Schrippenfest auf der Mopke
Kaiser Wilhelm II. fügte seinem Gartenreich in Potsdam bemerkenswerte Bauten hinzu und ließ das Neue Palais modernisieren



In dem unter Friedrich II., dem Großen, erbauten Neuen Palais im Park von Sanssouci wurde Geschichte geschrieben. Die Terrasse vor der Ostfassade des Neuen Palais wurde mit 60 überlebensgroßen Sandsteinfiguren geschmückt, die auch als Halter von Gaslaternen dienten. Außerdem hat man steinernen Vasen auf die Balustraden und Zufahrten gestellt.



Hier paradieren am zweiten Pfingsttag Truppen auf der so genanten Mopke zwischen dem Neuen Palais und den Communs. Ohne Militär und "Tschingderassabum" lief in der Residenz- und Garnisonstadt Potsdam damals nichts.



Wilhelm II. feiert mit seiner Familie im festlich geschmückten Muschel- oder Grottensaal des Neuen Palais das Weihnachtsfest. Die Kinder tragen keine Uniform, sondern sind, wie damals üblich, als Matrosen verkleidet.



Zu den vier Söhnen auf dem Bild mit Schloss Sanssouci im Hintergrund bekam das Kaiserpaar noch zwei weitere. Mit kernigen Sprüchen beschwor Wilhelm II. 1914 den Burgfrieden. Wer diese Weisung nicht befolgte wie linke Sozialdemokraten mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an der Spitze wurde mundtot gemacht oder ins Gefängnis geworfen.





Als Friedrich III. am 15. Juni 1888 gestorben war, versammelten sich vor dem Neuen Palais trauernde Menschen. Bestattet sind der Kaiser, seine Gemahlin und Familienangehörige im Mausoleum an der Friedenskirche. Dort wurde 1991 auch der Sarkophag des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm II. aufgestellt, der bis zum Zweiten Weltkrieg in der Potsdamer Garnisonkirche stand. Sein Sohn Friedrich II. fand in der von ihm schon zu Lebzeigen vorbereiteten Gruft auf der Terrasse von Schloss Sanssouci seine letzte Ruhe.





Von der neobarocken, ganz dem Geschmack Wilhelms II. folgenden Pracht der Salons im Kaiserbahnhof Wildpark künden nur noch alte Fotografien. Vor einigen Jahren wurde der Außenbau von der Deutschen Bahn restauriert.





Das prunkvolle Eingangstor zum Park Sanssouci mit dem Obelisken im Hintergrund wurde unter Wilhelm II. an Stelle einer kleinen, bescheidenen Gittertür gebaut und ist heute nicht mehr vorhanden. Das gilt auch für den Garten in der Nähe des Neuen Palais (oben), zu dem nur Kaiserin Auguste Viktoria, ihre Familie und wenige Vertraute Zugang hatten.



Die Jubiläumsterrasse vor dem Orangerieschloss ist eine pompöse Zutat aus der Kaiserzeit. Das Marmordenkmal im Parterre ist eine verkleinerte, sich leider in schlechtem Zustand befindliche Kopie des Reiterdenkmals von Christian Daniel Rauch Unter den Linden in Berlin. (Fotos/Repros: Caspar)

Brandenburgisch-preußische Herrscher haben in ihrer Residenzstadt Potsdam bedeutende Spuren hinterlassen. Viele Bau- und Kunstdenkmale aus der Zeit der Monarchie haben den Bombenangriff vom 14. April 1945 überstanden und können auch heute in der brandenburgischen Landeshauptstadt und ihrer Umgebung betrachtet werden. Im Park von Sanssouci, im Neuen Garten am Heiligen See, in Klein-Glienicke und in Babelsberg entstanden unter Friedrich II., dem Großen, und seinen Nachfolgern Sommerresidenzen, an deren Gestaltung namhafte Architekten, Bildhauer und Gartenarchitekten mitgewirkt haben. Zu nennen sind Knobelsdorff und Glume, Schinkel und Persius, Raschdorff und Ihne, Lenné und Pückler und viele andere. Geschichte wurde nicht nur im Schloss Sanssouci und im Schloss Cecilienhof geschrieben, sondern auch im Neuen Palais. Zwischen 1763 und 1769 nach fast zehnjähriger Planung und einem durch den Siebenjährigen Krieg verzögerten Baubeginn am westlichen Ende des Parks Sanssouci als Gästeschloss Friedrichs II. errichtet, war der Palast die Sommerresidenz der Kaiser Friedrich III. und Wilhelm II. bis zu dessen Abdankung im November 1918.

