Löhne und Preise in der Kaiserzeit
Die wenigsten Deutschen hielten je den braunen Tausender von 1910 in der Hand



Ein Feldwebel bekam beim kaiserlichen Militär etwa einen solchen Monatslohn, hier sind es genau 73 Mark. Viele Arbeiter erzielten kaum die Hälfte.



Das Staatswappen wird auf dem braunen Tausendmarkschein von kräftigen Symbolfiguren bewacht, und auch der blaue Hunderter ist konventionell gestaltet. Für die Reichsbank war es wichtig, dass diese und weiter Noten fälschungssicher sind, und dennoch waren sie zu allen Zeiten Angriffen von Betrügern ausgesetzt.



Wann immer im Kaiserreich gestreikt wurde, traten Soldaten und Polizisten auf den Plan, und oft genug blieben um bessere Lebensbedingungen und Löhne kämpfende Arbeiter auf der Straße liegen. (Fotos/Repro: Caspar)

Einen 1910 in der Berliner Reichsdruckerei hergestellten Tausendmarkschein dürften die wenigsten Deutschen je in der Hand gehabt haben. Geschmückt mit dem gekrönten Reichsadler, der von Symbolfiguren des kaiserlichen Deutschland flankiert wird, repräsentierte die Banknote eine für viele Menschen unvorstellbar hohe Summe und war vielfach mehr wert als ein ganzer Jahreslohn. Es lohnt sich, beim Anblick eines solchen Geldscheins zu fragen, was man vor einhundert Jahren dafür bekam. Ein Minister bekam 30 bis 36 dieser Scheine, also zwischen 30 000 und 36 000 Mark im Jahr. Ein Unterstaatssekretär wurde mit 12 000 bis 13 500 Mark entlohnt, ein Oberpräsident bekam 18 000 bis 21 000 Mark. Vortragende Räte erhielten 7800 Mark, Regierungsräte 3600 bis 4500 Mark, mittlere Beamte erhielten 3600 Mark und untere Beamte 1200 Mark, also einhundert Mark im Monat. Kassendiener, Boten, Hausdiener mussten sich mit 720 bis 975 Mark zufriedengeben. Vielfach kamen es zu den Jahresgehältern noch ein Wohngeld und andere Zulagen hinzu.

Ein ungelernter Eisenbahnarbeiter bekam in der Woche 23,70 Mark, also weniger als hundert Mark im Monat, und ein gelernter 34,56 Mark, ein Buchdrucker 31,65 Mark, ein gelernter Maurer 40 Mark, ein ungelernter Hilfsarbeiter 27 Mark, ein Steinmetz um 1871 14 Mark, ein Schlosser 21,40 Mark, ein Maurer 24,35 Mark, ein Tischler 22,25 M und eine Fabrikarbeiterin 12,68 Mark. Dies alles vorausgesetzt, dass sie sechs Tage in der Woche zur Arbeit gingen und nicht krank wurden.

Die monatliche Löhnung im Militär reichte bei Soldaten, auch Gemeine genannt, von 6,60 Mark plus 9 Mark bis zu 56 Mark plus 13 Mark für Beköstigung beim Feldwebel, wobei die Kasernenunterkunft gestellt wurde. Im Unterschied dazu konnte ein Leutnant mit einem Jahresgehalt zwischen 900 und 1188 Mark sowie zusätzlichen 288 bis 420 Mark rechnen und war damit besser bezahlt als Facharbeiter und "kleine" Beamte. Offiziere bis zum kommandierenden General, der ein Jahresgehalt von 12 000 Mark plus Zulagen bekam, hatten Anspruch auf Wohngeld. Mit anderen Worten war die finanzielle Situation von Arbeitern, Angestellten, Beamten und Militärpersonen zumeist nicht gerade rosig. Wenn es sich einrichten ließ, haben sie durch Hausarbeit oder einen Nebenjob noch etwas hinzu verdient, und auch Familienmitglieder einschließlich von minderjährigen Kindern mussten zum Etat beitragen. Bei Kindern ging das vielfach auf Kosten der Schulbildung, was sich wiederum später negativ auf Berufswahl und Aufstiegsmöglichkeiten auswirkte.

Teures Leben beim Militär

Da von Offizieren, vor allem solchen in vornehmen Regimentern, ein aufwändiger Lebensstil erwartet wurde, mussten diese Schulden aufnehmen und/oder sich von ihren Familien unterstützen lassen. Wegen der weit verbreiteten Spiel- und Trunksucht in diesen Kreisen standen die meist adligen Herren bei anderen tief in der Kreide. Wenn sie Glück hatten, haben sie "reich" geheiratet, und wenn es das Schicksal mit ihnen besonders gut meinte, dann kam fielen Liebe und gutes Einkommen zusammen.

Um 1900 zahlte eine Familie für Brennholz pro Jahr 62 bis 82 M, 50 Kilogramm Kohle kosteten 1883 1,30 Mark und 1910 1,76 Mark. Für Stube und Küche war um 1900 240 Mark Jahresmiete zu entrichten. In der Kaiserzeit blühten die großen Warenhäuser auf, die Kleidung und Haushaltsgegenstände für einen "schmalen Taler", also billig und gern auch auf Ratenzahlung feil boten. Die Preise kann man damaligen Zeitungsannoncen entnehmen. Wenn man sie liest, muss man sich hinzu denken, dass hinter den oft marktschreierisch angepriesenen Waren schlecht bezahlte Arbeiterinnen und Arbeiter standen.

Ab und zu haben sie um bessere Löhne und weniger Arbeitszeit gestreikt, doch da war sofort die Staatsmacht zur Stelle und ging mit Waffengewalt gegen die Arbeitsniederlegungen und ihre Anführer los. Bei all diesen Zahlen muss man beachten, dass Lebensmittel, Kleidung und Mieten, von Ausnahmen abgesehen, recht billig waren, so dass die meisten Familien mit oft sehr vielen Kindern irgendwie über die Runden kamen. Allerdings gab es vor allem in den Großstädten ein furchtbares Elend. Man muss sich nur die erschreckenden Statistiken, Berichte und Bilder von damals anschauen oder in die Gesichter der Menschen schauen, die uns Heinrich Zille, der Zeichner des Berliner Proletariats, hinterlassen hat. Wer Glück hatte und einen Schrebergarten oder einen Stall mit Haustieren besaß, konnte seinen Tisch aus eigener Produktion versehen und war in seiner Lebenssituation ein wenig entlastet.

2. Oktober 2018

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