König bezahlte Rechnungen nur widerwillig
Die Kehrseite der preußischen Baupolitik unter Friedrich dem Großen sah alles andere als rosig aus



Friedrich II. bei einer Grundsteinlegung, wie sie sich Adolph Menzel im 19. Jahrhundert vorgestellt hat.



An seinem kostbar dekorierten Schreibtisch entschied Friedrich der Große über das Wohl und Wehe Preußens und seiner Bewohner. Die Zeichnung stammt aus der Zeit um 1900.



Blick auf das Forum Fridericianum um 1820 mit dem Prinz-Heinrich-Palais, seit 1810 Universität, und rechts Königliche Oper, im Hintergrund das Schloss noch ohne die mächtige Kuppel.



Die prächtig mit vergoldeten Skulpturen ausgestattete Marmorkolonnade im Rehgarten unterhalb von Schloss Sanssouci auf der Allee zum Neuen Palais im Hintergrund stand nicht lange. Der Säulenbau nach einem Entwurf von G. W. von Knobelsdorff musste schon 1797 wegen Baufälligkeit abgetragen werden.





Die Bauleute, Bildhauer und Handwerker, die Schloss Sanssouci, das Gästehaus Neue Kammern (mit der Historischen Mühle im Hintergrund) und andere Perlen friderizianischer Baukunst schufen, waren vom königlichen Auftrageber abhängig, der Rechnungen prüfte und nach Lust und Laune bezahlte.



In der Potsdamer Breiten Straße fallen die wie ein Palast gestalteten Hiller-Brandtschen Häuser auf, die von außen zwar sehr repräsentativ aussehen, im Inneren aber unpraktisch konstruiert sind. (Fotos/Repro: Caspar)

König Friedrich II., der Große, von Preußen hatte ein Herzensanliegen und ein Steckenpferd -die Verschönerung seiner Residenzen. In Rheinsberg, Charlottenburg, Berlin und Potsdam fanden die Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Heinrich Ludwig Manger und Carl Philipp Christian von Gontard, der Maler Antoine Pesne, der Bildhauer Friedrich Christian Glume sowie weitere Künstler sowie zahlreiche Kunsthandwerker ein reiches Betätigungsfeld. Für den König von Preußen war die repräsentative Ausgestaltung vor allem von Berlin und Potsdam eine Herzensangelegenheit. Er bezahlte die Errichtung öffentlicher Bauten und machte Hausbesitzern und Baumeistern bis ins Detail gehende Vorschriften, wie hoch ihre Häuser gebaut und wie die Fassaden gestaltet werden sollen, und er ließ selber welche auf seine Kosten und nach seinen Vorstellungen errichten. Bei den für seine Untertanen angeordneten königlichen Bauten stand die Form häufig über dem Inhalt. Heinrich Ludwig Manger hat in seinem Buch von 1789 über Potsdam zur Zeiten Friedrichs des Großen bemängelt, dass die palastartigen Bauten häufig zum Wohnen ungeeignet waren und der Unterhalt die Bewohner teuer zu stehen kam. "Wenn doch große Herren, besonders solche, die außer ihrem Vergnügen zugleich zum Besten ihrer Unterthanen bauen, nicht so sehr auf armselige Einsparungen sehen wollten, wie groß würde in der Folge der Vortheil für die selben seyn! besonders in Potsdam, wo für arme Bürger Palläste erbauet werden, deren Unterhalt öfters mehr beträgt, als der Nutzen der Vermietung und des Erwerbes".

Große Pläne für Berlin

Große Pläne hatte der Herrscher für die Ausgestaltung von Berlin. Er ließ im Bereich der Straße Unter den Linden zahlreiche Häuser auf Staatskosten aufkaufen und anschließend abreißen, um das nach ihm benannte Forum Fridericianum zu errichten. Doch konnte angesichts der hohen Kosten für die Schlesischen Kriege der Plan, hier ein weit über die Landesgrenzen beachtetes architektonisches Ausrufezeichen zu setzen, nur zum Teil verwirklicht werden. Ursprünglich wollte der König auf diesem Areal sogar ein neues Residenzschloss errichten, das das alte, von Schlüter barock umgebaute Stadtschloss in den Schatten stellt. Für seinen Bruder Heinrich ließ der König gegenüber der Oper ein Palais in Form einer Dreiflügelanlage bauen, die heutige Humboldt-Universität. Später wurden am Opernplatz die katholische Hedwigskirche in der Art des antiken Pantheons in Rom sowie die Bibliothek errichtet. Zuvor erhielten die Akademien der Wissenschaften und der Künste Unter den Linden ein eigenes Gebäude.

Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff errichte auf Weisung des Königs unweit des Stadtschlosses am Lustgarten eine barocke Hofkirche, in die der König die Särge von Mitgliedern der Hohenzollernfamilie überführen ließ. Da das barocke Gotteshaus schon bald zu klein war, nahm der Architekt Karl Friedrich Schinkel im frühen 19. Jahrhundert eine Erweiterung vor. Diese Kirche wurde unter Kaiser Wilhelm II. abgerissen und durch einen riesigen Kuppelbau, die heutige Berliner Oberpfarr- und Domkirche ersetzt. Überdies ließ der König, um seiner Hauptstadt ein repräsentatives Gesicht zu geben, am Gendarmenmarkt der bescheidenen Französischen Kirche und ihrem Pendant, der Deutschen Kirche, zwischen 1780 und 1785 nach römischem Vorbild riesige Kuppeltürme anfügen.

Dass der König eine Vorliebe für italienische Barockarchitektur hatte und in diesem Stil bauen ließ, kann man in Potsdam nur noch an wenigen Stellen beobachten, denn die Stadt büßte während des britischen Bombenangriffs von 14. April 1945 und sich anschließenden Abrissen wertvolle Substanz ein. Der Wiederaufbau des im Auftrag Friedrichs II. von Knobelsdorff umgestalteten Stadtschlosses als Landtagsgebäude hat vor einigen Jahren eine empfindliche Lücke in der Mitte der Stadt geschlossen. Geplant ist darüber hinaus auch die teilweise Rekonstruktion der Garnisonkirche. Hier standen bis zur Kriegszeit die Särge Friedrichs des Großen und seines Vaters Friedrich Wilhelm I.

Spitzenleistung des friderizianischen Rokoko

Das zwischen 1745 bis 1747 nach einer Idee Friedrichs II. unter Knobelsdorffs Leitung errichtete Sommerschloss Sanssouci ist das bekannteste Bauwerk aus dieser Zeit weit und breit, eine Spitzenleistung des friderizianischen Rokoko, ausgestattet mit edelsten Möbeln, Skulpturen und Malereien. Der durch seinen Skulpturenschmuck an der Gartenfront als "Krone" eines Weinbergs charakterisierte Bau mit der Inschrift SANS, SOUCI (Ohne Sorge) war der Lieblingssitz des Königs und am 17. August 1786 auch sein Sterbeort. Der Neffe und Nachfolger Friedrich Wilhelm II. vergriff sich an der Innenarchitektur, als er das Arbeits- und Sterbezimmer klassizistisch umgestalten ließ. Friedrich Wilhelm IV. verfügte Anbauten, um die wichtigsten Angehörigen seines Hofstaates standesgemäß unterbringen zu können und auch Raum für die Schlossküche und den Weinkeller zu gewinnen.

Der gewaltigste Bau im Park von Sanssouci ist das nach dem Siebenjährigen Krieg von 1763-1769 errichtete Neue Palais. Versehen mit einer monumentalen Kuppel, auf der drei vergoldete Grazien die preußische Krone über sich halten, und reichem Figurenschmuck diente der Palast mit hunderten Sälen, Galerien und Kabinetten als fürstliches Gästehaus für die große Verwandtschaft des Königs, aber auch als noble Herberge für hochgestellt Gäste. Dass die die Krone tragenden Frauenfiguren die Kriegsgegnerinnen Kaiserin Maria Theresia, Zarin Elisabeth und die Marquise von Pompadour darstellen sollen, ist eine langlebige Legende, deren Entstehung und Wahrheitsgehalt untersucht werden müsste. Fest steht nur, dass auf Entwurfszeichnungen aus der Mitte der 1750-er Jahre die Kuppel mit diesem Schmuck abgebildet ist, und das geschah in einer Zeit, da in Preußen noch Frieden herrschte, sich der König allerdings auf einen weiteren, den dritten Schlesischen Krieg vorbereitete. Für sich selber ließ der Bauherr kostbar ausgestattete Räume in einem Seitenflügel herrichten. Unter Wilhelm II. wurde das Neue Palais bis 1918 als kaiserliche Sommerresidenz genutzt. Zur Ausstellung "Friederisico" anlässlich des 300. Geburtstags Friedrichs des Großen ließ die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zahlreiche Räume restaurieren und für das Publikum öffnen.

Beachtung verdienen friderizianische Bauten im Park von Sanssouci wie das Chinesische Teehaus, der Freundschafts- und der Antikentempel sowie die Gemäldegalerie. Der König ließ das Haus für seine Bildersammlung in der Nähe von Schloss Sanssouci zwischen 1755 bis 1763 von Johann Gottfried Bühring erbauen und gestattete, wenn er nicht anwesend war, "anständig" gekleideten Besuchern gegen einen kleinen Obolus die Besichtigung seiner Schätze. Über den Fenstern des friderizianischen Prachtbaues, der zu den frühesten Bildergalerien in Europa zählt, schauen als Schlusssteine 20 berühmte Maler und Bildhauer auf die Betrachter hinab. Diese ungewöhnliche Art der Fassadendekoration macht das Gebäude über seinen eigentlichen Zweck hinaus zu einem Ehrenmal für berühmte Künstler.

