Zwischen den verfeindeten Blöcken
Nach der Öffnung der Mauer vor fast 30 Jahren passierte ein begeisterter Menschenstrom die Glienicker Brücke von Berlin nach Potsdam





Als nach dem Abriss 1905 und 1907 der alten eine neue Glienicker Brücke gebaut wurde, hat man nicht an plastischem Schmuck, Preußenadlern, Kolonnaden und sogar Springbrunnen gespart, wie auf der alten Postkarte zu erkennen. Vieles ist davon noch erhalten.





Am 12. November 1989 war an der all die Jahre "Brücke der Einheit" genannte wieder freien Glienicker Brücke kein Durchkommen. Wer es zu Fuß oder im Auto versuchte, musste sich auf langes Warten einstellen. Aber die Leute trösteten sich mit dem Spruch sagten "Kein Paradies ohne Schlangen".



Vom Babelsberger Park, dem Refugium von Kaiser Wilhelm I., ist der Blick hinüber zur Glienicker Brücke besonders eindrucksvoll.



Die 2,80 Meter hohe schlanke Nike aus Bronze steht auf einem hohen Granitsockel. Der Name der Geflügelten bezieht sich auf die griechische Siegesgöttin und auf das Jahr 1989, in dem die Menschen in der DDR die Mauer und das SED-Regime zu Fall brachten. Wieland Förster erinnert mit einer weitern Bronzefigur im Hof des Stasigefängnisses an der Lindenstraße in Potsdam an die Opfer beider deutscher Diktaturen. (Fotos/Repros: Caspar)

Die Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam wurde in DDR-Zeiten wie zum Hohn "Brücke der Einheit" genannt. Doch war das Bauwerk für Menschen unendlich weit entfernt von Einheit und unzugänglich für alle, die von Ost nach West oder West nach Ost gehen oder fahren wollten. Lediglich Diplomaten und Militärangehörige mit Sonderausweisen durften die aus der Kaiserzeit stammende Brücke über die Havel passieren. Von Potsdamer Seite war ein Herankommen für normale DDR-Bewohner unmöglich, denn die elegant geschwungene Stahlkonstruktion über die Havel, auf deren Mitte die Grenze zwischen den beiden Weltsystemen verlief, lag auf östlicher Seite im streng bewachten Grenzbereich. Von West-Berlin konnte man nur sehnsuchtsvolle Blicke hinüber in den Osten, nach Potsdam werfen. Gelegentlich machte die Brücke Schlagzeilen, wenn hier unter den Augen östlicher und westlicher Geheimdienste Agenten ausgetauscht wurden.

Bevor die Glienicker Brücke 1907 eingeweiht wurde, gab es an dieser Stelle ältere Bauwerke, die Berlin und Potsdam miteinander verbanden. Die Vorgänger bestanden in kurfürstlicher und königlicher Zeit aus einfachen Konstruktionen aus Holz, die mit der Zeit schadhaft wurden. 1831 bis 1834 wurde sie durch eine schmucklose Brücke aus Backsteinen ersetzt. Schinkel hat von ihr ein Aquarell geschaffen, das Ähnlichkeiten mit der Berliner Schlossbrücke zeigt. In der Literatur wird er als Schöpfer der alten Berliner Brücke angegeben. Sie wurde zwischen 1905 und 1907 von der Preußischen Wasserbauverwaltung durch einen 146 Meter langen und fast 23 Meter breiten Neubau ersetzt, der auf zwei Strompfeilerpaaren ruht. Der Weg über die Havel hieß anfangs Kaiser-Wilhelm-Brücke, doch hat sich dieser Name nicht durchgesetzt. Elf Jahre später hatte die Monarchie ihr Leben ausgehaucht hatte, und die Kaiserherrlichkeit war am Ende.

