"Nur der Unwissende hasst die Kunst"
Viele öffentliche Gebäude in Berlin prunken mit vergoldeten Bauinschriften





Die aus dem 18. Jahrhundert stammenden Inschriften am Zeughaus Unter den Linden und an der Alten Bibliothek am Bebelplatz sagen einiges über die königlichen Bauherren aus.



Friedrich II., der Große, widmete das Opernhaus Unter den Linden dem antiken Gott Apoll und den von ihm beschützten Musen.





Unterschiedlich lang sind die lateinischen Bauinschriften an der Parochialkirche von 1705 und an der 1773 geweihten Hedwigskathedrale am Bebelplatz.







Mit vergoldeten Widmungen machen das Alte und das Neue Museum sowie die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel darauf aufmerksam, dass hier die Künste das Sagen haben.



Um die Inschrift DEM DEUTSCHEN VOLKE am Reichstagsgebäude gab es zur Erbauungszeit heftigen Streit. Kaiser Wilhelm II. bevorzugte die Widmung DER DEUTSCHEN EINIGKEIT.



Vergoldete Lettern berichten über zwei Portalen gegenüber dem Berliner Marstall aus der Baugeschichte des Berliner Schlosses, das noch in diesem Jahr mit einer Alexander von Humboldt gewidmeten Ausstelung festlich eröfnet werden soll.



Über die mit einem Komma versehenen Inschrift SANS, SOUCI über dem gleichnamigen Sommerschloss Friedrichs des Großen in Potsdam gibt es auch nach 270 Jahren manches Rätselraten. (Fotos: Caspar)

Öffentliche Gebäude von einigem Rang in Berlin und verschiedene Gotteshäuser tragen Prunkinschriften, gelegentlich auch gekrönte Wappenschilder mit dem Kurzepter und schwarzem Adler als Symbole des bis 1918 regierenden Herrscherhauses. Die Hohenzollern ließen sich als Bauherren feiern, und auch Zweck und Entstehungszeit der Gebäude haben sie mit vergoldeten Lettern kund getan. Vorbilder gab es vor allem im antiken Rom, wo Inschriften an Triumphbögen und Tempeln sowie in nachchristlicher Zeit an Kirchen und Palästen auf Kaiser, Päpste und Potentaten weisen. Die Elogen feiern sie als Herrscher über den Erdkreis, als Beschützer des Glaubens sowie Förderer der Kunst und Wissenschaft.

Berliner Bauinschriften stehen in dieser Tradition. Die längsten schmückten einst das Schloss der Hohenzollern mitten in der Stadt, das als Humboldt Forum seine Wiedergeburt erlebt und Ende 2019 als großes Museum und Kulturstandort der Extraklasse eröffnet werden soll, wenn alles nach Plan geht. "Friedrich, König in Preußen, Kurfürst von Brandenburg, der fromme Vater des Vaterlandes, erbaute nach Wiederherstellung der alten Herrschaft der Preußen das Königsschloss und erweiterte es, der Würde seiner Herrschaft gemäß, als der erhabene Erzeuger der edlen Künste und zum bleibenden Schmuck für seine Stadt und sein Jahrhundert" konnte man auf einer Tafel am Portal I des 1950 gesprengten Schlosses lesen. Die ersten Inschriften sind bereits zu lesen, wenn man das Schloss umrundet.

Ob das in goldenen Buchstaben auf blauem Grund um den Tambour der Schlosskapelle Bibelzitat wiederhergestelt wird, ist noch nicht bekannt, weil die Arbeiten an der erst im 19. Jahrhundert gebauten Kuppel noch nicht vollendet sind. Der Spruch lautet so. "Es ist in keinem anderen Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind"

Vater des Vaterlandes, fromm und unbesiegt

Wie solche Inschriften ausgesehen haben und welchen Zweck sie hatten, kann man gut am Portal des Zeughauses Unter den Linden sehen, wo über dem vergoldeten Brustbild des gleichen Königs eine achtzeilige lateinische Inschrift prangt, die in deutscher Übersetzung verkündet: "Für die Gerechtigkeit durch Waffen, für die Abschreckung der Feinde, für den Schutz der eigenen Völker und der Verbündeten hat Friedrich I., König in Preußen, Vater des Vaterlandes, fromm, erhaben, unbesiegt, dieses Zeughaus, das mit aller Art Kriegsgerät sowie mit Kriegsbeute und Trophäen angefüllt ist, vom Fundament her erbauen lassen 1706". Besucher des Deutschen Historischen Museums können nicht nur die Bauinschrift betrachten, sondern darüber auch das vergoldete Bildnis des Bauherren, der das Waffenarsenal, auch Zeughaus genant, von Andreas Schlüter und anderen Architekten errichten und prachtvoll ausstatten ließ.

