Eroberung neuen Lebensraums
Gleich nach der "Machtergreifung" 1933 beschrieb Hitler seinen unerbittlichen Kampf gegen jede Form von Widerstand sowie Pläne zur Germanisierung Osteuropas



Bei unzähligen Kundgebungen und Propagandaveranstaltungen - hier 1936 auf dem Berliner Lustgarten - und in den gleichgeschalteten Medien wurden die Deutschen auf einen künftigen Krieg eingeschworen.



Hitler gerierte sich als "größter Feldherr aller Zeiten", und kaum einer seiner Generale wagte es, ihm zu widersprechen.



Tagtäglich trommelte die Kriegspropaganda "Unser ist der Sieg", und man müsse nur ganz fest an ihn glauben und dem Führer vertrauen.



Die Karikatur aus den "Feindstaaten" zeigt, wie das deutsche Volk seinem Führer unter wehenden Fahnen willig in den Untergang folgt.



Mit zitternden Händen und stumpfem Blick nahm der Diktator am 20. April 1945 im Garten der Reichskanzlei einen Geburtstagsgruß von Hitlerjungen entgegen. Zehn Jahre später brachte er sich um, denn er wollte nicht dem Feind in die Hände und ihm zur "Erlustigung" dienen. (Repros: Caspar)

Unmittelbar nach der Übernahme des Reichskanzleramtes Amtest ließ Hitler am 3. Februar 1933 in einer Ansprache vor den Befehlshabern des Heeres und der Marine die Maske eines Manns des Friedens fallen und beschrieb mit brutaler Offenheit die Hauptziele seiner Politik. Nach einer Mitschrift des Generalleutnant Curt Liebmann umfassten das die Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel, straffste autoritäre Staatsführung und Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie. Stürmischen Beifall hielt der Diktator, als er sagte: "So sehe ich denn das Mittel des deutschen Wiederaufstiegs im Unterschied zu unserer offiziellen Regierung nicht im Primat der deutschen Außenpolitik, sondern im Primat der Wiederherstellung eines gesunden, nationalen und schlagkräftigen deutschen Volkskörpers". Hitler forderte unduldsam gegen jeden zu sein, der sich an der Nation und ihren Interessen versündigt, der ihre Lebensinteressen nicht anerkennt oder sich gegen sie stellt, der diesen Volkskörper wieder zu zerstören oder zu zersetzen trachtet. Im "Aufbau der Wehrmacht als wichtigste Voraussetzung der Wiedergewinnung der politischen Macht" sah er den Schlüssel zur Eroberung neuer Macht und Größe des Deutschen Reichs. "Wie soll die politische Macht gebraucht werden? Vielleicht Erkämpfung neuer Exportmöglichkeiten, vielleicht - und wohl besser - Eroberung neuen Lebensraumes im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung." Diese stichpunktartige Zusammenfassung der zweieinhalbstündigen Rede wurde 1954 veröffentlicht.

Hitlers Pläne standen den Bestimmungen des Versailler Vertrages von 1919 entgegen, die sowohl die Rüstungsindustrie im Deutschen Reich dezimierten als auch Heer, Marine und insbesondere der Luftwaffe enge Grenzen aufzeigten. Die Wehrpflicht wurde untersagt; die Reichswehr war nur noch eine aus 100 000 Mann bestehende Berufsarmee. Nach dem Austritt aus dem Völkerbund im Oktober 1933 war für Nazideutschlands der Weg frei, sich hemmungslos über die Sanktionen des Friedensvertrags hinwegzusetzen. Am 16. März 1935 wurde die allgemeinen Wehrpflicht verkündet und die Reichswehr in Wehrmacht umbenannt. Das Reichsheer hieß ab 1. Juni 1935 Heer, während sich die Reichsmarine von nun ab Kriegsmarine nannte. Vorgesehen war bis 1939 ein aus 36 Divisionen bestehendes Heer mit einer Stärke von 580 000 Mann. Der einjährige Wehrdienst wurde am 24. August 1936 auf zwei Jahre verlängert. Ihm vorgeschaltet war der vormilitärische Reichsarbeitsdienst. Als Unterzeichnerstaaten des Versailler Vertrags unternahmen Großbritannien und Frankreich gegen die Einführung der Wehrpflicht im Reich nichts, sondern beließen es bei matten Protesten.

Kriegsbereit in vier Jahren

1936 forderte Hitler die deutsche Wirtschaft auf, innerhalb von vier Jahren kriegsbereit zu sein. Ein Jahr später legten er und weiter hohe Funktionäre die deutschen Angriffspläne in internem Kreis offen. Zuerst sollten Österreich und die Tschechoslowakei dem Deutschen Reich einverleibt werden, bevor der große Krieg um neuen Lebensraum im Osten beginnt und entschieden wird. Weniger klar und unmissverständlich wurde in der Nazi-Propaganda über die Pläne des Diktators gesprochen, verbunden mit dem Plan zur Vernichtung der "jüdischen Rasse". Aber wer hören und lesen konnte und wollte, musste wissen, das den Deutschen und ihren Nachbarländern bevor steht.