Die neue Brücke besaß Schienen und Oberleitungen für die Straßenbahn, doch wurden diese Einrichtungen bereits 1937 entfernt. Nach dem königlichen Gut Klein Glienicke benannt, im frühen 19. Jahrhundert Sommersitz des Prinzen Carl von Preußen. Sie verbindet die Königstraße auf der Berliner Seite mit der Berliner Straße in Potsdam. Quer über die Brückenmitte verläuft die Landesgrenze zwischen Brandenburg und Berlin. Ab 1937 wurde die Reichsstraße 1, die heutige Bundesstraße 1, von Königsberg über Berlin bis nach Aachen vierstreifig ausgebaut. Um den wachsenden Verkehr aufzunehmen, hat man die Glienicker Brücke um 4,50 Meter verbreitert und angehoben. Bald schon zählte sie zu den am meisten befahrenen Straßenbrücken im Deutschen Reich.

Brücke der Einheit war glatter Hohn

Ende des Zweiten Weltkriegs hatten Deutsche im Ortsteil Wannsee der Roten Armee sinnlosen Widerstand geleistet, der etwa 900 Menschen das Leben kostete. Wer die Brücke gesprengt hat, die Wehrmacht oder die Rote Armee, ist umstritten. Sowjetische Panzer sollen auf die Brücke geschossen und dabei zwei Sprengladungen getroffen haben, die Teile der Brücke zerstörten. "Als wir mit weißer Armbinde aus dem Keller kamen, vollführten wir wahre Akrobatiken auf den aus dem Wasser ragenden Bögen der Glienicker Brücke, um dach Potsdam zu gelangen", heißt es in einem Zeitzeugenbericht.

Um Teilnehmer der Potsdamer Konferenz aus der zerstörten Reichshauptstadt Berlin nach Potsdam in das unbeschädigte Schloss Cecilienhof transportieren zu können, haben sowjetische Soldaten neben der Ruine eine Pontonbrücke gebaut, über die nach dem Sommer 1945 vorsichtig auch der Verkehr zwischen Potsdam und der Viermächtestadt Berlin abgewickelt wurde. Zeitgleich begann die Reparatur der Glienicker Brücke. Unterbrochen wurde der Verkehr über sie durch die Berlin-Blockade 1948/49. Am 19. Dezember 1949 übernahm das Ministerium für Verkehr der neu gegründeten DDR das Bauwerk, das von nun an "Brücke der Einheit" genannt wurde, obwohl es am Schnittpunkt zwischen zwei bis an die Zähne bewaffneten politischen und militärischen Blöcken stand. Der Grenzverkehr wurde von der die DDR-Regierung am 26. Mai 1952 für den privaten Autoverkehr gesperrt. Jetzt konnten nur noch Angehhörige der alliierten Besatzungsmächte die Brücke passieren. Sowjetische Militärkontrollposten ließen Angehörige der Militärverbindungsmission mit Sitz in West-Berlin und Standorte an der Seestraße in Potsdam (Frankreich und Großbritannien) sowie in Sacrow (USA). Nach dem Potsdamer Abkommen unternahmen sie Kontrollfahrten zu Militäranlagen in der DDR, vom sowjetischen Geheimdienst und Stasileuten misstrauisch beobachtet.

Schwer bewacht durch DDR-Grenzer

Ab 1952 wurde die Brücke für den privaten Autoverkehr gesperrt. West-Berliner und Westdeutsche konnten nur mit einer Sondergenehmigung hinüber gelangen. DDR-Bürger konnten sie bis 1961 passieren, wurden aber kontrolliert. Der Mauerbau am 13. August 1961 bedeutete die endgültige Verbarrikadierung der Verbindung zwischen Ost und West. Ein weißer Strich in der Mitte markierte die Grenze, die bis zum Fall der Mauer am 9. November 1989, vor nahezu 30 Jahren, unverrückbar bestand. Um Fluchtversuche zu verhindern, wurden die Brücke und ihre Umgebung von Grenzsoldaten gesichert. Ein Herankommen war auf Potsdamer Seite nicht mehr möglich. Da auch der Neue Garten mit dem Marmorpalais und dem Schloss Cecilienhof sowie der Babelsberger Park mit dem Schloss Kaiser Wilhelm I. an der Havel gelegen sind, das heißt nach östlichem Sprachgebrauch im Grenzbereich, gab es auch immer raffinierter ausgebaute Sicherungsanlagen, und es patrouillierten dort Tag und Nacht schwer bewaffnete Grenzer mit ihren Hunden, deren Kläffen weit zu hören war. Mit einem gestohlenen Lkw vom Typ W50 durchbrachen am 11. März 1988 gegen 2 Uhr nachts drei Flüchtlinge von Potsdam aus die Barrieren auf der Brücke und gelangten unversehrt nach West-Berlin. In Mauerzeiten war eine Reparatur der Glienicker Brücke erforderlich, doch kam diese erst zustande, nachdem sich Beauftragte des Berliner Senats und der DDR-Regierung auf die Übernahme der Reparaturkosten von zwei Millionen Mark.

