Heilige Lehrer in neuer Frische
Spätmittelalterliche Deckmalereien sind ein besonderer Schatz der Marienkirche zu Herzberg an der Elster





. Die Marienkirche sowie stattliche Rats- und Bürgerbauten künden in der ehemals sächsischen, ab 1815 preußischen Stadt Herzberg von früherem Wohlstand.







In erstaunlicher Frische sind mittelalterliche Deckenmalereien in der Marienkirche zu Herzberg an der Elster erhalten. Sie zeigen Engel und Heilige, aber auch arme Seelen, die wegen ihrer Sünden im ewigen Höllenfeuer schmoren müssen. Schriftbahnen legen dar, wer dargestellt ist und wem Apostelsymbole zuzuordnen sind.



Auf dem Markplatz zu Herzberg an der Elster erinnert ein Kriegerdenkmal an die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges 1870/71, das mit einer in Lauchhammer gegossenen Germania geschmückt ist. Die nach einem Modell von Robert Eduard Henze gegossene Symbolfigur der Deutschen mit Krone und Fahne musste mehrfach ihren Standort wechseln, hat aber alle Gefahren überstanden, sie dem Schmelztiegel zu überantworten.



Eine Dornenkrönung Christi und der Heilige Hieronymus, der einen Dorn aus einer Löwenpranke zieht, blieben in der Dorfkirche von Görsdorf bei Storkow und der Marienkirche in Beeskow (beide Landkreis Oder-Spree) erhalten. (Fotos: Caspar)

Das Land Brandenburg verfügt über zahlreiche Kirchen aus allen Perioden der Bau- und Kunstgeschichte. Nicht viele besitzen einen Kunstschatz wie den der Marienkirche zu Herzberg an der Elster, die früher dem Heiligen Nikolaus gewidmet war. Beim Betreten des Kirchenschiffs geht der Blick an die Decke. Das Netz- und Sterngewölbe des geistlichen Wahrzeichens der 1184 von den Grafen zu Brehna als "oppidum" gegründeten Stadt im Landkreis Elbe-Elster ist übersäht mit spätgotischen Ausmalungen, die vor einigen Jahren sorgsam restauriert wurden. An der Kreuzung zweier Handelswege zwischen Leipzig und Frankfurt an der Oder beziehungsweise Berlin und Dresden gelegen, gelangte die Bewohner im Mittelalter durch Ackerbau, Tuchmacherei und Töpferei zu Wohlstand, der in Sakral- und Bürgerbauten zum Ausdruck kam. Weitere Einnahmequellen waren Viehzucht und Holzwirtschaft, aber auch Fleischer, Bäcker, Schuhmacher, Brauer und die Weinkellerei hatten hier ihr Auskommen. Darüber hinaus besaß Herzberg als Pilger- und Handelsstadt und als Marktort eine Anziehungskraft und spülte Geld in die Kassen der Stadt und ihrer Bürger. Schuh- und Tuchmacher beschickten die Märkte in Ost- und Mitteleuropa. Die maschinelle Produktion jedoch setzte dieser positiven Entwicklung in Herzberg und an anderen Orten ein Ende. Die Stadt büßte nach 1500 an Bedeutung ein und wurde durch den Dreißigjährigen Krieg noch beschleunigt. 1723 legte ein verheerender Brand die Hälfte der Stadt in Schutt und Asche. Einen bescheidenen Aufschwung erlebte Herzberg nach 1815 als preußische Kreisstadt und ab 1898 durch den Anschluss an die Eisenbahn. Dass das Herzberger Wappen einen Hirsch auf einem dreifachen Berg zeigt, hängt mit dem ursprünglichen Namen Hirtsberg (Hirschberg) zusammen, aus dem Herzberg wurde.

