"Ein sehr einfach angeordnetes Gebäude"
Nach ewig langem Warten soll nun Schinkels Bauakademie am Werderschen Mark in Berlin wieder aufgebaut werden





Die aus unzähligen Stahlrohren bestehende Installation wird demontiert. Die backsteinrot bedruckten Plastikplanen wedelten zuletzt unschön im Wind hin und her. Der Wiederaufbau ist für 2020 oder 2021 geplant.





Im Mai 1995 wurden Bruchstücke von der Bauakademie, die auf dem Gelände des DDR-Außenministeriums ausgegraben worden waren, der Presse vorgestellt. Sie stehen nun für den Wiederaufbau bereit.



Die DDR und die Bundesrepublik Deutschland widmeten 1966 und 2006 Karl Friedrich Schinkel silberne Gedenkmünzen. Das Motiv rechts wurde von einem Relief an der Bauakademie übernommen.

Eine Tafel am Haus Unter den Linden 67 neben der Russischen Botschaft und Sichtweite des Brandenburger Tors erinnert daran, dass Schinkel hier von 1823 bis 1839 wohnte.



Von der Bauakademie blieb nur eines von zwei Portalen als Eingang der Schinkelklause in der Nähe der Friedrichswerderschen Kirche erhalten, links die Schinkelmedaille des Bund deutscher Architekten der DDR.



Ein vergoldetes Medaillon schmückt den Grabstein auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, unter dem Schinkel 1841 bestattet wurde. (Fotos: Caspar)

Als 1799 in Berlin die "Allgemeine Bau- und Unterrichtsanstalt" gegründet wurde, musste sie sich ihre Räume mit denen der Münze und der Mineralogischen Sammlung teilen. Erst 1832 bis 1836 bekam die Lehranstalt samt Oberbaudeputation auf dem Gelände des ehemaligen Packhofes direkt am Spreekanal und damit in Sichtweite des Königlichen Schlosses ein eigenes, nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel errichtetes Haus, das im Erdgeschoß eine Ladenzone besaß und auch die Dienst- und Wohnräume des berühmten Architekten enthielt. Das "übrigens sehr einfach angeordnete Gebäude", so Schinkel, in den Abmessungen von knapp 50 mal 50 Metern wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und danach zum Teil wieder aufgebaut. Doch dann musste das Haus 1961 dem DDR-Außenministerium weichen, wobei Steine und Schmuckelemente für einen Neuaufbau geborgen wurden, der aber nicht in Angriff genommen wurde. Einzig hielt ein in die Fassade der Schinkelklause hinter dem Kronprinzenpalais gefügtes Portal die Erinnerung an die Bauakademie wach, die nun nach ewig langem Warten neu errichtet werden soll. Bald schon rücken Bauarbeiter an, und dann wird hoffentlich wahr gemacht, was Politiker seit fast 30 Jahren immer wieder versprochen haben, dass nämlich Schinkels Meisterbau außen historisch und innen modern und funktional in die Mitte der Stadt zurück kommt.

Der Abriss des riesigen DDR-Außenministeriums in den frühen neunziger Jahren und Forderungen für die historisierende Neugestaltung der Mitte Berlins einschließlich des Wiederaufbaues des Schlosses ließen Pläne für die Wiederkehr von Schinkels Meisterwerk reifen. Bei Ausgrabungen nach dem Abriss des Außenministeriums haben Archäologen Formsteine und figürlichen Dekor gefunden, die es mit den seinerzeit geborgenen Steinen und Terrakottaplatten nach Meinung von Fachleuten mühelos erlauben, die Fassade neu zu schaffen. Zur Schaffung der Schinkel'schen Steine sind bereits in brandenburgischen Ziegeleien Versuche im Gang.