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht

Nach dem Tod Friedrichs II. am 17. August 1786 verfiel das Neue Palais zunächst in einen Dornröschenschlaf und wurde nur instand gehalten, nicht aber regelmäßig bewohnt. Das führte zu Substanzverlusten und machte spätere Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten nötig. Die Nachfolger des Monarchen nutzten eigene Residenzen und kamen ins Neue Palais nur noch zu besonderen Empfängen und Familienfeiern. Die zu Zeiten Friedrichs II. als Wirtschaftsgebäude und Wohnungen von Hofangestellten genutzten Communs gegenüber dem Ehrenhof des Neuen Palais erhielten im 19. Jahrhundert neue Aufgaben. 1820 zog in das nördliche Commun das von Friedrich Wilhelm III. aufgestellte erste Lehr-Infanterie-Bataillon der preußischen Armee ein.

Der große gepflasterte Bereich zwischen Palais und Kolonnade, auch Mopke genannt, diente fortan als Exerzierplatz. Bis zum Ersten Weltkrieg am 1. August 1914 fand hier immer am zweiten Pfingstfeiertag mit großem Pomp und reichlichem Fahnenschmuck das Stiftungsfest des Bataillons statt. Da Teilnehmer und Zuschauer unter freiem Himmel auch mit Brötchen bewirtet wurden, erhielt die Truppenschau den volkstümlichen Namen "Schrippenfest". Ein unterirdischer Gang verband seit 1889 die Wirtschaftsräume des südlichen Commun mit dem Neuen Palais, weil die Herrschaften dort keine Küchengerüche und so genanntes Gesinde haben wollten.

Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere Kaiser Friedrich III. und Besitzer des Kronguts im nahe gelegenen Bornstedt (siehe S. 50), nutzte das Neue Palais ab 1862 als Sommerresidenz und nannte sie Friedrichskron. Nachdem er am 15. Juni 1888 nach nur 99tägiger Regentschaft als Kaiser einer schweren Krebserkrankung erlegen war, hat man ein schwarzes Kreuz in den Fußboden seines Sterbezimmers eingelassen. Bestattet wurden der Monarch und seine 1901 verstorbene Gemahlin Viktoria in einem nach Plänen von Julius Raschdorff, dem Erbauer des Doms am Berliner Lustgarten, der Friedenskirche hinzugefügten Mausoleum. Die ähnlich wie die Sarkophage aus Marmor im Mausoleum zu Charlottenburg gestalteten Sarkophage sind Werke des am kaiserlichen Hof hoch angesehenen Bildhauers Reinhold Begas. Eine Kopie des wie schlafend dargestellten Kaisers steht im Berliner Dom.

Dampfheizung, Fahrstuhl und Telefon

Das unter Friedrich II. im und nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) erbaute und überaus prunkvoll ausgestatte Neue Palais am Ende des Parks von Sanssouci war die Lieblingsresidenz von Wilhelm II. Die kaiserliche Familie verbrachte hier, von unzähligen Höflingen und Lakaien umsorgt und zahlreichen Soldaten abgesichert, höchst komfortabel viele Monate eines jeden Jahres. Der riesige, schon von weitem an der Kuppel mit den vergoldeten, eine Krone tragenden Grazien auf der Spitze erkennbare Palast war mit damals modernster Technik ausgestattet. Es besaß eine Dampfheizung, für die 15 Männer zuständig waren. Die Wärme wurde über ein kompliziertes Rohrsystem in die Appartements und Repräsentationsräume geleitet. Dort kann man auch heute die neobarock dekorierten Messinggitter sehen, durch die die warme Luft trat. Das Neue Palais bekam elektrische Leitungen für Kronleuchter und Klingeln, doch verzichtete man aus Gründen der Pietät auf diese modernen Einbauten in den Wohnräumen Friedrichs II.

Die Kommunikation vom Regierungszentrum im Neuen Palais hinaus ins weite Land erfolgte über Telefon und eine Telegrafenstation. Der Brief- und Paketverkehr lief über das 1911 erbaute Kaiserliche Postamt in der heutigen Geschwister-Scholl-Straße 38 am Rand des Parks Sanssouci. Das Neue Palais bekam einen hydraulischen Fahrstuhl im Nordflügel sowie Wannenbäder und was sonst der Kaiser und seine Familie an Bequemlichkeiten benötigten. Die mit blau bemalten Fliesen ausgelegten Badezimmer existieren bis heute. In der Kronprinzenwohnung war eines von diesen Kabinetten hinter den Türen eines Barockschranks versteckt. Für die kunstbegeisterte Kronprinzessin Viktoria, die sich nach ihrem verstorbenen Mann Kaiserin Friedrich nannte, stand im Dachbereich des Neuen Palais ein gut beleuchtetes Maleratelier zur Verfügung.