Zwischen 1962 und 1986 wurden auf der Glienicker Brücke dreimal hochrangige Agenten beider Militärlager gegeneinander ausgetauscht. Das war am 10. Februar 1962 im Falle des sowjetischen Spione Rudolf Iwanowitsch Abel und des US-Piloten Francis Gary Powers der Fall, der 1960 mit seinem Spionageflugzeug U 2 über der Sowjetunion abgeschossen worden war. Im Juni 1985 wurden auf der Glienicker Brücke 23 westliche gegen vier östliche Agenten ausgetauscht. Unter der für West-Berliner bedrückenden Atmosphäre an der Grenze litten auf westlicher Seite Schloss und Park Glienicke, die erst ab den 1970-er Jahren von West-Berliner Denkmalpflegern mustergültig restauriert und aus dem Dornröschenschlaf geholt wurden. Nach der Öffnung der Mauer wurden der zum Weltkulturerbe gehörende Park und seine Bauten beliebte Ausflugziele auch für die Bewohner von Potsdam.

Unbeschreibliches Gefühl der Dankbarkeit

Wie unbeschreiblich groß war die Freude über die Öffnung der Glienicker Brücke, nachdem in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 die Berliner Mauer gefallen war. Nur wenige Stunden nach diesem Ereignis räumten DDR-Grenzer die Barrikaden ab, und schon bald floss der Fußgänger- und der Autoverkehr nach Potsdam und nach Berlin. Noch heute durchströmt manche Menschen ein unbeschreibliches Gefühl der Dankbarkeit, wenn sie die berühmt-berüchtigte Brücke passieren, und es soll auch welche geben, die extra diesen Weg wählen, wenn sie einen Abstecher nach Potsdam unternehmen. An die neu errungene Freiheit und Freizügigkeit erinnert seit dem 10. November 1999, dem zehnten Jahrestag des Mauerfalls, eine auf Potsdamer Seite wenige Meter vor der Glienicker Brücke errichtete schlanke Säule mit einer von dem Bildhauer Wieland Förster geschaffenen Figur oben drauf.

Die Aufstellung der hell in der Sonne strahlenden bronzenen Nike 89 geht auf eine Initiative der Fördergemeinschaft Lindenstraße 54 zurück und wurde durch zahlreiche Spenden finanziert. Die 2,80 Meter hohe Bronzefigur steht auf einem 3,90 Meter großen Granitsockel. Der Name der Skulptur bezieht sich auf die griechische Göttin, die den Sieg verkündet, und auf das Jahr 1989, in dem die Menschen in der DDR ihren Sieg über das verhasste, menschenverachtende SED-Regime errangen. Der Bildhauer Wieland Förster zeigt seine Nike - oder Viktoria, wie man im alten Rom sagte - nicht mit dem in der Antike üblichen Siegeskranz. Sie ist eher ein Torso, dem jede heldische Pose fehlt. Geflügelte Victorien mit Siegeskränzen und manchem militärischem Beiwerk gibt es in Berlin und dem Land Brandenburg reichlich. Da tut es gut, dass sich ein heutiger Bildhauer von der Tradition löste und ein "ziviles" Kunstwerk schuf. Im Hof der Gedenkstätte Lindenstraße 54 ehrt eine ähnlich gestaltete Figur die Opfer des NS- und SED-Regimes.

21. Mai 2019

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