"Freiheit tu ich euch offenbaren"
Prächtige Rolandfiguren stehen zwischen Bremen und Zerbst für Recht und Gerechtigkeit ein



Für Bremen besitzt der auf dem Markplatz stehende Roland große Symbolkraft. Als barocke Brunnenfigur ist der "Kleine Roland" in der Bremer Neustadt gestaltet.



In verschiedenen Versionen kommt die Bremer Roland-Medaille vor, ein Werk von Johann Blum aus dem Jahr 1640.



Um ihren Roland kämpften mit Erfolg die Bewohner von Quedlinburg, einen ehrenvollen Platz besetzt auch sein Ebenbild in Halberstadt.



Vorbild der 1905 aufgestellten Rolandfigur aus Muschelkalkstein am Eingang des Märkischen Museums in Berlin war der aus dem Mittelalter stammende Brandenburger Roland.



Zur illustren Roland-Familie gehören auch die mehr oder weniger martialisch wirkenden Figuren in Halle an der Saale (rechts) und Prenzlau. (Fotos: Caspar)

Über Entstehung und Aufgabe der nach einem heilig gesprochenen Mitstreiter Kaiser Karls des Großen benannten Rolandfiguren auf zahlreichen Marktplätzen in und außerhalb Deutschlands gibt es unterschiedliche Auffassungen und eine große Zahl von Veröffentlichungen. Historiker sehen in dem stehenden, selten reitenden Recken aus Stein oder Holz Symbole städtischer Rechte und Freiheiten. Vor und nach 1900 waren Rolandfiguren als Brunnenschmuck beliebt, und auch das bekannte Bismarck-Denkmal in Hamburg, ein Werk des Bildhauers Hugo Lederer aus dem Jahr 1906, wurde vom Bildhauer Hugo Lederer im Stil einer monumentalen Rolandfigur ausgeführt, zu deren Füßen zwei Adler Wache halten.

Eine der prächtigsten und bekanntesten Rolandfiguren steht vor dem Rathaus in Bremen. Die 5,55 Meter hohe Steinfigur wird von einer Säule mit gotischem Baldachin geschützt, die zehn Meter misst. Der Ritter des Rechts ist barhäuptig und in voller Rüstung dargestellt. Er hält ein Schwert in der rechten Hand, auf seiner linken Brust ist ein Schild mit dem doppelköpfigen Reichsadler angebracht. Die niederdeutsche Inschrift in vergoldeten Buchstaben lautet übersetzt ungefähr so: "Freiheit tu ich euch offenbaren, die Karl und mancher Fürst fürwahr dieser Stadt gaben. Das danket Gott ist mein Rat".

Für die Freie und Hansestadt hatte und hat der Roland große Bedeutung, denn nach altem Volksglauben bewahren Bremen und seine Einwohnern solange ihre Freiheit, wie der ritterliche Wächter auf dem Marktplatz steht. Sollte der Garant städtischer Unabhängigkeit jemals abhanden kommen, muss er innerhalb von 24 Stunden wieder her, sonst droht Ungemach. Wenig bekannt ist, dass der Bremer Roland einen kleinen Bruder in Gestalt einer Brunnenfigur mit vergoldeter Beschriftung hat, die 1737 unweit der Sankt-Pauli-Kirche in der Bremer Neustadt aufgestellt wurde und mehrfach umgesetzt wurde. Gestiftet von der 1. Kompanie Bremer Bürgerwehr, die den Roland in ihrer Fahne führte, lehnt sich die farbig gefasste Steinskulptur an das Vorbild auf dem Rathausplatz an, ist aber üppiger dekoriert als dieses.

