Zehn Jahre Stiftung Berliner Mauer
Seit 2009 sahen mehr als acht Millionen Besucherinnen und Besucher die Gedenkstätten



Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls 2009 nahm das von der Stiftung Berliner Mauer errichtete Informations- und Begegnungszentrum an der Bernauer Straße in Sichtweite des Nordbahnhofs seine Arbeit auf.





Auf Bild- und Texttafeln entlang der Bernauer Straße wird über Bau und Fall der deutsch-deutschen Grenze und die Menschen berichtet, die zwischen 1961 und 1989 bei Fluchtversuchen ihr Leben und Freiheit verloren.



Ein Modell aus braun patiniertem Stahl gibt Auskunft, wie die Grenzanlagen zwischen Ost- und Westberlin beschaffen waren.



Ein ehemaliger Wachturm der DDR-Grenztruppen fand auf dem Freigelände der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße einen neuen Platz.



Das Notaufnahmelager Marienfelde im Berliner Bezirk Tempelhof war für unzählige Menschen Sehnsuchtsziel und Ankerplatz, die der Zustände im Arbeiter-undBauern-Staat überdrüssig waren. Der Koffer aus Bronze vor dem Eingang ist das Symbol für das Kommen und Gehen in der damaligen Zeit.



Wer nach Marienfelde kam, musste den Behörden Rede und Antwort stehen und sich für einige Zeit in engen Räumen einrichten. (Fotos: Caspar)

Die Stiftung Berliner Mauer zieht zehn Jahre nach ihrer Gründung eine positive Bilanz. Mehr als acht Millionen Besucherinnen und Besucher sahen die historischen Gedenk-, Erinnerungs- und Lernorte der Stiftung, die am 1. Januar 2009 ihre Arbeit aufnahm. Seit zehn Jahren wird die Stiftung jährlich mit Mitteln des Landes Berlin und des Bundes in Höhe von derzeit rund 3,6 Millionen Euro gefördert. Neben der Gedenkstätte an der Bernauer Straße und der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde gehören seit August 2017 die Gedenkstätte Günter Litfin und seit November 2018 und die East Side Gallery zur Stiftung, das längste in der Hauptstadt erhalten gebliebene Mauerstück.

Mit rund 1.120.000 Besucherinnen und Besuchern kamen im vergangenen Jahr 164.000 Menschen mehr als 2017 in die Gedenkstätte Berliner Mauer. Im ehemaligen Notaufnahmelager Marienfelde blieben die Zahlen mit 10.100 Besucherinnen und Besuchern konstant. Die Gedenkstätte für Günter Litfin besuchten 2018 mehr als 7.000 Menschen. Am 24. August 1961 hatte Günter Litfin unweit der Führungsstelle am Kieler Ufer die Flucht nach West-Berlin versucht, wobei er erschossen wurde. 1962 wurde an der Sandkrugbrücke auf Westberliner Seite ein Gedenkstein eingeweiht. Dieser wurde 2015 an den Ort unweit des Berliner Hauptbahnhofs versetzt, an dem Günter Litfin sein Leben verlor. Die ehemalige Führungsstelle der DDR-Grenztruppen am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal wurde nach dem Fall der Mauer wurde in einen Erinnerungsort für eines der ersten Todesopfer an der Berliner Mauer und als Dokument des unmenschlichen Grenzregimes umgestaltet. Zuletzt gab es 280 mit Grenzsoldaten besetzte Wachtürme entlang der Berliner Mauer. Von dort kommandierten Offiziere und Unteroffiziere die Besatzungen der Wachtürme und die Patrouillen in den jeweiligen Grenzabschnitten. Die Grenzkommandeure waren dafür verantwortlich, dass in ihren Bereichen unter Anwendung der Schusswaffe Fluchtversuche unterbunden wurden. Dazu standen sie mit ihren Vorgesetzten, den Wachturmbesatzungen, der Staatssicherheit und der Volkspolizei in direktem Kontakt. In der Führungsstelle liefen die Informationen zusammen, dort war auch eine Alarmgruppe untergebracht, die Flüchtlingen nachsetzte und die "ausschaltete", wie es im damaligen Jargon hieß.

Bürgerschaftliches Engagement

Die Stiftung erreichte 2018 mit ihrem Bildungsangebot rund 74.000 Teilnehmende aller Altersstufen. Das Angebot umfasst sowohl Führungen als auch Seminare, Projekttage und Zeitzeugengespräche. An 3.302 Führungen in den vier Standorten nahmen mehr als 67.000 Menschen teil. Rund 70 Prozent der Führungen wurden in deutscher, etwa 30 Prozent in anderen Sprachen durchgeführt. "Alle historischen Orte, die heute zur Stiftung Berliner Mauer gehören, sind aus bürgerschaftlichem Engagement entstanden. So unterschiedlich diese Orte konnotiert sind, sie ermöglichen uns heute eine einzigartige Vielschichtigkeit und Tiefe in der Betrachtung der Berliner Mauer. Dafür bin ich allen damaligen Akteurinnen und Akteuren für ihre Erinnerungen und manche Zeitzeugnisse dankbar. Unsere Aufgabe ist es, dieser Vielfalt der Perspektiven auch in Zukunft Ausdruck zu verleihen", bilanzierte der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier, am Ende des vergangenen Jahres.