Friedrich der Große, der Enkel jenes ersten Preußenkönigs, hat sich in Berlin mehrfach durch Inschriften verewigt. "Fridericus Rex Apollini et Musis", übersetzt "König Friedrich Apoll und den Musen" kann man im Giebeldreieck der Staatsoper Unter den Linden lesen. In DDR-Zeiten stand an dieser Stelle viele Jahre nur "Deutsche Staatsoper". Die Wiederkehr der ursprünglichen Widmung hatte politische Gründe, denn unter Staats- und Parteichef Erich Honecker wurde um 1980 "Preußen" wieder hoffähig, was auch durch die Aufstellung des Friedrich-Denkmals Unter den Linden und eben auch die Wiederherstellung der königlichen Widmung am Opernhaus kund getan wurde, die Friedrich II. als Förderer der Künste und Wissenschaft feiert. Der Wahlspruch "Nutrimentum spiritus" (Nahrung des Geistes) an der ebenfalls unter der Regentschaft dieses Monarchen erbauten Bibliothek am Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz, wegen der geschwungenen Form auch Kommode genannt, ist gelegentlich von spottlustigen Berlinern zu "Sprit is ooch Nahrung" verballhornt worden.

Denkmal der Gnade des Königs

Für die nach Plänen von Hedwigskirche neben der Oper gab es ein berühmtes Vorbild. Der in der Architekturgeschichte exzellent bewanderte Friedrich II. hatte befohlen, das neue Gotteshaus für seine katholischen Untertanen "der berühmten Rotonda, oder dem Pantheon in Rom, ähnlich zu machen" einschließlich der obligatorischen Bauinschrift, die in der Übersetzung lautet "Dieses Denkmal der Gnade König Friedrichs, der Heiligen Hedwig geweiht, hat Angelo Maria Quirini, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, auf eigene Kosten vollendet" lautet. Gelegentlich ging es bei Widmungen auch ganz knapp zu, so bei der Inschrift "Bellevue" über dem Eingang zum Schloss Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten, oder beim Motto über Friedrichs Potsdamer Sommerschloss "SANS, SOUCI" (Ohne Sorge), bei dem man sich seit über 250 Jahren über das Komma in der Mitte streitet.

Tiefe Ehrerbietung vor dem Landesherren und gelegentlich auch Spiel mit Daten lässt sich auf verschiedenen Bauinschriften in der Hauptstadt ablesen. Die nach dem Zweiten Weltkrieg angebrachte Inschrift "Humboldt Universität" am Giebel des ehemaligen Prinz-Heinrich-Palais Unter den Linden nannte ursprünglich König Friedrich Wilhelm III. als Stifter und dazu das Jahr 1809, obwohl der Universitätsbetrieb erst 1810 aufgenommen wurde. Die aus vergoldeten Buchstaben gebildet Widmung an Schinkels Altem Museum "Friedrich Wilhelm III. gründete das Museum für das Studium der Antike in all ihren Formen und der schönen Künste 1828" ist ebenfalls nicht ganz korrekt. Zwar sehen die römischen Zahlenbuchstaben dekorativ aus, doch bezeichnen sie nur einen Zwischenzustand, denn der Säulenbau wurde erst am 3. August 1830, dem 60. Geburtstag des Monarchen, feierlich eröffnet. Verloren ist die Widmung am Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt, die Friedrich Wilhelm III. als einen Monarchen lobt, der "das durch den Brand zerstörte Theater nebst seinem Konzertsaal zu würdiger Gestalt 1821 neu erstehen" ließ. Heute liest man in großen Lettern über dem Giebel nur noch KONZERTHAUS.

Der deutschen Kunst, dem deutschen Volke

Auch Friedrich Wilhelm IV. ist auf verschiedenen Bauinschriften vertreten. Das Neue Museum auf der Museumsinsel verkündet an der Seite zur James-Simon-Galerie in der Übersetzung "Nur der Unwissende hasst die Kunst", während zur Nationalgalerie "Das vom seligsten Vater gegründete Museum hat der Sohn erweitert 1855" geschrieben steht. Gemeint ist der Romantiker auf dem Thron genannte Friedrich Wilhelm IV., der schräg gegenüber auf der Freitreppe der Nationalgalerie reitet. Deren Inschrift "DER DEUTSCHEN KUNST MDCCCLXXI" führt den Besucher in die Irre, denn in dem Kunsttempel sind natürlich auch zahlreiche Bilder und Skulpturen versammelt, die jenseits der deutschen Grenzen geschaffen wurden. Außerdem wurde die Galerie erst 1876 eingeweiht und nicht schon, wie die Inschrift vermuten lässt, im Jahr der deutschen Reichseinigung 1871.