Ein Pfahl im Fleische

Der von den Gewerkschaften und der Bauindustrie getragene "Bildungsverein Bautechnik" errichtete Mitte der neunziger Jahre am historischem Ort, direkt hinter Schinkels Denkmal auf dem gleichnamigen Platz, eine Musterfassade, die zugleich eine "historische Lehrbaustelle" ist. Angehende Maurer, Zimmerleute, Bildhauer und andere Auszubildende erlernten bei der Errichtung Probeecke mit einer Breite von je acht Metern und einer Höhe von 22 Metern alte Handwerkstechniken. Getragen wurden die Kosten von 1,4 Millionen DM (ca. 700 000 Euro) von der Berliner Bauwirtschaft, die damit ein Zeichen gegen weiteren Stellenabbau und für die Pflege traditioneller Gewerke setzen wollte. Mittlerweile hat sich der Wind gedreht, denn Bauleute aller Sparten werden angesichts des Baubooms in der Hauptstadt mit der Lupe gesucht. Die Musterfassade kann "sofort" zu dem kompakten Ziegelbau vervollständigt werden, hieß es bei der Fertigstellung der Musterfassade. Voraussetzung sei aber, dass ein potenter Investor gefunden wird und die Nutzung fest steht. Die Ecke wurde Stein auf Stein gemauert und markiert seither nicht nur Ort und Größe der alten Bauakademie, sondern warb auch für ihre Wiedergeburt. Von einem "Pfahl im Fleische" war die Rede, von einer ständigen Mahnung, das Werk ohne Wenn und Aber zu vollenden. Geraten wurde, das "Innenleben" der alt-neuen Bauakademie heutigen Bedürfnissen anzupassen.

Die Nutzung der Bauakademie war und ist Thema intensiver Diskussionen und mancher Streitereien. Verschiedene potentielle Nutzer streckten ihre Hände nach dem "roter Kasten" genannten Haus aus, der noch nicht existiert. Die Technische Universität, die sich als Nachfolgerin der alten Bauakademie sieht und 1999 ihr zweihundertjähriges Bestehen feiert, sprach von einer Bildungs- und Forschungsstätte "von europäischer Ausstrahlung" für Architekten und Designer. Historiker und Gewerkschaftsvertreter erinnerte an die Deutsche Hochschule für Politik, die bis zu ihrer Schließung durch die Nazis in dem Haus am Schinkelplatz untergebracht war. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hielt die Einrichtung des in Berlin noch immer fehlenden Architekturmuseums in Schinkels einstiger Wirkungsstätte für optimal und erinnerte daran, dass in der Bauakademie bereits im 19. Jahrhundert ein Schinkelmuseum und im frühen 20. Jahrhundert Ort der Bildnissammlung der Nationalgalerie war.

Schaufenster, Forum und Werkstatt

Der auf Initiative der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Jahr 2001 gegründete Verein Internationale Bauakademie Berlin e. V. (IBB) bündelt die Interessen mit dem Ziel, ein Kompetenzzentrum für Architektur aufzubauen, an welchem beispielsweise Ausstellungen, Konferenzen und Vorträge zu Fragen des Städtebaus und Baukunst durchgeführt werden sollen. Am 11. November 2016 beschloss der Deutsche Bundestag, 62 Millionen Euro für die Rekonstruktion als "nationales Schaufenster, Forum und Werkstatt in einem" sowie für aktuelle Themen rund um Architektur, Bauwesen und Stadtentwicklung freizugeben. Außerdem soll der neue Schinkelbau ein weiteres Highlight auf der Museumsinsel sein. Um den Nachbau besser voranzutreiben, verkauft das Land Berlin dem Bund das Grundstück. Baustart soll 2020 oder 2021 sein.

Am 7. Mai 2018 gab das Bundesministerium des Innern die Ergebnisse eines international offenen Programmwettbewerbs für die wieder zu errichtende Bauakademie bekannt.[28] Im August 2018 sprach sich Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) nach dem Motto "So viel Schinkel wie möglich" für die Rekonstruktion der Bauakademie aus. Der Realisierungswettbewerb für das Gebäude soll "die Vorgaben Schinkels an Baukörper, Struktur und Fassade berücksichtigen". Im Januar 2019 wurde die Bundesstiftung Bauakademie als Trägerorganisation für den Wiederaufbau des Gebäudes gegründet. Eine Findungskommission wählte im November 2019 Florian Pronold (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, einstimmig zum Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie gewählt. In einem offenen Brief protestierten daraufhin mehr als 200 namhafte Architekten, Kuratoren und Museumsdirektoren gegen diese Wahl. Ihm wird fachlichen Kompetenz abgesprochen, die die Ausschreibung verlangt hatte. Von Kungelei und Selbstbedienung war die Rede. Das Bundesinnenministerium und der Förderverein Bauakademie haben die Vorwürfe zurückgewiesen.