Panorama mit Festungswall

Die Bremer liebten ihren Roland so sehr, dass sie ihn in der Barockzeit und auch später auf Medaillen darstellten. Noch während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), dem bis dahin schrecklichsten aller Kriege mit verheerenden Folgen für das römisch-deutsche Reich und umliegende Länder, wurde eine prächtige Medaille mit der Ansicht der "Statua Rolandi Bremensis" und dem Panorama der durch einen Festungswall geschützten Hansestadt geprägt. Mit ihr schuf der Stempelschneider Johann Blum ein numismatisches Denkmal, das seinesgleichen sucht. Denn es war zu seiner Zeit ungewöhnlich, dass man ein aus dem Mittelalter stammendes Architektur- und Kunstdenkmal auf einer Barockmedaille darstellte. Das unterstreicht das Geschichts- und Traditionsbewusstsein derer, die Blum den Auftrag für diese Medaillegaben. Versehen mit der Bitte an Gott um Schutz und Beistand, kommt sie in verschiedenen Versionen und auch in Form von Abschlägen aus Gold vor. Das unterstreicht die Beliebtheit der Prunkprägung und ihre Verwendung wohl auch zu Geschenk- und Auszeichnungszwecken. Auch später diente der Bremer Roland immer wieder als Medaillenmotiv.

Da der Bremer Roland überaus populär war, verwundert es nicht, dass er auch für politische Zwecke instrumentalisiert wurde. Erwähnt sei, dass die Figur in der Zeit der französischen Besetzung zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu Pflastersteinen verarbeitet werden sollte, wohl um die selbstbewussten Einwohner zu demütigen. Das aber konnte aber durch einen pfiffigen Bürgermeister verhindert werden, der die Figur auf dem Marktplatz zu einem "Saint Roland" erklärte und damit quasi in einen unantastbaren Schutzheiligen verwandelte. Auf die beabsichtigte Freveltat bezog sich nach dem Ende der Franzosenherrschaft, in der Bremen für ein paar Jahre Teil des napoleonischen Imperiums war, der Dichter Friedrich Rückert. Er sah in der Figur mit Schild und Schwert einen Kämpfer gegen das welsche, also das napoleonische Frankreich. In einem patriotischen Gedicht schrieb er: "Roland, der Ries´ am Rathaus zu Bremen, / Wollten ihn Wälsche werfen in Nacht. / Roland, der Ries´ am Rathaus zu Bremen, / Ende ward wälschem Wesen gemacht." In seinen "Phantasien aus dem Bremer Ratskeller" setzte der Schriftsteller Wilhelm Hauff den Bremer Roland gegen die Türken in Marsch, und ein Jahrhundert später reklamierten ihn die Nazis als einen der Ihren und versenkten 1938 bei einer Restaurierung eine Kassette mit NS-Propaganda in seinem Bauch. Als 1989 diese "Zutat" entdeckt wurde, hat man sie entfernt.

Erst gestürzt, dann wieder aufgerichtet

Stilistisch ist der im Jahre 1404 aufgestellte Bremer Roland mit seinen Brüdern in Halberstadt (1433), Zerbst (1445) und Quedlinburg (1460) verwandt. Wie der Bremer Roland trägt auch der Halberstädter Riese ein Schild mit dem Doppeladler auf der Brust, allerdings ohne Inschrift. Ist die Schließe des Prunkgürtels beim Bremer Roland mit einem musizierenden Engel geschmückt, so erkennt man in Halberstadt an gleicher Stelle eine Rose mit der darum gelegten Jahreszahl 1433 in römischen Ziffern. Chroniken berichten, dass es im frühen 15. Jahrhundert gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Bürgern der Stadt und ihrem Bischof gegeben hat. Der siegreiche Kirchenfürst soll 1423 den Halberstädter Bürgermeister und vier Ratsmitglieder "hart vor dem Rolande" geköpft haben lassen, vermutlich einem Vorgänger der Rolandfigur von 1433.

Mit hoch erhobenem Schwert grüßt vor dem Rathaus der Roland von Quedlinburg. Die über die Aufsässigkeit ihrer Untertanen erzürnte Äbtissin Hedwig, die mit dem sächsischen Herrscherhaus verwandt war und von ihm unterstützt wurde, ließ das Standbild 1477 im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen stürzen und zerschlagen. Die Reste überdauerten die Zeiten auf dem Hof des Quedlinburger Ratskellers und wurden 1869 zur Freude der geschichtsbewussten Einwohner wieder zu einer Figur zusammengefügt.

