Siegreicher Kampf mit der Sphinx
Ungewöhnliches Monument auf dem Karlplatz erinnert an Rudolf Virchow / Weitere Denkmäler im Bereich der Charité





Das Denkmal auf dem Karlplatz entstand wenige Jahre Virchows Tod. Er war zeitweilig Rektor der Friedrich-Wilhelm-Universität (Humboldt-Universität), Mitbegründer unter anderem der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Abgeordneter sowie Autor namhafter Publikationen und wurde 1891 zum Ehrenbürger der Stadt Berlin ernannt. Das Relief auf der Rückseite des Denkmals zeigt Virchow im Kreise seiner Kolegen bei der Sektion eines Toten.





Zwei bedeutende Wissenschaftler und Nobelpreisträger schauen sich auf dem Robert-Koch-Platz im Bereich der Charité in die Augen - der Arzt Robert Koch und der Chemiker Emil Fischer.



Rudolf Virchow und James Hobrecht haben eng zusammengearbeitet, als es galt, die hygienischen Zustände und die Infrastrktur in Berlin nachhaltig zu verbessern.



Das nach dem Chirurgen Bernhard von Langenbeck (links) und Rudolf Virchow benannte und an der Straßenfront mit deren Köpfen geschmückte Langenbeck-Virchow-Haus war bis zur Eröffnung des Palasts der Republik im Jahr 1976 Sitz der DDR-Volkskammer.



In der Dorotheenstraße in Berlin-Mitte erinnert die Tafel an Robert Koch, dem die Menschheit allgemein und Berlin im Besonderen viel zu verdanken haben. (Fotos: Caspa

Das von dem Bildhauer Fritz Klimsch für den Karlplatz unweit der Charité geschaffene und 1910 enthüllte Denkmal zur Erinnerung an den Arzt, Prähistoriker und Politiker Rudolf Virchow verdient wegen seiner ungewöhnlichen Form besondere Aufmerksamkeit. Auf hohem säulenbestückten Sockel aus Kalkstein ringt ein nackter, muskelbepackter Mann mit einer Sphinx, dem Symbol der Krankheit. Dieses gräuliche Mischwesen aus Mensch und Tier wehrt sich heftig, doch hat es angesichts der Kraft des Menschen keine Chance. Diese Botschaft wollte der Bildhauer vermitteln. Er schuf das erste Denkmal, das auf einen stehenden oder sitzenden Professor im üblich langen Gelehrtenmantel verzichtet. Dabei handelte Klimsch auch im Sinne von Virchow, der auf vordergründige Ehrungen keinen Wert legte. Der berühmte Mediziner ist trotzdem auf dem Denkmal präsent - mit seinem marmornen Kopfrelief auf der Vorderseite und einer szenischen Darstellung auf der Rückseite, die ihn im Kreise seiner Kollegen bei der Sektion eines Toten zeigt. Die vierzeilige Inschrift darauf enthält die Widmung: "Dem großen Forscher seine Schüler. Ihrem Ehrenbürger die Stadt Berlin".

Vielseitig zum Wohl der Menschen tätig

Am 4. Januar 1902 ereilte den achtzigjährigen, immer noch rüstigen Virchow ein großes Unglück. Beim Abspringen von der Straßenbahn war er gestürzt. Der Schenkelhalsbruch heilte zwar, doch die Lebensenergie des Mannes, der plötzlich zum Stillehalten und Nichtstun verurteilt war, erlahmte. So starb Virchow am 5. September 1902. Dem Trauerzug vom Roten Rathaus zum Sankt-Matthäi-Friedhof folgten zehntausende Menschen. Im gleichen Jahr starb auch der Stadtplaner und zeitweilige Mitarbeiter Virchows, James Hobrecht. Wie kaum ein anderer beeinflusste der Baurat und Ingenieur das Berliner Stadtbild. Der nach ihm benannte Generalbebauungsplan sah die Neuordnung der Reichshauptstadt innerhalb ihrer Grenzen und die planmäßige Bebauung des Umlandes vor. Die von Hobrecht entworfene Straßenstruktur ist noch heute an vielen Stellen zu erkennen. Vieles haben die Berliner Virchow zu verdanken, den Bau von Krankenhäusern, die Anstellung von Schulärzten, aber auch wichtige Neuerungen auf dem Gebiet der Hygiene wie etwa die offizielle Fleischbeschau. Rudolf Virchow hat sich, was das Denkmal nicht berücksichtigt, auch als Anthropologe bei der Erforschung der frühen Menschheitsgeschichte und der Förderung des Museumswesens in Berlin verdient gemacht. So war er einer der Mitbegründer des Märkischen Museums am Köllnischen Park. Ebenso sei erwähnt, dass er sich für die Humboldt-Denkmäler vor der Universität eingesetzt hat.

Rudolf Virchow war Stadtverordneter, gründete mit anderen die Deutsche Fortschrittspartei und legte sich mit Otto von Bismarck an, dem preußischen Ministerpräsidenten und späteren deutschen Reichskanzler. Nach einer stürmischen Debatte im Preußischen Landtag über den Verfassungskonflikt hatte Bismarck im Juni 1865 den Professor für Pathologie und Abgeordneten der Deutschen Fortschrittspartei Rudolf Virchow zum Duell gefordert, was in Preußen streng verboten war. Der Mediziner lehnte die Zumutung ab und bekam Dankschreiben aus aller Welt für seine mutige Haltung ganz im Sinne der von Friedrich Schiller in der "Ode an die Freude" formulierten Maxime "Männerstolz vor Fürstenthronen".