König sah überall Diebe und Betrüger

Von seinen Architekten, Bildhauern, Malern, Maurern, Stuckateuren, Zimmerleuten, Schnitzern, Vergoldern und anderen Künstlern und Kunsthandwerkern hielt der König wenig. Er sah in ihnen für Spitzbuben und Betrüger, und manchen steckte er in seiner Wut ins Gefängnis, um sie zu bestrafen oder auch nur zu disziplinieren. Mit einer Verordnung vom 12. Dezember 1776 drohte der Monarch Dieben und Hehlern von Baumaterialien Ungnade und schwere Strafen an. Wer solche Straftaten anzeigte, sollte mit einem Viertel des Werts der gestohlenen Gegenstände belohnt werden. "Nachdem Se. Königliche Majestät in Preußen, Unser allergnädigster Herr, höchstmissfällig in Erfahrung gebracht, dass das Stehlen der Bau-Materialien zu Berlin und Potsdam daher, weil die Diebe leicht Käufer und Hehler finden, sehr überhand nehme; So wollen und verordnen Allerhöchstdieselben, um diesem eingerissenen Uebel zu steuren, hierdurch, dass I. sowohl diejenigen, als Meister, Gesellen, Jungen, Handlanger und Fuhrleute, bey einem Bau arbeiten, als überhaupt alle diejenige, die sich gelüsten lassen, etwas von alten oder neuen Bau-Materialien und Geräthschaften, es sey so wenig, wie es wolle, zu stehlen, mit Vier wöchentlicher Zuchthaus-Arbeit, und wenn es Soldaten sind, mit Gassenlaufen bestrafet werden sollen", heißt es in der Verordnung. Gemeint war eine damals in Preußen praktizierte harte und erniedrigende Strafe, bei der Delinquenten durch zwei Reihen prügelnder Soldaten laufen mussten und schwer verletzt wurden. Viele zu mehrfachem Gassenlaufen verurteilte Menschen haben die Tortur nicht überlebt.

Wenn Friedrich dem Großen Rechnungen seiner Künstler und Handwerker vorgelegt wurden, dann pflegte er sie um etliche, manchmal sehr viele Taler zu kürzen. Er ging stets davon aus, dass man ihn betrügt, und zögerte die Zahlungen ungeachtet festgelegter Termine heraus mit dem Hinweis, er habe keine Zeit oder befinde sich gerade auf Reisen oder im Krieg. Er habe nichts zu verschenken, ließ er seine Untergebenen wissen, die von seiner Gnade und seinen Aufträgen abhängig waren und nicht aufzumucken wagten. Sie wurden n ach Masse und nicht nach Klasse vergütet. Statt der vereinbarten 12600 Taler bekamen die Bildhauer für die vor der Bildergalerie unweit von Schloss Sanssouci aufgestellten Marmorskulpturen nur 9000 Taler, und das nicht sofort, sondern in Tranchen von jeweils 3000 Talern. Bei den Summen ist zu beachten, dass damals Taler nicht gleich Taler waren, das heißt, dass Zahlungen auch schon mal in "schlechter", das heißt minderwertiger Münze erfolgten. Mit Groll beobachteten einheimische Bildhauer, dass ihre aus Frankreich ins Land geholten Kollegen besser als sie bezahlt wurden, weil der König das, was die Fremden leiten, für besser ansah als das seiner eigenen Landeskinder.

Arbeitslosigkeit in Kriegszeiten

In Kriegszeiten flossen die Gelder für die Bauvorhaben des Königs von Preußen spärlich, was zur Arbeitslosigkeit unter den Betroffenen führte. Da konnte es schon vorkommen, dass selbst renommierte Baumeister einen Nebenjob annahmen und sich als Gastwirte über Wasser hielten. In dieser Situation schlug die Stunde von Wucherern, die die Notlage der Angestellten des Hofes schamlos ausnutzten. Da es oft an zahlungskräftigen privaten Auftragebern fehlte, kam es zum Gerangel um diese und zu Missstimmung innerhalb der Baubranche. Wer es sich leisten konnte, ging außer Landes, wo die Verhältnisse auch nicht besser als die in Preußen. Gegen die Ungerechtigkeit und Willkür ihres königlichen Arbeitgebers halfen weder in aller Ehrfurcht vorgetragene Proteste noch Bittschriften oder genaue Nachweise für die Auslagen und das Pochen auf Verträge.

Wer aus anderen Fürstentümern und Städten nach Preußen geholt wurde, sei es durch Ansprache von Emissären des Königs oder durch Zeitungsannoncen, konnte mit Privilegien rechnen, die Einheimischen nicht gewährt wurden. So mussten die Zugezogenen keine Einquartierung durch Soldaten befürchten, bekamen Steuervergünstigungen und bekamen manchmal auch Häuser und Baumaterialien vom König geschenkt. Da Friedrich II. aber nichts ohne Absicht tat, zog er finanzielle und materielle Wohltaten später von den Arbeitslöhnen und Rechnungen wieder ab. Proteste der Betroffenen und ihre Klagen darüber, wie sie unter diesen Umständen ihre meist ziemlich großen Familien ernähren sollen, hat der König rücksichtslos vom Tisch gewischt. Seine Randbemerkungen auf Bittschriften erzählen von der Verachtung, die der König für das "Geschmeiß" hatte. 20. Juni 2018

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