Wittstock anno 1636
Ausstellung in der früheren Burg der Bischöfe von Havelberg dokumentiert wichtige Schlacht im Dreißigjährigen Krieg





Die Bischofsburg von Wittstock beherbergt im Turm eine sehenswerte Ausstellung zum Dreißigjährigen Krieg und die Schlacht von 1636 in der Nähe der Stadt.



Die Schlacht von Wittstock, die als eine der wichtigsten militärischen Auseinandersetzungen in jenen Jahren gilt, wird auf dem Stich von damals aus der Vogelperspektive geschildert.





Eine Eisenrüstung und eine Kriegskasse laden zum Besuch des Museums des Dreißigjährigen Kriegs in der alten Bischofsburg zu Wittstock ein. Im Brandenburger Paulikloster waren vor einigen Jahren Dokumente und Fundstücke über die Schlacht von Wittstock zu sehen. Das Schaubild zeigt, wie man Männer mit großen Versprechungen und kleinem Handgeld zum Dienst in fremden Armeen lockte.





Von der einstigen Bedeutung der Stadt Wittstock erzählt die prächtige Stadtkirche St. Marien und St. Martin, deren mittelalterliche Gestalt sich bis heute erhalten hat. (Fotos/Repro: Caspar)

Eine Ausstellung in der alten Bischofsburg zu Wittstock im brandenburgischen Landkreis Ostprignitz-Ruppin berichtet über den Dreißigjährigen Krieg, der vor 400 Jahren mit dem Fenstersturz von Prag begann und 1648 nach allgemeiner Erschöpfung und Ausblutung mit dem Frieden von Münster und Osnabrück beendet wurde, bekannt auch als Westfälischer Frieden. Die Dokumentation in der ehemaligen Residenz der Bischöfe von Havelberg erinnert auf sechs Etagen mit Bildern und Dokumenten sowie Waffen und anderen militärischen Gerätschaften, aber auch mit archäologischen Fundstücken die Schlacht von Wittstock am 4. Oktober 1636 und andere Ereignisse in dem bis dahin schlimmsten aller Kriege. Ausgrabungen in der Nähe der Stadt ergaben neue Erkenntnisse über das wenig ruhmreiche Sterben bei jener Schlacht, die zu den wichtigsten des Dreißigjährigen Kriegs gezählt wird. Die in dem Massengrab bei Wittstock gefundenen Schädel und Skelette zeigen Spuren furchtbarer Verletzungen und von schmerzhaften, durch Hunger und Infektionen verursachten Krankheiten.

Schweden gegen die Kaiserliche

Bei Wittstock trafen 16 000 Schweden auf 22 000 kaiserliche und sächsische Soldaten, die wütend aufeinander losgingen und sich gegenseitig abschlachteten. Entscheidend für den Ausgang war der erfolgreiche Kampf schwedisch-schottischer Einheiten, die die rechte Flanke der verbündeten Sachsen und Kaiserlichen angriffen und deren schwerfällige Aufstellung für sich zu nutzen verstanden. In der einsetzenden Dunkelheit zogen sich die Verbündeten in ungeordneter Weise zurück. Bei der hastigen Flucht gingen Artillerie und Tross verloren, was die Gegenseite stärkte. Eine Aussichtsplattform, Informationstafeln und der so genannte Schwedenstein aus Granit markieren den Ort des Geschehens und erinnern auch daran, dass der siegreiche Feldherr Johan Banér hier für sich und seine schwedischen Soldaten einen Dankgottesdienst abgehalten hat. Die Ausstellung verdeutlicht, dass es im Dreißigjährigen Krieg und allen Kriegen davor und danach vor allem um Länder, Kronen und Einflusszonen und erst dann um Glaubensfragen ging. Man erfährt, mit welchen Mitteln des Zwangs und der Verlockung Männer von weither, aber auch Frauen und Kinder dazu gebracht wurden, ihre Haut für fremde Interessen zum Markt zu tragen.

Berichte an die jeweiligen Regierungen zeigen, wie sich Befehlshaber in ein gutes Licht zu setzen versuchten, selbst wenn sie durch Selbstüberschätzung und persönliches Versagen Schuld an Niederlagen und unnötig vielen Opfern trugen. Überdies wird deutlich, dass die Lebenserwartung einfacher Soldaten wegen schlechter Versorgung und ärztlicher Betreuung entschieden geringer war als die der Offiziere und Generale, die es sich selbst in schwierigster Lage noch gut gehen ließen und im Übrigen durch Ausplünderung von eroberten Gebieten und unterworfenen Bauern und Städtern reich wurden.