Marstall, Reithalle und Autogarage

Da die kaiserliche Hofhaltung sehr viel Personal, aber auch Fahrzeuge benötigte, wurden in der Nähe des Neuen Palais ein Marstall für Kutschen und Pferde, eine Reithalle sowie Garagen für die damals noch neuen Automobile der Firma Mercedes gebaut, die der autobegeisterte Kaiser und seine Familie für Ausfahrten benutzten. Außerdem wurde in der Nähe der luxuriös eingerichtete Kaiserbahnhof Wildpark erbaut, auf dem Staatsgäste und Familienmitglieder in Empfang genommen wurden und der Kaiser seine vielen Reisen antrat. Hofbeamte wohnten in vornehmen Villen und anderen Häusern im Umkreis des Parks Sanssouci sowie am Rand des Neuen Gartens. In einigen dieser Bauten waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Militärmissionen der westlichen Allliierten untergebracht, andere nahm nach 1945 die Sowjetische Besatzungsmacht bis zu ihrem Abzug in den frühen 1990er Jahren in Beschlag.

Kaiser Wilhelm II. bewohnte lieber das Neue Palais als das Berliner Stadtschloss, das 2020 als Humboldt Forum neu eröffnet werden soll. In seiner Berliner Residenz weilte er nur zu besonderen Anlässen weilte, etwa wenn ein neu gewählter Reichstag eröffnet, Geburtstage und Hochzeiten gefeiert oder Staatsbesuche empfangen wurden. Da ihm das schmucklose Parterre vor dem Neuen Palais zum Park Sanssouci hin nicht repräsentativ genug erschien, ließ er es im Stil des Neobarock neu gestalten. Indem die Gartenfront durch diese von dem Bildhauer Walter Schott und Kollegen geschaffenen Skulpturen aufgewertet wurde, wurde die Rückfront des Neuen Palais mit dem durch Gitter eingefriedeten Ehrenhof gegenüber den Communs zur inoffiziellen Eingangsseite zurück gestuft.

"Ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Deutsche"

Wilhelm II. unterzeichnete am 31. Juli 1914 im Neuen Palais, das damals Zentrum der Macht im Deutschen Reich war, die deutsche Mobilmachung als Auftakt zum Ersten Weltkrieg. Damit wurden die letzten Jahre des kaiserlichen Wohnschlosses eingeläutet. In Berlin machte er mit mehreren vom Balkon des Stadtschlosses gehaltenen und daher Balkonreden genannten Ansprachen seinen Untertanen Mut. Am 1. August 1914 erklärte er: "Ich kenne keine Parteien und auch keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle deutsche Brüder und nur noch deutsche Brüder" wurde leicht verkürzt durch die damaligen Medien in den letzten Winkel des Deutschen Reichs getragen und ging in der Version "Ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Deutsche" in den Zitatenschatz ein.

In der ersten Balkonrede, die Wilhelm II. am 31. Juli 1914 angesichts der russischen Mobilmachung "in schwerer Stunde" hielt, behauptete er, Neider würden uns zu gerechter Verteidigung zwingen, weshalb sich das deutsche Volk mit dem "Schwert in der Hand" wehren müsse. Der Kaiser empfahl seinen Untertanen, in die Kirche zu gehen und für den Erhalt des Friedens und für "unser braves Heer" zu beten. Eine weitere Rede vom 6. September 1914 wurde unter dem Titel "An das deutsche Volk" im Reichsanzeiger veröffentlicht. Der Kaiser sprach im Januar 1918 noch einmal für eine Schallplattenaufnahme. Aus diesem Aufruf stammt die bekannte Aufforderung "Es muss denn das Schwert nun entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! zu den Waffen!"

Linke Volksinitiative gegen Ansprüche der Hohenzollern

Ein von den Siegermächten erwogener Kriegsverbrecherprozess gegen den Kaiser, den Kronprinzen Wilhelm sowie Militärführer, allen voran Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, kam nach dem Ersten Weltkrieg nicht zustande. Die betreffenden Personen behaupteten steif und fest, die durch rote Aktivisten und Bolschewisten aufgewiegelte Zivilbevölkerung habe die siegreich an den Fronten kämpfenden Soldaten heimtückisch einen Dolch in den Rücken gerammt und dadurch dem Gegner zum Sieg verholfen. Die so genannte Dolchstoßlegende war geboren!