Die Geschichte kennt weitere Beispiele dafür, dass Rolandfiguren unter bürgerkriegsartigen Umständen beseitigt und in friedlicheren Zeiten wieder aufgerichtet wurden. Und es gibt auch Fälle, dass Rolandfiguren innerhalb einer Stadt verschiedene Standorte zugewiesen wurden. Ursprünglich stand der 5,34 Meter hohe Roland von Brandenburg an der Havel vor dem Neustädtischen Rathaus, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Aus diesem Grunde hat man ihn 1946 neben das Altstädtische Rathaus versetzt, wo er ebenfalls eine gute Figur macht. Dargestellt ist ein Mann in mittelalterlicher Rüstung ohne Kopfbedeckung. Das hoch erhobene Schwert unterstreicht seinen wehrhaften Charakter. Laut Inschrift stammt das von einem unbekannten Bildhauer gefertigte Standbild aus dem Jahre 1474. Weitere Zahlen am Stützpfeiler weisen auf Ausbesserungen in den Jahren 1556, 1709 und 1930 hin.

Kopie aus Muschelkalkstein in Berlin

Im Jahre 1716 wurde die starr geradeaus blickende Rolandfigur auf Befehl des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. an die Südseite des Altstädtischen Rathauses versetzt, weil sie angeblich die Paraden der Grenadiere von der Brandenburger Hauptwache störte. Dass die Brandenburger im frühen 18. Jahrhundert in ihrem Roland ein wichtiges, unverzichtbares Rechtssymbol sahen, zeigt ein Brief des damaligen Bürgermeisters aus dem Jahre 1716, in dem der Soldatenkönig daran erinnert wird, dass es sich bei der Figur um "ein signum concessae jurisdictionis, eine Antquitaet" handelt. Der ehrbare Rat sah in ihr ein Zeichen der Gerichtsbarkeit, und der König respektierte diese Ansicht und ließ die Figur nur umsetzen, nicht aber abreißen. Seit 1906 steht vor dem Märkischen Museum in Berlin eine Kopie des Brandenburger Rolands. Mit der Aufstellung wollte man daran erinnern, dass die Doppelstadt Berlin-Cölln im 14. Jahrhundert eine eigene Figur dieser Art besaß, von der allerdings niemand weiß, wie sie ausgesehen hat und woraus sie bestanden hat, wann sie verschwunden ist und wo ihre Reste liegen.

Die Bewohner von Halle an der Saale liebten ihren Roland so sehr, dass sie im frühen 18. Jahrhundert eine aus dem Mittelalter stammende Holzfigur in Sandstein nachbilden ließen. Der vier Meter hohe Ritter des Rechts mit erhobenem Schwert steht am Fuß des Roten Turms, dessen Namen an die auf dem Markt vollzogenen Hinrichtungen erinnert. Bedeutende Rolandfiguren sind - oft nur noch als Kopien älterer Originale - in Belgern (5,45 Meter, in der Rüstung des 17. Jahrhunderts), Calbe (4,50 Meter, ursprünglich Eichenholz, Sandsteinkopie von 1974), Haldensleben (2,36 Meter als Reiter, Kopie von 1927), Nordhausen (3,20, Eichenholz mit Krone), Stendal (5,41 Meter, Kopie von 1974), Perleberg (3,80 Meter als Renaissance-Ritter) und Wedel (4,60 Meter hoch als Kaiser mit Krone, Schwert und Reichsapfel). De Roland von Zerbst ist vier Meter hoch und steht, wie sein Bruder in Bremen, in einer mit Spitzbogen und ganz oben mit einer Kreuzblume geschmückten Säule aus Sandstein. Wie durch ein Wunder hat die Figur den verheerenden Bombenangriff auf die Stadt am 16. April 1945 überstanden, wenn auch beschädigt. Auch in anderen Fällen blieben Rolandfiguren erhalten, während die die Altstädte in Schutt und Asche versanken.

24. Januar 2018

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