Klimschs Entwurf für das Virchow-Denkmal fand zunächst bei Berliner Ärzten und Kommunalpolitikern wenig Gefallen. Sie sorgten für eine ungünstige Beurteilung bei Kaiser Wilhelm II., der in Sachen Kunst glaubte, allwissend zu sein und geschmacksbestimmend wirken zu müssen. Der Monarch lehnte das Modell ungeprüft ab. Doch als sich der Bildhauer direkt an den Kaiser wandte, wusste er diesen für das Projekt einzunehmen, und das Denkmal konnte entstehen. Im Jahre 1910, acht Jahre nach Virchows Tod, wurde es auf dem Karlplatz in der Nähe der Charité feierlich eingeweiht. Bei den Querelen um das Denkmal spielte eine Rolle, dass es die preußische Obrigkeit mit Virchow nie leicht hatte, mit einem Mann, der in der Revolution von 1848/49 als demokratischer Liberaler den Zorn Friedrich Wilhelms IV. und seiner Kamarilla auf sich zog, nach Würzburg ging und erst 1856 in die preußische Hauptstadt zurück kehrte. Der König hatte gehofft, der Arzt werde nur noch "seinen Leichen Demokrat sein", doch war das ein großer Irrtum.

Nobelpreisträger blicken sich an

Das 1916 von Louis Tuaillon vollendete Koch-Denkmal aus Marmor kehrte nach langer Abwesenheit im März 1982 gereinigt und restauriert auf das Charité-Gelände zurück, allerdings nicht auf seinen originalen Standort. Die Figur zeigt den Entdecker des Erregers der Tuberkulose und Professor für Hygiene an der Friedrich-Wilhelms-Universität (Humboldt-Universität) sowie Leiter des Instituts für Infektionskrankheiten der Charité sitzend und bekleidet mit einem langen Arztkittel. Eine Hand ist auf die Stuhllehne gestützt, die andere ruht auf dem Knie. Robert Koch, Träger des Nobelpreises für Medizin des Jahres 1905 und Mitglied der Akademie der Wissenschaften, schaut selbstbewusst und konzentriert auf die Passanten. Der Bildhauer hat auf allegorische Zutaten, auch auf dicke Folianten, Schriftrollen und Gerätschaften verzichtet, wie man sie von anderen Gelehrten- und Künstlermonumenten des 19. Jahrhunderts kennt. Die Rückseite des Sockels trägt die Inschrift "Ich wünsche, dass im Kriege gegen die kleinsten aber gefährlichsten Feinde des Menschengeschlechts eine Nation die andere immer wieder überflügeln möge. R. Koch".

Das Denkmal von Emil Fischer ist aus Bronze und erhebt sich auf der anderen Seite des Platzes. Beide Denkmäler stehen in kleinen Grünanlagen, durch die die Luisenstraße hindurch geht. Der Bildhauer Fritz Klimsch, der auch das eben erwähnte Virchow-Denkmal auf dem Karlplatz geschaffen hat, stellt den Professor für Chemie an der Friedrich-Wilhelms-Universität und Institutsleiter sitzend ebenfalls mit leeren Händen und in ähnlicher Haltung wie Robert Koch dar. Aus dem hochgeschlagenen Kragen seines bis zu den Füßen fließenden Gelehrtenmantels schaut der preußische Orden Pour le Mérite hervor. Die von Friedrich Wilhelm IV. gestiftete Friedensklasse dieses von Friedrich II., dem Großen, geschaffenen Militärordens wurde und wird auch heute nur an Künstler und Gelehrte von besonderem Rang verliehen wurde. Ursprünglich hatte Klimsch Robert Koch als Sitzfigur in Kalkstein dargestellt. Sie wurde 1921 vor dem I. Chemischen Institut der Universität, Fischers langjähriger Wirkungsstätte, enthüllt, ist dort aber im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Eine Bronzekopie des Chemienobelpreisträgers von 1902 wurde im Garten des Max-Planck-Insituts in Berlin-Dahlem aufgestellt. Ein weiterer Abguss kam 1995 auf den Robert-Koch-Platz als Gegenüber von Robert Koch. Damit wurden die Arbeiten zur Neugestaltung des Platzes vor dem Neuen Tor abgeschlossen.

Das im Jahr 1915 errichtete Langenbeck-Virchow-Haus in der Berliner Luisenstraße ist Sitz medizinischer Fachgesellschaften sowie Kongresszentrum mit modernster Ausstattung. Neben einem historischen Hörsaal mit 500 Plätzen stehen Seminarräume sowie Ausstellungsflächen für Tagungen, Vorträge und andere Veranstaltungen zur Verfügung. Nach deren Auszug wurde das Haus der Ostberliner Akademie der Künste übergeben. Nach dem Ende der DDR erfolgte in zähen Verhandlungen die Rückübertragung an die Eigentümer. Nach Vorgaben des Denkmalschutzes vollständig renoviert und modernisiert, wurde das Haus Oktober 2005 neu eröffnet und seiner alten Bestimmung zugeführt. Gesimse und Verzierungen schmücken nach alten Bauplänen die Fassade. Der Innenbereich erstrahlt wieder in historischem Glanz. Im Hörsaal zeigen Deckenfresken Szenen aus der griechischen Mythologie. Im Langenbeck-Virchow-Haus, dem traditionellen Haus der Medizin, lädt die Aesculap Akademie zum Dialog in der Medizin ein.

12. März 2018



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