Aufklärerische Kraft bürgerlichen Bauens

Die Bauakademie ist eine Ikone bürgerlichen Bauens im frühen neunzehnten Jahrhundert und "eines der vornehmsten und modernsten Gebäude der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts", wie der Architekt Josef Paul Kleihues betont. Architekturhistoriker loben das Haus, in dem Karl Friedrich Schinkel 1841 an den Folgen eines zuvor erlittenen Schlaganfalls starb, als Gründungsbau der Moderne, betonen aber auch, dass sich das Haus mit der auffällig roten Backsteinfassade in der Nähe des Hohenzollernschlosses nicht immer sonderlicher Beliebtheit erfreute und sogar in der Kaiserzeit auf der Abrissliste stand. Die Kunsthistorikerin Elke Blauert, die 1996 maßgeblich an einer Ausstellung mit Plänen, Zeichnungen und erhalten gebliebenen Originalteilen der Bauakademie beteiligt war, nennt den auffälligen Kubus mit zwei reliefgeschmückten Portalen sowie einem umlaufenden Fries aus figurenreichen Terrakottaplatten, die sich auf die Architektur, Bildhauerei und andere Künste beziehen, "Ausdruck für die aufklärerische Kraft bürgerlichen Bauens" und erinnert an die Wiederentdeckung des unverputzten Ziegelmauerwerks durch Schinkel. Der Chef des preußischen Bauwesens habe die für ihre schlampige Arbeit berüchtigten Berliner Maurer gezwungen, äußerste Sorgfalt walten zu lassen.

Das Lehrprogramm der 1799 gegründeten Berliner Bauakademie war überaus detailliert und weit gefächert. Heutzutage gibt es für einzelne Disziplinen spezielle Hochschulen und Fakultäten, damals waren die unterschiedlichsten Gebiete noch unter einem Dach vereint. Unterrichtet wurde, um "tüchtige Feldmesser, Land- und Wasserbaumeister, auch Bauhandwerker mittels der Kunstschulen" zur Verfügung zu haben. Der preußische Staat hatte, wie man aus der Bandbreite dem noch mit dem heute anders gebrauchten Begriff "Kunst" häufig verbundenen Lehrstoffes entnehmen kann, großen Bedarf an Praktikern auf den unterschiedlichsten Gebieten. Als Fächer werden in einem Bericht von 1799 genannt: Arithmetik, Algebra, Geometrie, Optik und Perspektive, ferner Feldmesskunst und Nivellieren, die Statik fester Körper sowie Hydrostatik, außerdem Mechanik fester Körper und Hydraulik. Dem schlossen sich Maschinenlehre, Bauphysik, Baumaterialien und Bauhandwerke an, ferner die ökonomische Landbaukunst, Stadtbaukunst, Strom- und Deichbaukunst sowie Schleusen-, Hafen-, Brücken- und Wegebaukunst.

Der Unterrichtsplan schloss mit der kritischen Geschichte der Baukunst, Unterweisung in freien Handzeichnungen und Bauverzierungen sowie in architektonischer Zeichnung, Situations- und Kartenzeichnung sowie Maschinenzeichnung. Großer Wert wurde an der Bauakademie als Kaderschmiede bedeutender Architekten und Designer auf die Verbindung von Theorie und Praxis gelegt. Daher stellte der Unterrichtsplan fest: "Außerdem sollen die Baueleven in den Sommermonaten bey allen Arten von Bauen in der Provinz angestellt werden, um dadurch den praktischen Unterricht zu erhalten."

19. Dezember 2019

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