Hinweise für Analphabeten

Eine wichtige Vorraussetzung für die Entwicklung der Stadt war die Gründung des Augustiner - Barfüßerklosters und des Nonnenklosters um 1200. Der Bau der berühmten Nikolaikirche, die seit der Reformation Marienkirche heißt und das Wahrzeichen der Stadt ist, machte Herzberg zu einem Zentrum des Kirchenlebens im Elstergebiet. Bereits 1522 wurde in dem Gotteshaus der protestantische Gottesdienst in deutscher Sprache eingeführt. Die dreischiffige spätgotische Backsteinhalle besitzt in den Feldern des Netz- und Sterngewölbes besonders kostbare Ausmalungen, für deren Erhalt sich im 19. Jahrhundert kein Geringerer als der berühmte Baumeister Karl Friedrich Schinkel und Preußens erster Denkmalpfleger Ferdinand von Quast eingesetzt haben. Mehrfach restauriert, zeigen die nach böhmischen Vorbildern ausgeführten Deckenbilder Szenen und Personen aus der Bibel sowie Pflanzen und Ornamente. Schriftrollen, die die Figuren in den Händen halten, erläutern, wen und was sie darstellen. Da im Mittelalter die meisten Menschen weder lesen noch schreiben konnten und auch nicht der im Gottesdienst verwendeten lateinischen Sprache nicht mächtig waren, hat man die Bilder als so etwas wie heilige Lehrer verehrt. Zu sehen sind auch kursächsische Wappenschilder, die die Zugehörigkeit der Stadt zum Reich der Wettiner unterstreichen. Diese endete 1815 durch Einverleibung größerer Landesteile einschließlich Herzbergs in das preußische Königreich.

Während der Reformationszeit war Herzberg ein Zentrum progressiver Schularbeit, wie sie von Philipp Melanchthon, den man Praeceptor Germaniae (Lehrmeister Deutschlands) nannte, und Martin Luther gewünscht und praktiziert wurde. Sohn der Stadt war Johannes Clajus, der als Verfasser der ersten deutschen Grammatik in die Geschichte einging. Herzberg besaß schon um 1377 eine eigene Stadtschule und gewährte 1506 der Universität zu Wittenberg wegen der dort herrschenden Pest zeitweilig Asyl, könnte sich also, streng genommen, Universitätsstadt nennen.

Das über hundert Jahre alte und immer wieder neu aufgelegte Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, als "Dehio" benannt nach seinem ersten Herausgeber, dem Kunsthistoriker Georg Dehio, würdigt ausführlich die Herzberger Deckenmalereien, gehören sie doch zu den herausragenden Kunstwerken aus mittelalterlicher Zeit. Wie Glasfenster und geschnitzte Altäre wurden die Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament sowie gemalte Märtyrerlegenden von den Gläubigen, die meist nicht lesen und schreiben konnten, als "heilige Lehrer" geschätzt. Da und dort haben die gemalten Pflanzen, Figuren und Ornamente den Bildersturm in der Reformationszeit und den Geschmackswandel danach überstanden und wurden erst lange nach ihrer Entstehung als großartig und erhaltenswert neu entdeckt. Oft hat man den bunt bemalten Putz aus Sparsamkeitsgründen nur überstrichen, nicht aber gänzlich abgeschlagen.

Kostbare Raumausmalungen im Wartestand

Nach jahrelanger Forschungsarbeit gibt das Brandenburgische Landesdenkmalamt eine Schriftenreihe zu diesem Thema heraus. Erfasst sind in der Dokumentation die Wandmalereien in der Niederlausitz. In der vielgestaltigen Kulturlandschaft des brandenburgischen Südosten sind noch viele Raumausmalungen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert erhalten. Bisher habe man mit der Substanzerhaltung hauptsächlich von Bauwerken zu tun gehabt, bei den Ausstattungen aber stehe man erst am Anfang, hieß es 2010 bei der Vorstellung des ersten Bandes über den Bestand in der Niederlausitz. Nur ein Bruchteil sei bisher bekannt. Moralische und finanzielle Unterstützung werde weiterhin gebraucht, um bei der Erforschung und Erhaltung dieses unvergleichlichen Schatzes voranzukommen.

Über ihre Bedeutung als Wegleitung durch mittelalterliche Kirchen und Kapellen hinaus ist die Schriftenreihe eine Anleitung für den Umgang mit Wandmalereien. Viele gingen durch Umbauten, aber auch durch Veränderungen in der Liturgie verloren, manche aber blieben hinter Kanzeln, Emporen, Orgeln, Grabmälern und anderen Einbauten in erstaunlicher Frische erhalten. Lange waren die Malereien verborgen, erst im 19. Jahrhundert schwante Denkmalpflegern, dass man sich um sie kümmern sollte. Manchmal ging man mit ihnen rigoros um, ergänzte Fehlstellen nach eigenem Gusto oder überstrich sie nach kurzer Freilegung wieder. Dieser unsensible Umgang mit dem historischen Erbe wäre heute unmöglich.

27. Februar 2019

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