"Schwangere Auster" ganz aus Silber
Staatliche Münze würdigt Eröffnung der Berliner Kongresshalle vor 60 Jahren



Im Wasserbecken vor der Kongresshalle spiegelt sich Bronzeskulptur "Butterfly" von Henry Moore aus den Jahren 1986/7.



An der Schiffanlegestelle Kanzleramt kann man aussteigen und ist nach wenigen Schritten in der Kongresshalle.



In voller Schönheit prangt die Berliner Kongresshalle en miniature auf der neuen Silbermedaille der Staatlichen Münze Berlin.





Als die Kongresshalle vor 60 Jahren fertig gebaut war, sah die Umgebung noch ziemlich leer und kahl aus. An der John-Foster-Dulles-Allee vorn rechts gibt es die Haltestelle der beliebten Buslinie 100, mit der man vom Alexanderplatz zum Bahnhof Zoologischer Garten und zurück fahren kann. Als am 21. Mai 1980 das schwungvoll konstruierte Dach eingestürzt war, hat man über den Wiederaufbau gestritten, gesiegt haben diejenigen, die auf das "Symbol der Freiheit" nicht verzichten wollten.



Eine Tafel mit Wappen an der Fassade nennt die USA, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin als Bauherren der 40 Millionen DM teuren Kongresshalle. (Fotos: Caspar)

Der Standort der vor 60 Jahren am 26. April 1958 feierlich dem Land Berlin übergebenen Kongresshalle war gut gewählt. Der futuristisch gestaltete Bau an der John-Foster-Dulles-Allee im Tiergarten war ein Geschenk der USA an die Berliner. Keineswegs war und ist die Kongresshalle ein bloßer Zweckbau für Veranstaltungen aller Art, wie man ihn überall findet, sondern ein Zeugnis der unverbrüchlichen Freundschaft und Verbindung der Freien Welt mit Westberlin, das damals permanenter sowjetischer Bedrohung unterlag und unter dem Trauma der Blockade von 1948/9 litt. Mitten im Kalten Krieg strahlte die Halle für Kongresse, Konzerte, Ausstellungen und andere Veranstaltungen als "Leuchtturm der Freiheit" in den kommunistisch beherrschten Osten hinein. Sehr zum Ärger war sie, hart an der Grenze zum Sowjetischen Sektor gelegen, auch dort gut zu sehen, was ihr zusätzliche Aufmerksamkeit verlieh.

Das heutige Haus der Kulturen der Welt wurde nach Plänen des Architekten Hugh Stubbins als Beitrag der Vereinigten Staaten von Amerika zur Internationalen Bauausstellung INTERBAU errichtet. Die Berliner gaben der wie eine mächtige Skulptur in damals noch kahler und heute grün belaubter Umgebung stehenden Kongresshalle wegen ihrer gewagten Form den Kosenamen "Schwangere Auster". Markenzeichen des sich in zwei Wasserbecken spiegelnden Bauwerks, das 40 Millionen DM gekostet hatte, ist die zweifach gekrümmte Dachschale aus einer Spannbetonkonstruktion, die nur an zwei Punkten den Boden berührt. Das Meisterstück moderner Bau- und Ingenieurskunst fand national und international große Aufmerksamkeit und gilt bis heute als Ikone der Nachkriegsmoderne. Mehrfach diente der ovale Mittelraum dem Deutschen Bundestag als Sitzungsraum, was aber von der Sowjetunion und dem ihr hörigen SED-Regime ohne Erfolg heftig attackiert wurde.

Die Staatliche Münze Berlin hat anlässlich des 60. Jahrestags der Übergabe der Kongresshalle an das Land Berlin eine Medaille herausgebracht. Von Laura Nicklaus gestaltet, zeigt die Silberprägung auf der Vorderseite die Gebäudeansicht und auf der Rückseite das Brandenburger Tor. Sammler, die sich für das Thema "Architektur auf Münzen und Medaillen" und auf Berliner Motive interessieren, werden ihre Freude an dieser interessanten Neuerscheinung haben. Die Gedenkprägung wiegt 9,2 Gramm und ist mit einem Durchmesser von 32,5 Millimetern fast so groß ist wie ein alter Vereinstaler oder ein Dreimarkstück der Kaiserzeit. Die Auflage ist auf tausend Exemplare beschränkt.

1956 und 1957 wurde die Kongresshalle auf Initiative der damaligen Berlin-Verantwortlichen des US-Außenministeriums, Eleanor Dulles, als Beitrag der Vereinigten Staaten errichtet. Die Schwester des CIA-Direktors Allen Dulles sowie des Außenministers John Foster Dulles hatte zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ihren Einfluss genutzt, um den Wiederaufbau der kriegszerstörten Viersektorenstadt zu unterstützen. Das Universitätsklinikum Benjamin Franklin und das Studentendorf in Schlachtensee sowie der Aufbau der Freien Universität Berlin wären ohne sie kaum denkbar gewesen.

Die Kongresshalle beeindruckt durch das gewölbte Dach, das sich elegant in einem weiten Bogen über das Auditorium spannt, welches Plätze für eintausend Gäste bietet. Am Vormittag des 21. Mai 1980 stürzte ein Teil des Daches ein. Dabei kam ein Mensch ums Leben, der Redakteur des SFB Hartmut Küster, an den eine Inschrift erinnert. Als Ursache des Aufsehen erregenden, im Osten mit hämischen Kommentaren begleiteten Unglücks wurde die Korrosion der im Spannbeton befindlichen Stahlarmierungen ausgemacht. In der Diskussion über Abriss der manchmal als "Nierentisch im Tiergarten" belächelten Hauses oder Wiederaufbau siegten jene, die sich für die Rettung der Ruine einsetzten. So wurde das direkt an der Spree gelegene Gebäude zwischen 1984 und 1987 grundlegend saniert und wieder aufgebaut. Dabei wurde das Betondach nach dem ursprünglichen Konzept als frei tragende Konstruktion ausgeführt.

Im Eingangsbereich der "neuen" Kongresshalle wurde 1987, als in beiden Teilen Berlins die Siebenhundertfünfzigjahrfeier der Stadt begangen wurde, eine Bronzetafel enthüllt. Die Resolution des Kongresses hebt hervor, dass die Berliner mutig inmitten der kommunistischen Tyrannei eine blühende Demokratie aufgebaut haben. In diesem Sinne beglückwünschte die 91-jährige Eleanor Dulles bei der Wiedereröffnung der Kongresshalle am 9. Mai 1987 die Berlinerinnen und Berliner und machte ihnen Mut, nicht ahnend, dass gut zwei Jahre später die Mauer fällt und nun auch die "Schwangere Auster" von den Ostdeutschen frank und frei besucht werden kann. Eine Tafel mit Wappen an der Fassade nennt die USA, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin als Bauherren der 40 Millionen DM teuren Kongresshalle. (Fotos: Caspar)

13. April 2018

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