Etliche im mächtigen Turm der aus dem Mittelalter stammenden Burg gezeigte Fundstücke stammen aus einer Kiesgrube, in der unweit von Wittstock 125 Tote verscharrt gefunden wurden. Die Vermutung, es könne sich um KZ-Häftlinge handeln, die Ende des Zweiten Weltkriegs beim Todesmarsch ums Leben gekommen waren, bestätigten sich nicht, denn die Skelette und die Fundumstände erwiesen als weitaus älter. Archäologen, Anthropologen und Historiker haben die in Europa einzigartige Fundstelle systematisch untersucht und festgestellt, wie alt die Skelette stammen und wie die Menschen ums Leben kamen. Dabei wurde deutlich, dass man die Leichen nach Wertgegenständen untersucht hat, bevor sie in die Grube geworfen wurden. Solche Plünderungen waren üblich, denn die Überlebenden waren auf Beute angewiesen. Ihr dürftiger Sold wurde nicht immer ausgezahlt, weshalb die Soldaten auf Raub in den besetzten Ländern und Plünderung von Toten und Verwundeten auf den Schlachtfeldern angewiesen waren. Die sieben Ebenen des Museum des Dreißigjährigen Krieges schildern die Ursachen des Krieges und den Alltag der Menschen im Krieg, Waffentechnik sowie die großen Schlachten einschließlich der von Wittstock 1636 und klingt mit der allgemeinen Erschöpfung und dem Westfälischen Frieden aus. Von der Pest und Bränden heimgesucht

Für Wittstock und seine durch Hunger und Entbehrungen geschwächten Bewohner hatte die Schlacht von 1636 schlimme Folgen. Es wird angenommen, dass fremde Soldaten die Pest eingeschleppt haben, die in der Stadt schreckliche Ernte hielt, denn es starben an die 1600 Menschen. Als der Krieg vorbei war, gab es in der halb verfallenen Stadt mit ihren vielen verlassenen Häusern und Grundstücken nur noch etwa 500 Bewohner. Es dauerte viele Jahre, bis sich Wittstock und das Umland von den Folgen des Krieges erholte. Brandenburgs Großer Kurfürst Friedrich Wilhelm wandte viel Energie auf, um die menschenleeren Gegenden zu "peuplieren", also zu bevölkeren, sowie Handwerk, Handel und Landwirtschaft wieder in Schwung zu bringen. In Wittstocker Chroniken wird von Stadtbränden berichtet, bei denen viele Häuser in Flammen aufgingen und auch die mittelalterliche Marienkirche Schaden nahm. Bei dem Brand von 1716 wurden 249 Häuser zerstört, über tausend Einwohner wurden obdachlos. Der Umgang mit offenem Feuer, Fackeln und Kerzen und die Bauweise mit Strohdächern und Holzfachwerk und das Fehlen einer effektiven Feuerwehr leisteten solchen Katastrophen in Wittstock und an weiteren Orten Vorschub.

Da das Land von dem sparsamen, aber praktisch denkenden preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. regiert wurde, ging der durch staatliche Zuschüsse und private Zuwendungen finanzierte Wiederaufbau vergleichsweise schnell vonstatten. Bereits drei Jahre nach der Katastrophe hat man in Wittstock 422 mit Ziegeln bedeckte Häuser gezählt. In der Literatur wird der Wiederaufbau als Vorbild für Rheinsberg und Neuruppin bezeichnet, wo es 1744 und 1788 ähnliche Stadtbrände gab und die Regierung schnelle und effektive Hilfe gewährte. In Wittstock kann man sehen, wie man sich nach 1716 mühte, die mittelalterliche Baustruktur durch Begradigung und Verbreiterung der Straßen zu überwinden und eine gewisse Einheitlichkeit und auch Feuersicherheit beim Bau der zweigeschossigen Häuser zu erzielen. Zum Glück hat man im frühen 18. Jahrhundert darauf verzichtet, die bis zwölf Meter hohe Stadtmauer zu schleifen etwa so, wie man es in der Haupt- und Residenzstadt Berlin tat. Der fast geschlossene, auf die halbe Höhe reduzierte Mauerring rund um die Stadt sowie Reste eines Wassergrabens geben eine ungefähre Vorstellung davon, wie man die Stadt anno 1636 und danach vor feindlichen Angriffen zu schützen versuchte. Von den ehemals drei Stadttoren ist nur noch das Gröper Tor erhalten, ein um 1450 errichteter Backsteinbau, der bis 1867 geschlossen wurde, um die Ein- und Ausfahrt von Einheimischen und Fremden in späten Stunden zu verhindern.

Aufmerksamkeit verdient die gotische Marienkirche mit einem 68 Meter hohen Turm mit barocker Haube: Teile der Ausstattung aus dem 15. Jahrhundert und danach einschließlich stattlicher Grabmäler sind im Inneren erhalten, der Hochaltar ist aus zwei spätgotischen Schnitzaltären eines Lübecker Bildschnitzers zusammengesetzt. Wer durch die Stadt geht, sieht einen Mix von mittelalterlichen und neueren Gebäuden, ergänzt durch Jugendstilbauten. Sie alle deuten darauf hin, dass sich Wittstock sich seit dem frühen 19. Jahrhundert zu einem wichtigen Standort von Handwerk und Gewerbe mit Schwerpunkt Tuchfabrikation entwickelt hat. Die Wernersche Tuchfabrik in der Kettenstraße, die heute als Stadtbibliothek genutzt wird, ist ein stummer Zeuge für das Aufblühen der Stadt in der Zeit der industriellen Revolution.

27. Juli 2018

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