Baujuwel am Potsdamer Stadtkanal
Nach dem Zweiten Weltkrieg zugeschütteter Wasserweg und das rekonstruierte Kellertor führen zurück ins 18. Jahrhundert





Das Kellertor um 1925 und heute in Idyllischer Lage mit dem noch kompletten Stadtkanal und einem kurzen Rudiment an der Straße Am Kanal.



An das Kellertor schließen sich die Reste der vier Meter hohen Akzisemauer aus der Barockzeit an, durch die auch die Flucht von Soldaten aus den Fängen des preußischen Schwarzen Adlers unterbunden werden sollte. Eine Tafel weist auf dieses Relikt aus dem 18. Jahrhundert hin.



Wenn es nach Willo Göpel und seinem Verein ginge, würde der Wasserlauf an der Straße Am Kanal bis zur Berliner Brücke verlängert, allerdings müssten dann neue Parkmöglichkeiten geschaffen werden.



So sah es vor einigen Jahrzehnten am Kanal aus, wer hier mit dem Boot ankam, kam über die Treppenstufen hinauf auf die Straße.





Nur wenige Zeit konnte man sich an dem mit Wasser gefüllten Kanal erfreuen, heute bietet er sich als grüner, aber trockner Graben dar. (Fotos/Repro: Caspar)

Potsdam besaß in alten Zeiten zehn Stadttore. Eines ist das Kellertor, benannt nach der zu einem kurfürstlichen Weinkeller führenden Kellerstraße, die heute Heilig-Geist-Straße heißt. Entlang der Havel stehen an der mit uraltem Kopfsteinpflaster befestigten Großen Fischerstraße Reste der vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. erbauten Stadtmauer, durch die das Entweichen von Soldaten verhindert werden sollte. Das Kellertor markiert den Anfang des früher durch die ganze Stadt führenden Kanals, der heute an dieser Stelle Wasser führt und von alten Ziegelmauern eingefasst ist. Nach wenigen Metern allerdings ist Schluss, denn alles, was bis zur Neustädter Bucht am anderen Ende der Stadt offen war und Wasser führte, wurde in DDR-Zeiten zugeschüttet. Nach deren Ende konnten dank einer Bürgerinitiative ein paar hundert Meter wieder geöffnet werden.

Zu diesem Zweck wurde das aus Unrat, Trümmersteinen und Schlamm bestehende Füllmaterial entlang der Yorckstraße ausgebaggert sowie die Mauerabdeckungen, Stufen und Einfassungen aus Sandstein erneuert und die Ziegelmauern ausgebessert. Gusseiserne Säulen und Geländer, die von Potsdamer Firmen und Institutionen finanziert wurden, lassen ahnen, wie der gesamte Kanal nach seiner Freilegung wirkt, wenn diese eines Tages denn geschehen sollte. Das kannte man vor einigen Jahren sehen, als sich die Häuser links und rechts des Stadtkanals im Wasser spiegelten. Inzwischen ist das wieder versickert, so dass sich der Kanal, sofern er ausgehoben wurde, nur noch als grün bewachsener Streifen präsentiert. Die längsten Teile in Richtung Kellertor beziehungsweise Neustädter Bucht sind verfüllt und werden als Parkplätze genutzt.

Einmalig im ostdeutschen Raum

1991, als man die städtebaulichen Missetaten der Ulbricht- und Honeckerzeit offen ansprechen konnte, hatte ein Gutachten festgestellt, die geschichtliche Bedeutung des Stadtkanals liege vor allem im städtebaulichen Dokumentationswert einer unter holländischem Einfluss entstandenen planmäßigen Stadtanlage. "Das Bauwerk ist in seiner Geschlossenheit einmalig im ostdeutschen Raum und Bestandteil des zu bewahrenden Stadtgrundrisses". Der Kanal lege Zeugnis ab vom hohen technischen Niveau der Städteplaner in der Barockzeit und ihrem Umgang mit Baugrund- und Grundwasserproblemen.

König Friedrich Wilhelm II. ließ 1788 das provisorische Wachgebäude am Kellertor durch deines aus Stein ersetzen. Hier taten Wachsoldaten auf der Jagd nach Deserteuren Dienst, und königliche Steuerbeamte erhoben Akzisen auf Waren, die auf dem Kanal in die Residenz- und Garnisonstadt gebracht wurden. Nach der Abschaffung der Steuer durch die Stein-Hardenbergschen Reformen Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Potsdamer Stadttore bis 1909 nur noch zur Erhebung der Mahl- und Schlachtsteuer genutzt. Nachdem das Wach- und Steuerhaus als solches nicht mehr benötigt wurde, unterhielt die Stadt hier eine Art Güterbahnhof zu Wasser. Das Gebäude wurde an eine Spedition vermietet und 1945 durch eine sowjetische Granate zerstört. Der noch verbliebene Portikus wurde um 1960 wie zahlreiche andere kriegsbeschädigte Bauwerke aus dem 18. Jahrhundert abgebrochen.

Ein Traum ging in Erfüllung

Das frühklassizistische Wach- und Steuerhaus mit seiner spätbarocken Trophäenskulptur aus Stein auf der Attika ist nicht mehr das Originalgebäude, sondern ein Nachbau aus unseren Tagen. Wer diesen mit alten Fotos vergleicht, die man mit Erläuterungen auf Tafeln vor dem Haus betrachten kann, erkennt einige Unterschiede. 2015 verkaufte die Stadt das Grundstück an einen Privateigentümer mit der Auflage, das alte Wachgebäude als Wohnhaus maßstabs- und profilgetreu zu rekonstruieren, was dann auch mit Ausnahme der Attikaskulptur geschah, wo jetzt eine neu gebaute Fenstergaube Licht in den Dachbereich fallen lässt.

Mit der Wiedererrichtung der zerstörten Kellertorwache am Anfang des Stadtkanals haben sich Willo Göpel, Historiker und Mitbegründer des Bauvereins "Potsdamer Stadtkanal 1722", und seine Familie einen Traum erfüllt. Er freut sich, dass das Kellertor jetzt wieder eines von vier Stadttoren ist, die in Potsdam noch vollständig sichtbar sind. Auf dem ehemaligen Lagerplatz an der Havel hat die Stadt Potsdam einen kleinen öffentlichen Park mit einem Weg zum Kanal anlegen lassen. Bei der Rekonstruktion des Torhauses stützte sich Willo Göpel auf altes Bildmaterial und zwei Aufmaße aus den 1920er Jahren. Die Römerhelme aus Sandstein auf dem Dach hatten im Barock symbolische Bedeutung, denn das Römische Reich wurde in der Erbauungszeit mit Kultur, Kunst und Zivilisation gleichgesetzt und war für das Bauwesen vorbildlich. Überall kann man solche Anklänge auf Häusern von manchmal palastartigen Ausmaßen erkennen.

Der Verein strebt nun die Fortsetzung des Stadtkanals vom Kellertor zur Berliner Brücke an. Da auf dieser Strecke keine Leitungen das ehemalige Kanalbett queren, wäre eine Wiederherstellung für drei bis vier Millionen Euro machbar, ist Willo Göpel überzeugt und hofft auf Fördergelder des Landes und von privater Seite. Auch für den schmucklosen Neubau der Kellertorbrücke gibt es Ideen: Statt eines Nachbaus aus Stein könnte eine Holzklappbrücke im holländischen Stil für einen Bruchteil der Kosten auch als Hommage an den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und sein Faible für alles Holländische errichtet werden.

11. Juli 2019

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