf dem Wartenberg bei Eisenach 1817").

Maßnahmen gegen revolutionäre Umtriebe

Heinrich Heine war von der Aktion wenig begeistert. Im Rückblick schrieb der Dichter: "Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren! […] Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Hass des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wusste als Bücher zu verbrennen! Ich sage Unwissenheit, denn in dieser Beziehung war jene frühere Opposition, die wir unter dem Namen ,die Altdeutschen' kennen, noch großartiger als die neuere Opposition, obgleich diese nicht gar besonders durch Gelehrsamkeit glänzt. Eben derjenige, welcher das Bücherverbrennen auf der Wartburg in Vorschlag brachte, war auch zugleich das unwissendste Geschöpf, das je auf Erden turnte und altdeutsche Lesarten herausgab: wahrhaftig, dieses Subjekt hätte auch Bröders lateinische Grammatik ins Feuer werfen sollen!" (Zitiert nach Heinrich Heine: Ludwig Börne. Eine Denkschrift. Viertes Buch, 1840).

Vier Jahre nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 schränkten deutsche Fürsten, allen voran Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, mit den Karlsbader Beschlüssen die Arbeit der Universitäten und der Presse massiv ein. Die im Ergebnis einer Konferenz im böhmischen Karlsbad vom 6. bis 31. August 1819 erlassenen Bestimmungen legten harte Maßnahmen gegen "revolutionäre Umtriebe" sowie zur Verfolgung von so genannten Demagogen fest und versetzten der Gedanken- und Pressefreiheit einen schweren Schlag. Durch strikte Anwendung der Zensur sollte alles verhindert werden, was in Österreich-Ungarn, im preußischen Staat und den übrigen Mitgliedsländern des 1815 gegründeten deutschen Bundes "Missvergnügen" erregt und gegen bestehende Verordnungen aufreizt. Ausgangspunkt der Karlsbader Beschlüsse war die Ermordung des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue am 23. März 1819 durch den Studenten und Burschenschafter Karl Ludwig Sand, der bald darauf hingerichtet wurde. Jetzt wurden der freie Geist geknebelt, wo es ging, und oppositionelle Strömungen verboten. Unterdrückt wurde auch jede Kritik an der Fürstenherrschaft und ihrem angeblichen Gottesgnadentum.

Die Karlsbader Beschlüsse bildete die Grundlage für die unbarmherzige Verfolgung politisch unliebsamer "Elemente", die man als Demagogen beschimpfte und verfolgte. Mit dem aus dem Griechischen entnommenen Begriff waren Volksverhetzer, Volksverführer und Aufwiegler gemeint, die sie aber nicht waren. Mit dem Etikett hat man diejenigen diffamiert, die sich gegen die Feudalordnung auflehnten und nicht den von den Eliten gewünschten Denkmustern entsprachen. Zahlreiche angebliche Demagogen und Freigeister wurden entweder in die Zuchthäuser geworfen oder ins Exil gezwungen.

Beim Hambacher Fest 1832 wurden zum erstenmal unmissverständlich Forderungen für die Überwindung der deutschen Kleinstaaterei, Aufhebung der Zensur sowie der deutschen Einheit erhoben. Die erste große politische Massendemonstration mit etwa 30 000 Teilnehmern im Herrschaftsbereich von König Ludwig I. von Bayern gab trotz geringer konkreter Ergebnisse der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung einen bedeutenden Auftrieb. Der Ruf nach Mitbestimmung des Volkes und verfassungsmäßigen Zuständen war fortan nicht mehr zu unterdrücken. Auch wenn die Repressionsmaßnahmen der deutschen Fürsten und Freien Städte die freiheitlichen Bestrebungen noch einmal zu unterdrücken vermochten, gelang es den restaurativen Kräften mit dem Kaiser von Österreich und dem König von Preußen an der Spitze nicht, die Befürworter eines vereinigten und demokratisch verfassten Deutschland daran zu hindern, sich weiter zu formieren. 16 Jahre später unternahmen sie in der Revolution von 1848/9 einen erneuten Versuch zur Durchsetzung ihrer Forderungen. Dies geschah nach blutigen Kämpfen allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Eine der "Errungenschaften" war, dass Männer auf der Straße rauchen durften. Die deutsche Einigung gelang erst 1871 nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich durch eine "Revolution von oben" unter preußischer Führung.

18. Oktober 2017

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