Mit Blick auf das Jubiläum erklärte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller: "Die ersten zehn Jahre des Bestehens der Stiftung Berliner Mauer sind eine Erfolgsgeschichte. Die Arbeit der Stiftung strahlt weit über die Berliner Museums- und Gedenkstättenlandschaft hinaus aus. Bernauer Straße und Notaufnahmelager Marienfelde sind authentische Orte. Hier wird Erinnerung nachfühlbar, besonders für Menschen, die von der Geschichte ganz persönlich betroffen sind. Wir sind dankbar, dass es mit der Gedenkstätte Berliner Mauer einen zentralen Ort gibt, an dem wir an den Jahrestagen von Mauerbau und Maueröffnung der Opfer würdig gedenken können. Ich danke der Stiftung für ihre unverzichtbare Arbeit."

Internationale Ausstrahlung

Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, betonte aus dem gleichen Anlass: "Die Stiftung Berliner Mauer hat sich mit ihren authentischen Gedenk- und Lernorten als äußerst wichtiger Partner bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur etabliert. Die konstant hohen Besucherzahlen belegen das ungebrochene Interesse an den Themen Diktatur und Widerstand, Demokratie, Unfreiheit und Freiheit - auch im 30. Jahr des Mauerfalls. In dem vor zehn Jahren eingeweihten Besuchs- und Informationszentrum können sich vor allem junge Menschen ein Bild von den Hintergründen und Auswirkungen der Teilung Berlins, Deutschlands und Europas machen. Die Stiftung leistet hier in anschaulicher, nachdenklicher und sensibler Weise wertvolle Erinnerungs- und Bildungsarbeit. Sie ist auf diesem Feld zu einer Institution mit internationaler Ausstrahlung geworden."

Anlässlich der Feierlichkeiten zum zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2009 wurde an der Gedenkstätte Bernauer Straße im Berliner Bezirk Mitte auf originalen Fundamenten ein Wachturm der DDR-Grenzsoldaten vom Typ BT-9 aufgestellt. Das Betonbauwerk hatte die Jahre zuvor auf einem verlassenen Militärgelände in Spreenhagen (Landkreis Oder-Spree) überdauert und bekam einen neuen Standort auf einer leeren Fläche an der Bernauer Straße, die von einer braun patinierten Stahlwand sowie an drei Seiten von Betonplatten begrenzt ist. Es ist der zentrale Anlaufpunkt für alle, die zur großflächigen Open-Air-Ausstellung im ehemaligen Todesstreifen, zum Dokumentationszentrum Bernauer Straße 111, in die Kapelle der Versöhnung sowie zum Nordbahnhof begeben wollen, in der über unterirdische, in Mauerzeiten hermetisch von der Öffentlichkeit abgeriegelte "Geisterbahnhöfe" berichtet wird.

Sehnsuchtsort und Ankerplatz

Die Gedenkstätte Notaufnahmelager Marienfelde im Berliner Bezirk Tempelhof hält die Erinnerung an ein heikles, bei vielen ehemaligen DDR-Bewohnern mit großen Emotionen beladenes Kapitel deutsch-deutscher Geschichte wach. Beim Besuch ist auch heute noch die nervliche Anspannung, das Hoffen und Bangen zu spüren, die Furcht der Geflüchteten vor einer ungewissen Zukunft. Die Dokumentation ruft Schicksale und Biographien anhand von Dokumenten, Bildern sowie Tagebuchaufzeichnungen und persönlichen Erinnerungsstücken ins Gedächtnis. Die Ängste und Hoffnungen, die bis zum Mauerbau am 13. August 1961 und danach bei Menschen, die unter Lebensgefahr den Grenzübertritt schafften, lassen sich aus den kilometerlangen Akten nur erahnen. Manchen Ankömmlingen aus der "Ostzone", wie man damals sagte, wurde der begehrte Status als politische Flüchtlinge verweigert, weil ihre Gründe dafür nicht ausreichten. Manche DDR-Bewohner gingen wieder zurück, die meisten aber blieben aus Furcht vor Repressalien in der Heimat im Westteil von Berlin. Diese Illegalen konnten, wenn sie Glück hatten, bei Freunden und Verwandten unterkommen. Die meisten aber hatten über längere Zeit weder Arbeit noch eine ordentliche Unterkunft. Nach Westdeutschland ausfliegen lassen konnten sie sich nicht, weil Geld und Papiere fehlten. Als die Politiker das Problem erkannten, wurden die Anerkennungskriterien gelockert und viele Flüchtlinge aus ihrem Schattendasein erlöst. Dieses neue Denken hatte auch mit dem damals wachsenden Bedarf an Arbeitskräften zu tun.

Angesichts der oft traumatischen, bis heute nachwirkenden Erlebnisse mögen sich viele "Marienfelder" nicht gern ihrer Erlebnisse im Notaufnahmelager, an das Leben in den Zimmern mit den Doppelstockbetten und an die Befragungen durch alliierte Geheimdienste und deutsche Behörden erinnern. Umso wichtiger sieht es die Stiftung Berliner Mauer an, sie zu ermuntern, ihre Zurückhaltung aufzugeben und ihre Erinnerungen "um der Sache willen" zu Protokoll zu geben.

5. Januar 2018

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