Die Frage, ob es noch zeitgemäß ist, öffentliche Gebäude überhaupt mit Inschriften zu versehen, wurde Ende des 19. Jahrhunderts diskutiert. Anlass war ein Streit um die Widmung, die das neu erbaute Reichstagsgebäude tragen sollte. Als Kaiser Wilhelm II. 1894 den Schlussstein legte, fehlte dem Haus nur noch ein Motto über dem Portal. Der Kaiser konnte als Stifter nicht genannt werden, denn Bauherr war des Reiches oberste Volksvertretung. Kraft seines Amtes konnte der Monarch die Anbringung der Inschrift DEM DEUTSCHEN VOLKE lange verhindern. "Unliebsame Erörterungen" in Kauf nehmend, wie es am Hofe hieß, schlug er die holprige Formulierung "Der Deutschen Einigkeit" vor. Dem haben Kritiker mehr oder weniger witzige Varianten wie "Dem deutschen Heere" entgegen gehalten, weil bei der Eröffnung fast nur bunte Uniformen und blitzende Orden zu sehen waren. Der Historiker Heinrich von Sybel war überzeugt, es bedürfe keiner besonderen Angabe, denn man sehe ja, dass im Reichstagsgebäude "kein Confectionslager existirt". Das Thema kam im Ersten Weltkrieg erneut hoch, und jetzt zeigte sich der um Volksnähe bemühte Kaiser geneigt, die seinerzeit abgelehnte Inschrift gnädigst zu genehmigen. Doch keine Entscheidung ohne das Votum von Bedenkenträgern, und so verlagerte sich der neuerliche Streit auf die Frage, welche Schriftart zu verwenden sei - römische Antiqua, wie man sie so häufig in der Stadt sieht, oder deutsche Fraktur. Angebracht wurde 1916 eine "jugendstilige" Schrift, die von Peter Behrens entworfen wurde. Generös stiftete der Kaiser das Metall von zwei Bronzekanonen aus den Befreiungskriegen für die Herstellung der Buchstaben durch die bekannte Kunstgießerei Loevy.

Tuet auf die Pforten, dass einziehe das gerechte Volk

In der Tradition barocker Bauinschriften steht an der Westfront des Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt eine der wenigen in deutscher Sprache Deutsch abgefassten Bauinschriften: "Gott zur Ehre der Gemeinde zum Segen unter dem Schutze der Hohenzollern erbaut 1705 erneut (sic) 1905." Deutsch ist auch die ebenfalls aus der Kaiserzeit stammende Inschrift am Amtsgericht in Lichterfelde "Erbaut unter der Regierung Wilhelms II. deutschen Kaisers und Königs von Preußen vollendet im Jahre 1905", und am Rathaus Spandau liest man "Erbaut unter der Regierung Kaiser Wilhelms II. von der Bürgerschaft in den Jahren MCMX - MCMXIII (1910-1913)". Die Widmung in Latein an der Hochschule der Künste in der Hardenbergstraße lässt sich als "Zur Erziehung der Jugend für die Künste" übersetzen, und die Schrift am Theater des Westens in der Kantstraße nennt ausnahmsweise einen Architekten, wenn sie in der Übersetzung verkündet "Dieses Haus gründete für die Pflege der Kunst im Jahr 1896 Bernhard Sehring".

Mit einigem Spürsinn wird man im Berliner Stadtbild weitere Widmungen finden. Aus dem Rahmen fällt die beim Wiederaufbau restaurierte Textzeile in hebräischen Lettern aus Jesaia 26,2, die die Fassade der 1866 eröffneten Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße schmückt und sich mit "Tuet auf die Pforten, dass einziehe das gerechte Volk, das bewahret die Treue" übersetzen lässt. Bei der ehemaligen Singakademie, dem heutigen Maxim Gorki Theater, muss man genau hinschauen, um eine recht ungewöhnliche Widmung zu finden. Zwischen den Pilastern an den Eingangstüren sind sechs vergoldete Buchstaben versteckt, die den Namen des berühmten Singakademie-Direktors Carl Friedrich Zelter ergeben.

Verloren sind verschiedene Bauinschriften, so an der 1886 abgerissenen Münze am Werderschen Markt in Berlin, deren lateinische Widmung übersetzt so lautet "Friedrich Wilhelm III. der Münzprägung, Mineralogie und Architektur 1800", weil der tempelartige Bau neben der Münzfertigung auch ein mineralogisches Museum und die Bauverwaltung beherbergte.

5. Januar 2019

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