Von ihre Auffassung, der Krieg sei den Deutschen von den Mächten der Entente aufgezwungen worden, ließen sich der Ex-Kaiser und Kronprinz Wilhelm niemals abbringen, und mit ihm dachten Millionen Deutsche ähnlich. Der Erste Weltkrieg endete mit dem Abgang der Hohenzollern und der anderen deutschen Fürsten. Dass die ehemalige preußische Herrscherfamilie jetzt, einhundert Jahre später, Ansprüche auf Schlösser, Kunstwerke, Erinnerungsstücke und Dokumente im Staatsbesitz erhebt, wird aktuell heftig diskutiert und als Unverschämtheit und Eigentor bezeichnet. Im Land Brandenburg begann kurz vor der Landtagswahl am 1. September 2019 eine Volksinitiative der Linken gegen die Rückerstattungsansprüche der Hohenzollern. Die an der Regierung im Land beteiligte Partei erklärte am 8. August 2019, es gehe darum, "kein Eigentum des Volkes an die Hohenzollern zu verschenken".

Die Hohenzollern werden der Kollaboration mit den Nazis bezichtigt und deshalb nach dem Zweiten Weltkrieg in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, enteignet. Die Nachfahren des letzten deutschen Kaisers fordern vom Land Brandenburg unter anderem 1,2 Millionen Euro Entschädigung. Die Gefahr besteht, dass sie ihre in Schlössern und Museen ausgestellten Leihgaben aus diesen abzuziehen, womit peinliche Leerstellen entstünden. Gegner der Volksinitiative sehen diese als populistisches Manöver an, das den Linken Wählerstimmen zuführen soll.

Am 14. November 1918 verließen die noch verbliebenen Mitglieder der Hohenzollernfamilie das Neue Palais. Während es im Berliner Schloss im November 1918 zu Schusswechseln zwischen der Wache und Revolutionären kam und der Hohenzollernbau manche Blessuren davon trug, ging es im kaisertreuen, von regimetreuen Offizieren und Beamten dominierten Potsdam ruhig und gesittet zu. Wilhelm II. blieb erspart, was die Bolschewiki Zar Nikolaus II. und den Seinen angetan hatten. Lediglich wurde am 10. November 1918 die Kaiserstandarte eingeholt, doch da hatte Wilhelm II. bereits das Weite gesucht und Unterschlupf bei der Königin Wilhelmina der Niederlande gefunden, und auch Kaiserin Augusta Viktoria verließ Potsdam und das Neue Palais in Richtung Niederlande. Als sie starb, hat man sie im Antikentempel bestattet. An der Trauerfeier durfte der dort in Doorn bei Utrecht residierende Ex-Kaiser Wilhelm II. nicht teilnehmen.

Leer geräumte Schränke und Kommoden

Da nach dem Ende der Monarchie das Neue Palais wieder so aussehen sollte wie zu Zeiten Friedrichs des Großen, wurden die als unhistorisch und kitschig empfundenen Einbauten und Veränderungen aus der Kaiserzeit bis auf Reste beseitigt. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg versucht, anhand von Fotos aus der Zeit Wilhelms II. die Fest- und Privaträume wieder so zu zeigen, wie sie in Kaisers Zeiten ausgestattet waren. Den Besuchern soll vorgeführt werden, wo sich die Herrschaften ankleiden ließen und wie sie speisten, aber auch was die Dienerschaft quasi unsichtbar im Hintergrund zu tun hatte. Da nach dem Ende der Kaiserzeit die Schränke, Kommoden und Regale leer geräumt waren, hilft sich die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg heute mit Leihgaben aus, vor allem solchen aus Huis Doorn, der letzten Residenz des letzten deutschen Kaisers.

Parallel zur Umgestaltung und Modernisierung des Neuen Palais gab es im Potsdamer Schlösser- und Gartenreich während der Kaiserzeit weitere Baumaßnahmen, so im Parterre des Orangerieschlosses durch Anlage einer Terrasse anlässlich des 25jährigen Regierungsjubiläums von Wilhelm II. 1913 und im Garten vor der Gemäldegalerie im Umkreis der Neptungrotte. Außerdem ließ der Kaiser überall in seinem Gartenreich und in der Residenz- und Garnisonstadt Potsdam Herrscher- und Soldatenfiguren aufstellen. Die Garnisonkirche hat der Kaiser prunkvoll ausgestalten lassen, außerdem wurden in und um Potsdam verschiedene Kasernen erbaut.

Siehe zu den Forderungen des Hauses Hohenzollern auch die Einträge auf dieser Internetseite vom 16. und 25. Juli sowie 1. August 2019

9. August 2019

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