Oberst Friedrich Hoßbach, Wehrmachts-Adjutanten von Hitler, war Teilnehmer einer Besprechung am 5. November 1937 in der Berliner Reichskanzlei, in der Hitler seine Kriegspläne vor den wichtigsten Vertretern der Wehrmacht in Anwesenheit von Außenminister Konstantin von Neurath, Kriegsminister Werner von Blomberg sowie der Oberbefehlshaber von Heer, Marine und Luftwaffe vortrug. Die von Hoßbach an Hand von Stichpunkten angefertigte Niederschrift, auch Protokoll genannt, ist wie die Aufzeichnungen von Liebmann eine wichtige Quelle für die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs. Sie lieferten beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess 1945/46 den Nachweis, dass die Angeklagten einen Angriffskrieg vorbereitet haben.

Nicht mehr wie sondern wann

Die Konferenz sollte eigentlich klären, wie Rüstungsmaterialien von Göring, dem Verantwortlichen für den Vierjahrplan, für die Luftwaffe und die Kriegsmarine besser zur Verfügung gestellt werden können. Allerdings hielt sich Hitler nicht bei diesem Thema auf, sondern entwickelte in einem mehrstündigen Monolog seine Kriegspläne, die die am 3. Februar 1933 skizzierten Pläne und andere geheime Ankündigungen zu konkretisierten. Ziel der deutschen Politik müsse sein, die "Raumnot" Deutschlands zu überwinden. Die Problematik wurde in den damaligen Medien und in der Propaganda unter den Überschriften "Blut und Boden" sowie "Volk ohne Raum" diskutiert. Eine Erweiterung des deutschen Territoriums sei unumgänglich, erklärte der Diktator. Das Deutsche Reich müsse sich gegen den Bolschewismus ebenso wie gegen die "Hassgegner" England und Frankreich wappnen. "Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt geben, dieser könne niemals risikolos sein." Die Frage sei nur noch wann und wie. Die Notwendigkeit zur raschen Umsetzung dieser Pläne für die 1940-er Jahre begründete der Diktator mit dem schwindenden deutschen Rüstungsvorsprung sowie der kurzen Zeitspanne, die ihm aus Gesundheitsgründen für die Realisierung würde. Da sich der 48-jährige Hitler damals bester Gesundheit erfreute, war das wohl nur ein vorgeschobenes Argument, um die Anwesenden zur Eile anzutreiben.

Bei seiner Niederschrift nutzte Hoßbach stichwortartig angefertigten Notizen. Er tat das aus eigenem Antrieb, somit besitzt das Dokument nur inoffiziellen Charakter. Der Oberst gab Hitlers Gedankengänge wieder und ließ Bemerkungen anderer Teilnehmer beiseite. Der ehemalige Reichsmarschall Hermann Göring und der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Erich Raeder versuchten, im Nürnberg Kriegsverbrecherprozess den Aussagewert des Dokuments abzuschwächen. Hingegen erklärte der ehemalige Außenminister Konstantin von Neurath, Hitlers Pläne hätten ihn "aufs äußerste erschüttert". Da der bisher von ihm ausschließlich mit friedlichen Mitteln verfolgte Kurs der Außenpolitik verlassen werden sollte, sei er, Neurath, zurückgetreten. Seinen Posten nahm der am 16. Oktober 1946 in Nürnberg hingerichtete Joachim von Ribbentrop, einer der treuesten, intern "Ribbensnob" genannten Gefolgsleute seines Führers.

Stehen oder fallen

Nach dem Sieg über Polen bestellte Hitler am 23. November 1939 erneut alle Oberbefehlshaber zu sich und ließ sie seine weiteren Kriegsziele wissen, die er brutal und unumstößlich und als von der Vorsehung gedeckt bezeichnete. "Ich werde Frankreich und England angreifen zum günstigsten und schnellsten Zeitpunkt. Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos. Kein Mensch fragt danach, wenn wir gesiegt haben. Wir werden die Verletzung der Neutralität nicht so idiotisch begründen wie 1914. Wenn wir die Neutralität nicht verletzen, so tun es England und Frankreich. Ohne Angriff ist der Krieg nicht siegreich zu beenden. Ich halte es für allein möglich, den Kampf durch einen Angriff zu beenden."

Der Diktator verlangte von seinen Zuhörern fanatische Entschlossenheit und beschwor den Geist der großen Männer der deutschen Geschichte, der alle beseelen müsse. Er werde vor nichts zurückschrecken und jeden vernichten, der ihm entgegen stellt. "Ich werde in diesem Kampf stehen oder fallen. Ich werde die Niederlage meines Volkes nicht überleben. Nach außen keine Kapitulation, nach innen keine Revolution", schloss der Diktator seine Rede. Später während des Zweiten Weltkriegs und selbst als dieser verloren war, sagte er, er habe niemals kapituliert und werde es niemals tun. Wenn das deutsche Volk den Krieg nicht gewinne, werde es untergehen, und das zu Recht.

19. September 2017

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